Salon@Salon@(BE)@freigabe
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Lesen Sie auch den Beitrag "Le salon: un modèle de sociabilité pour les élites européennes?" in der EHNE.
Einleitung
Kein Geringerer als Voltaire (1694–1778)[] beschrieb, wie der französische esprit de société auf ganz Europa ausstrahlte.1 Auch der französische Salon wurde ein gesamteuropäisches Phänomen. Allerdings ist bereits das Stichwort "Salon" ein Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen. In den letzten 30 Jahren hat die interkulturelle, interdisziplinäre Erforschung des Phänomens "Salon" große Fortschritte gemacht; für die fruchtbaren Kontroversen und vielseitigen Ansätze sei auf die beigefügte Forschungsliteratur verwiesen.2 Im vorliegenden Beitrag geht es nicht um "Salons" als beliebige elegante Empfangsgeselligkeit; auch die in Frankreich "Salon" genannten, aber von Herren veranstalteten Abende müssen hier ausgeklammert bleiben. Gemeint sind Salons als spezifische Form sozial- und geistesgeschichtlich relevanter Konversationsgeselligkeit von Männern und Frauen um eine Gastgeberin mit besonders anziehender Persönlichkeit. Wie Christine de Pizans allegorische Cité des Femmes wurde der Salon im geistigen Sinne (über seine realen Bezüge hinaus) zum Topos eines weiblichen Kulturraums in Europa.3
Weiblich geprägte Salons unterschieden sich in ihrer Struktur von den geselligen Treffen männlicher Gastgeber und dienten auf verschiedene Weise und in unterschiedlicher Intensität der Freiheit und geistigen Selbstverwirklichung von Frauen (auch wenn deren Ehemänner oft eine größere Rolle in den Salons spielten, als es die Legende will). Zu einer Zeit als Frauen noch nicht rechtlich und sozial gleichgestellt waren, erlaubte ihnen der Salon, ihre geselligen, geistigen und literarisch-künstlerischen Neigungen und Fähigkeiten zu erproben. Salons stellten ein ästhetisch gestaltetes weibliches Ambiente im Hause dar, dem traditionellen Herrschaftsbereich der Frau.4 Diese bestimmte dort den Ton der Gespräche und hatte das letzte Wort, sie trat auch als neutrale Schlichterin und Vermittlerin auf. Der Salon einer Frau war zugleich ein von der Außenwelt abgeschirmter Raum, in dem man einen besonderen Stil von Geselligkeit pflegte.
Interkulturelle Transferprozesse: Bezeichnung, Struktur und Genese der Salons
Das Phänomen und seine Bezeichnungen
Im 16./17. Jahrhundert gab es für das neue Phänomen der Salongeselligkeit neben unspezifischen Bezeichnungen, wie conversation oder société, auch konkretere Begriffe wie bureau d'esprit oder schlicht die Bezeichnung nach Ort oder Zeit (chez Mme de ..., chambre bleue, ruelles, samedis).5 Im Zuge einer langlebigen italienischen Tradition des Frühhumanismus nannte man die Salons auch (gesellige) Akademien.6 "Salons" (von ital. salone, großer Saal) hießen seit Mitte des 18. Jahrhunderts die Kunstausstellungen im salon carré des Louvre, deren Name sich von der Lokalität ableitete; er implizierte Periodizität. Frühe Belege für "Salon" im Sinne von Geselligkeit finden sich am Ende des Ancien Régime.7 In Paris begann man, tägliche oder wöchentliche Geselligkeit "Salon" zu nennen. Diese Salons wurden anregende Institutionen des gesellschaftlichen Verkehrs; manche entwickelten sich zwanglos zu bedeutenden Konversationssalons bzw. "literarischen Salons". Den historischen, eher spöttisch konnotierten Begriff bureau d'esprit ersetzte man im frühen 19. Jahrhundert durch salon (zunächst salon académique), wenn man Geselligkeit in der Tradition des Hôtel de Rambouillet8 meinte.
Dass sich schließlich die Bezeichnung "literarischer Salon" (salon littéraire) durchsetzte, heißt jedoch nicht, dass es dort nur um Literatur ging. Im Mittelpunkt stand die Konversation über eine Vielzahl von Themen, verbunden mit weiteren geselligen Aktivitäten.9 Beachtet man das Bedeutungsspektrum von "literarisch" im weitesten Sinne (unter Einschluss der Wissenschaften und Künste), erscheint die Bezeichnung "literarischer Salon" als Grundform der Salons durchaus zutreffend.10 Das Literarische war die Basis der Konversation über das allgemein Menschliche und schlug die Brücke zum philosophischen und potentiell bildenden, auch kritischen und räsonierenden Gespräch in leichtem Ton.11 Im Salon wurde über vielerlei gesprochen, mit offenen thematischen Wendungen, und auch Salons mit speziellen Vorlieben oder Schwerpunkten (Musik, Politik, bildende Kunst usw.) waren zugleich Konversationssalons.12 Insofern sind thematische Klassifizierungen zwar Strukturierungshilfen der Historiographie, verschleiern aber die Funktion des Salons als Vermittlungsinstanz zwischen verschiedenen geselligen und kulturellen Bereichen. Ein Salonabend hatte kein Programm; zuvor angekündigte Dichterlesungen oder Konzerte gab es nur ausnahmsweise – oft wurde bei Bedarf improvisiert. Da die Salons in einer Vielfalt von Bezügen des geselligen Lebens und der mondanité standen, repräsentierten sie zugleich eine Art Meta-Geselligkeit, die geeignet war, viele an anderen Orten empfangene Eindrücke zu besprechen.
Die Konversation stand im Mittelpunkt, auch wenn gemeinsam gespeist wurde (Formen und Uhrzeiten wandelten sich); nach dem Essen stellten sich weitere Freunde und Bekannte in zwanglosem Rahmen ein. Mit der Mode des Teetrinkens verlagerte sich die Konversationsgeselligkeit im 18. Jahrhundert zunehmend auf den Tee nach dem Essen. Seither wurde sie oft ganz auf die Teezeit verlegt, so dass nun auch der "Tee" (ohne große Bewirtung) ein Synonym für Salongeselligkeit sein konnte.13 Durch normative Literatur wurde eine Tradition konsolidiert, die dafür sorgte, dass die Ideale der Salongeselligkeit relativ unverändert blieben. 1858 charakterisierte die Salonnière Virginie Ancelot (1792–1875) einen idealtypischen Salon mit den Merkmalen Kontinuität, Urbanität, Bindung an die Gastgeberin, Vertrauen und Höflichkeit im Gästekreis, Würdigung des wahren Verdiensts eines jeden und Vorrang von Esprit vor Rang und Reichtum.14
Das Interesse breiterer Schichten an elegant möblierten Salons und stereotype Vorstellungen von historischer Salongeselligkeit erzeugten im 19. Jahrhundert inflationäre Tendenzen, die bald als schwere Hypothek auf der Wahrnehmung der Salons lasten sollten. Manche Damen versuchten, ihren "Salon" für Aufstiegszwecke zu instrumentalisieren.15 Die Gastgeberinnen der echten Konversationssalons ("Salonnièren" – ein später entstandenes Kunstwort) sprachen in der Regel ganz einfach von ihren "Donnerstagen" usw. (jour fixe). In der Romanliteratur wurden Salonplagiate zum beliebten literarischen Topos (analog zu Molières Précieuses Ridicules).16 Gängige Komposita wie "Salonmusik" oder "Salonpoet" suggerierten Trivialität mit antifeministischem Unterton.17
Die interkulturelle Genese der Salonkultur
Die Theorie der europäischen Gesprächskultur geht bis in die Antike zurück.18 Kenntnisse dieser antiken Tradition flossen seit der Renaissance in weiblich geprägte Geselligkeit ein.19 Sowohl die chevalreske höfische und adelige Kultur wie auch die Beteiligung von Frauen an humanistischer Geselligkeit wurden Komponenten der Salongeselligkeit.20 Die Erfindung des Buchdrucks förderte die Rezeption dichterisch idealisierter Versionen solcher Kreise.21
In Frankreich gaben humanistisch geprägte Fürstinnen, wie Margarete von Navarra (1492–1549) oder Margarete von Valois (1553–1615), ebenso Impulse für die Entstehung der Salons wie François Rabelais (ca. 1490–1553). Seine berühmte Utopie der Akademie von Thélème zielte darauf, Männern und Frauen ein freies, selbstbestimmtes philosophisches Leben zu ermöglichen.22 Die ersten Pariser Salons im engeren Sinne entstanden im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts. Hier ist vor allem das cabinet vert der klassisch gebildeten Catherine de Clermont, Herzogin von Retz (1543–1603), zu nennen, in dem vielseitige Gespräche stattfanden.23
Richtungweisend und traditionsbildend war Catherine de Vivonne, Marquise de Rambouillet (1588–1665),24 die in ihrem Salon eine Mischung aus ernsten und heiteren Gesprächen pflegte und Liebes-Kasuistik und -lyrik im Stile Petrarcas, Musik sowie kleine Aufführungen schätzte. Jean-Louis Guez de Balzac (1597–1654) feierte Madame de Rambouillet als würdige Nachfahrin der Römer und dokumentierte ihr Interesse an der antiken römischen Gesprächskunst in einem ihr gewidmeten Discours, in welchem auch das für die Salons wichtige Stichwort urbanité fällt.25 Neustoisches Gedankengut in der noch-lateinischen Gelehrtenwelt und Bezüge auf das chevalreske Arkadien, das in den Romanen der Zeit beschworen wurde, trugen zur lebhaften intellektuellen Atmosphäre im Salon bei.26 Das Konzept von politesse und honnêteté in den Salons war zunächst ein Verhaltenskodex im adeligen Milieu, neu Geadelte (denn auch der Adel im 17. Jahrhundert war sozialem Wandel unterworfen) und Bürgerliche konnten es indes adaptieren.27 Das Gedankengut aus den Essais' Michel de Montaignes (1533–1592) förderte explizit den Anspruch gebildeter Laien auf Teilhabe am intellektuellen Leben, auch und gerade in geselliger, unpedantischer, improvisierter Form. Jean Chapelain (1595–1674) lobte, man rede im Hôtel de Rambouillet nicht gelehrt, aber vernünftig, man finde nirgends mehr gesunden Menschenverstand und weniger Pedanterie.28 Salongeselligkeit vereinte beides, das geistvolle Gespräch im adeligen Ambiente und das Tribunal des guten (von den Damen festgelegten) Geschmacks in literarischer, künstlerischer und moralischer Hinsicht.
Um 1600 trugen die Salons zudem dazu bei, auf der Grundlage klassischer Bildung die volkssprachliche Konversation zu verfeinern. Die translatio studiorum, also die translatio imperii der humanistischen Wissenschaften von Italien nach Frankreich, begünstigte diese Entwicklung.29 Auch in anderen Ländern erblühte die Salonkultur meist in Symbiose mit den nationalen Literaturen; in Italien war dies längst geschehen. Im deutschen Raum, wo der Dreißigjährige Krieg die Entwicklung behinderte, nahmen Sprachgesellschaften und Dichterkreise unter Beteiligung von Frauen sowie "gedruckte Salons" in Form von publizierten Konversationen manche Funktionen von echten Salons wahr.30
Die französischen Salons des Ancien Régime und ihre Ausstrahlung auf Europa
Die französischen Salons des Ancien Régime
Das individuelle Konstrukt der Salongeselligkeit im Hôtel de Rambouillet und in den Salons seiner Nachfolgerinnen stand in komplexer Wechselbeziehung mit der humanistischen Bildungstradition sowie dem Ideal der honnêteté (frz. Ehrenhaftigkeit, Haltung), das Autoren wie Nicolas Faret (ca. 1596–1646) und Jacques Du Bosc (ca. 1600–1664) propagierten.31 Doch obschon primärer Zweck der Salons war, einen humanistisch-adeligen Lebensstil zu pflegen, entstanden wichtige Sekundärfunktionen. Der Salon konnte als weiblicher Freiraum und als Einflusssphäre genutzt werden, sei es für geistige Kreativität oder auch für Politik. Salonnièren wie Anne Geneviève de Bourbon-Condé, duchesse de Longueville (1619–1679) und Anne-Marie-Louise d'Orléans de Montpensier (1627–1693) nahmen am Aufstand der Fronde teil. Die Salons der zweiten Jahrhunderthälfte standen weiterhin im Spannungsfeld von Individuum, Hof und Gesellschaft, hinzu kamen nun noch die Dimensionen von Pessimismus und Weltflucht. Die Kommunikations- und Rückzugsräume der Salonkultur fand man sogar im Kloster Port-Royal de Paris, wo Madeleine Marquise de Sablé (1598–1678) die menschliche Psyche auslotete (vgl. die Mode der "Porträts", Charakterschilderungen, die als jeu d'esprit verfasst wurden) und ihre neuplatonischen Ideen vom erzieherischen Wert der Liebe und der Entsagung mit Freunden besprach.32 Die Briefe der Marquise Marie de Sévigné (1626–1696)[], 1725 publiziert und schon bald in unzähligen Ausgaben in Europa verbreitet, brachten die Pariser Salonkreise dieser Zeit einem großen Publikum nahe.
Die literarische Emanzipation von Frauen gab wiederholt Anlass zu Ressentiments.33 Das betraf auch Madeleine de Scudéry (1607–1701), die sich als Repräsentantin der préciosité um die Spiritualisierung der Liebe und eine weiblich geprägte Sprache wie Rhetorik bemühte.34 Durch Molières (1622–1673) Komödie Les Précieuses Ridicules über plumpe Imitationen preziöser Gesprächskultur entstand ein irreführendes Bild der authentischen précieuses, das auch die Damen der Salonkreise unter den Generalverdacht des Manierismus stellte. Mademoiselle de Scudéry verarbeitete die Geselligkeit um Madame de Rambouillet in ihren Schlüsselromanen und begründete samedis (Blütezeit ca. 1653–1659), an denen man über Cartesianismus, Literatur und Freundschaft (amitié tendre) sprach.35 Ihre Romane und die später auch separat publizierten Conversations traten neben die Klassiker der honnêteté und wurden wie diese in ganz Europa gelesen, übersetzt und nachgeahmt.36
Für die Salons ergab sich durch den Tod Ludwigs XIV. (1638–1715) kein Einschnitt; auch wenn das die wissensdurstigen und lebenshungrigen Salonkreise der Régence nahelegen, welche von der exzentrischen Herzogin Louise Bénédicte de Bourbon-Condé du Maine (1676–1753) und Claudine Marquise de Tencin (1681–1749) angeführt wurden.37 Der fortdauernde Einfluss der Witwe des Königs, Marquise Françoise de Maintenon (1635–1719), wurde u.a. durch ihre Nichte Marthe-Marguerite Marquise de Caylus (1673–1729) repräsentiert, die als Modell der urbanité galt.38 Ein Bindeglied zwischen den Zeiten war auch Anne-Thérèse Marquise de Lambert (1647–1733), die ihre Autonomie gegenüber dem Zeitgeschmack bekräftigte, das Hôtel de Rambouillet mit Symposien Platons verglich und schrieb, die geistvollen Vergnügungen dort hätten weder die Sitten noch den Geldbeutel ruiniert.39 Die erste bürgerliche Salonnière in Paris, Marie-Thérèse Geoffrin (1699–1777), die keineswegs vorbehaltlos gesellschaftliche Anerkennung fand, gestaltete ihren auch mäzenatisch orientierten Salon als geselliges Matriarchat.40
Die Pariser Salons fanden ein Echo in neuen europäischen Kommunikationskanälen wie Melchior Grimms (1723–1807) Literarischer Korrespondenz.41 Einen besonderen Ruf genoss die früh erblindete Marquise Marie du Deffand (1697–1780), eine Meisterin der Konversation, mit ihrem internationalen Gästekreis und Briefwechsel.42 Als Madame du Deffand 1754 ihre Nichte Julie de Lespinasse (1732–1776) bei sich aufnahm und mit der Führung eines Salons vertraut machte, war ihr gemeinsames Interesse "das Studium des Menschen, seiner Seele, seiner Leidenschaften in der abgeschlossenen Welt eines Gesellschaftszimmers".43 Nach dem Bruch zwischen den beiden Frauen (1764) stellte Mademoiselle de Lespinasse ihre geselligen Qualitäten in einem eigenen Salon unter Beweis, in dem sie es "verstand …, die verschiedensten, ja manchmal gegensätzlichsten Geister miteinander auszusöhnen".44 Solche Virtuosität der Konversation war im Paris des späten Ancien Régime nicht in allen Salons zu finden.
Die Geselligkeit, auch die der Salongesellschaft, litt damals unter einer formalen Erstarrung, intellektuellen und ästhetischen Fehden sowie Spannungen zwischen neuen Ideen und fortbestehenden traditionellen Ordnungsbegriffen der honnêteté.45 Diese Krisensituation spiegelt sich auch in den Konflikten, denen Suzanne Necker (1739–1794) im Zusammenhang mit ihrer Salongeselligkeit ausgesetzt war. Als bürgerliche Protestantin aus Genf war sie eine Außenseiterin in den etablierten Pariser Salonkreisen und verurteilte deren Oberflächlichkeit und Zerstreuungssucht. Ihre Kritik blieb privat-literarisch, signalisierte aber einen Zustand der Salonkultur, die nicht mehr als freier "Wunschraum" gekennzeichnet, sondern die von Gruppenkonformität mit den tonangebenden Kreisen geprägt war. Madame Neckers Liebe zur Literatur und ihre Bereitschaft zur (äußeren) Anpassung förderten ihren Salon und indirekt die Karriere ihres Mannes Jacques Necker (1732–1804). Als dieser 1776 Finanzminister unter Ludwig XVI. (1754–1793) wurde, erhielt der Salon einen deutlich politischen Charakter; seit Ende der 1780er Jahre war auch ihre Tochter Anne Louise Germaine de Staël-Holstein (1766–1817)[] literarisch und politisch aktiv.46 Krisensymptome der Geselligkeit wurden damals häufig registriert; die schärfsten Kritiker des grand monde waren Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) und die Moralisten des späten Ancien Régime.47 Rousseaus Ansichten änderten indes nichts an seiner Berühmtheit in den Salons, wo er zahlreiche Gönnerinnen hatte.48
Die Rezeption früher Salonkultur außerhalb Frankreichs
Den Damen der frühen Pariser Salons wurden schon im 18. Jahrhundert literarische Denkmäler gesetzt.49 Als direkte Botschafter der Salons wirkten Reisende, Diplomaten, ausgewanderte Hugenotten und seit 1789 die Emigranten der Revolutionszeit. Freilich waren die geselligen Rahmenbedingungen für die Entstehung von Salons in anderen Städten weitaus weniger günstig als in der bevölkerungsreichen französischen Metropole, in der eine einflussreiche gute Gesellschaft kulturell und politisch den Ton angab. Salonartige Geselligkeit entstand außerhalb Frankreichs daher zunächst meist in französischsprachigen Hofkreisen oder wurde von Dichterinnen initiiert, die gesellige Zirkel um sich versammelten.
Die Italienerinnen, die ebenfalls zur Ausformung der Pariser Salons beigetragen hatten, gingen in der Salongeselligkeit ähnliche, aber eigene Wege. In Rom, dem alten Mittelpunkt abendländischer Geschichte und Kultur, pflegten nicht nur römische Adelige kultivierte Geselligkeit, sondern auch Wahl-Römerinnen, wie die Ex-Königin Christina von Schweden (1626–1689) oder im 18. Jahrhundert die Schweizer Malerin Angelika Kauffmann (1741–1807). Bis um 1800 hieß Salongeselligkeit meist accademia oder conversazione (Umgang, Zusammenkunft, Gespräch).50 Ausgehend vom dem Begriff salotto di conversazione setzte sich dann salotto durch (und nicht salone/salon).51 Die reiche Kultur und die politische Zersplitterung Italiens förderten die Entstehung von Salons in vielen Städten. In Venedig gab es die gesellige Mischform des casino. Venezianerinnen empfingen ihre Freunde in den chambres separées der Gasthäuser am Markusplatz, wo ungezwungene Konversation ohne Etikette gepflegt wurde.52
In Deutschland ist die Rezeption französischer Salonkultur z.B. an den Höfen von München, Celle und Berlin nachweisbar: bei der bayerischen Kurfürstin Henriette Adelheid von Savoyen (1636–1676), Eleonore d'Olbreuse, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg-Celle (1639–1722) und Königin Sophie Charlotte von Preußen (1668–1705).53 Stark musikalisch geprägt waren die frühen Salons in der Kaiserstadt Wien, wo Französisch, Italienisch und Deutsch gesprochen wurde.54 Der Ruin der Städte und die konfessionelle wie sprachliche Zersplitterung Deutschlands nach dem Dreißigjährigen Krieg ließen muttersprachliche Salons erst spät und zunächst vereinzelt entstehen. Die dichtende Patrizierin Christiane Mariane von Ziegler (1695–1760) übersetzte Mademoiselle de Scudérys Conversations und gründete um 1723 den ersten deutschen Salon in Leipzig.55 Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts waren Frauen zunehmend an literarischen und künstlerischen Kreisen beteiligt.56 Zwischen Koblenz und Königsberg entstanden hier und da Salons, in denen sich Bürgertum und gebildeter Adel aufgrund gemeinsamer literarischer und musikalischer Interessen zusammenfanden, beispielsweise in Ehrenbreitstein bei der Schriftstellerin Sophie von La Roche (1730–1807)[].57
In Skandinavien entwickelte sich vor allem in Adelskreisen frühe Salongeselligkeit.58 Schweden als traditioneller Bündnispartner Frankreichs hatte eine profranzösische Adelspartei. In deren Umfeld brachten Mutter, Tochter und Schwiegertochter der politisch aktiven, an Literatur, Theater, Musik und Wissenschaft interessierten gräflichen Familie de la Gardie eine Salonnièrendynastie hervor.59 Catherine Charlotte Gräfin de la Gardie geb. Taube (1723–1763), Hofdame von Königin Louisa Ulrika (1720–1782), stoppte 1758 den letzten schwedischen Hexenprozess.60 In Kopenhagen hatte der Salon von Gräfin Charlotte Schimmelmann (1757–1816) in kultureller wie politischer Hinsicht internationales Format. Als Hauptstadt des dänischen Gesamtstaates spielte Kopenhagen eine besonders wichtige Rolle für die deutsch-dänischen Kulturbeziehungen, etwa indem das Königshaus und der Adel deutsche Dichter förderten. Literarisch interessierte Damen der miteinander verwandten Familien Schimmelmann, Bernstorff, Baudissin und Reventlow pflegten adelige Landgeselligkeit in Holstein bzw. winterliche Salongeselligkeit in Kopenhagen ("Nordischer Kreis").61
In England dominierte lange eine literarische Geselligkeitstradition auf Landsitzen.62 Um 1780 praktizierte Elizabeth Montagu (1720–1800) die Ideen der Salongeselligkeit in modifizierter Form in London. Die Damen des blue stocking circle pflegten eine Salongeselligkeit an alternierenden Treffpunkten.63 Im aufgeklärten Edinburgh des späten 18. Jahrhunderts förderten die auld alliance mit Frankreich und die Pariser Verbindungen David Humes (1711–1776) die Offenheit für Salons, allerdings mit eigenem Lokalkolorit. Die Dichterin Alison Cockburn (1712–1794) lud ihre Freunde, u.a. David Hume und den jungen Sir Walter Scott (1771–1832), bei einfachster Bewirtung in ihre winzige Wohnung ein: "It was a miniature salon, with Scots tongues, broad, voluble and homely."64 Um 1810 hatte der Salon von Jane Apreece (1780–1855), die später den Chemiker Sir Humphry Davy (1778–1829) heiratete, einen besonderen Status in Edinburgh, weil die Gastgeberin mit Madame de Staël bekannt war.65
Pariser Salonkultur im 19. Jahrhundert
Die Französische Revolution wurde als Zäsur empfunden, bedeutete aber keineswegs das Ende der Salons.66 Madame de Staël und Manon Roland (1754–1793) versuchten bis 1792, mit ihren politischen Salons am Zeitgeschehen mitzuwirken. Sobald die Zeit der Terreur vorüber war, öffneten die Salons Mitte 1794 wieder ihre Pforten. Nach 1799 wurde Madame de Staëls Salon von Napoleon (1769–1821) zunehmend mit Misstrauen betrachtet, sie selbst während des Kaiserreichs aus politischen Gründen verbannt.67 Ihre Schriften, ihre Reisen und ihr internationaler Salon in Schloss Coppet am Genfer See machten sie – weit über ihren frühen Tod (1817) hinaus – zur Mittlerin zwischen den Kulturen, zur Wegbereiterin der Romantik in Frankreich und zur Autorität in Fragen der Beziehungen von Literatur und Gesellschaft, Konversation und Umgang.68
Die Friedens- und Restaurationszeit nach 1815 begünstigte die Entstehung neuer Salons und einen wachsenden Zustrom europäischer Reisender nach Paris.69 Den bedeutendsten Salon zwischen 1815 und 1848 führte Madame de Staëls Freundin Juliette Récamier (1777–1849)[] in der Abbaye-aux-Bois.70
In der Zeit der Restauration und des Bürgerkönigtums verwandelte der wachsende Spielraum für politische Gespräche zahlreiche Salons der Diplomatie und des Adels in politische Salons.71 International geprägt waren z.B. die politischen Salons von Adèle Gräfin Boigne (1781–1866)[] sowie den beiden russischen Damen Fürstin Dorothea Lieven (1784–1857) und Sophie Swetchine (1782–1857). Im Exilsalon der italienischen Fürstin Cristina Belgiojoso (1808–1871) fanden sich Anhänger der nationalen Einigung Italiens zusammen. Weitere Salonnièren dieser Zeit, wie Stéphanie-Félicité Gräfin von Genlis (1746–1830)[], Laure Junot, Herzogin von Abrantès (1784–1838), Sophie Gay (1776–1852) und ihre Tochter Delphine de Girardin (1804–1855) sowie Virginie Ancelot (1792–1875), waren zugleich erfolgreiche Schriftstellerinnen. Einige Salonnièren empfanden manche Entwicklungen der Salonkultur in den 1830er Jahren auch als krisenhaft, so z.B. die Schriftstellerin Marie d'Agoult (1805–1876), die zeitweilige Freundin Franz Liszts (1811–1886) und Mutter Cosima Wagners (1837–1930). Ihre vielzitierte Charakterisierung der typischen konventionellen Salonnière, die von gesellschaftlichem Ehrgeiz und einem selbstverleugnenden Kult um einen berühmten Mann angetrieben wurde, enthält deutliche Kritik und eine persönliche Distanzierung. Madame d'Agoult fand einen eigenen Stil für ihren musikalisch und literarisch geprägten Salon.72
Eine Salonkonzeption, die frei von Stereotypen war, vertrat die Britin Mary Clarke-Mohl (1793–1883), die sowohl in der Tradition Madame de Staëls stand wie auch in der Madame Récamiers. Unkonventionell und lebhaft, eine Verfechterin der romantischen Literatur, schuf sie seit den 1830er Jahren einen modernen internationalen Pariser Salon und heiratete 1847 den deutschen Orientalisten Julius Mohl (1800–1876).73 Geschichte und Gegenwart der Salons trafen aufeinander: Madame Mohl schrieb ein Buch über ihre Freundin Madame Récamier, dem sie eine Salongeschichte beifügte, und zu den Habitués zählte der Biograph der Salonnièren des Grand Siècle, Victor Cousin (1792–1867).74 Für ihre Freunde vermittelte Madame Mohl wiederholt zwischen Autoren, Übersetzern und Verlegern, um deren Werke international zu verbreiten.75
Der Salongeselligkeit des Zweiten Kaiserreichs war es kaum abträglich, dass die meisten Salons zur legitimistischen, orléanistischen oder republikanischen Opposition zählten. Eine besondere Stellung nahm seit den 1840er Jahren Prinzessin Mathilde Bonaparte (1820–1904) ein. Ihr Salon war ein gesellschaftlicher Mittelpunkt des Kaiserreichs, verweigerte sich indes der Tagespolitik. In der Dritten Republik pflegte die Prinzessin einen rein historisch geprägten Bonapartismus in ihrem Salon.76 Die ebenfalls über Jahrzehnte bestehende Geselligkeit von Jeanne de Tourbey (1837–1908), die eigentlich Marie-Anne Detouray hieß, hatte sich aus Empfängen einer Halbweltdame unter der Protektion führender Literaten zu einem regelrechten Salon entwickelt. 77 Madame de Tourbey wurde nach ihrer Heirat mit dem Grafen de Loynes (1872) auch in der guten Gesellschaft akzeptiert. Ihren Erfolg verdankte sie ihrem Gespür für Stil, ihren geselligen Talenten und einem über Jahrzehnte täglich geöffneten Salon.78 Gegen Ende des Jahrhunderts spaltete die Dreyfus-Affäre die Pariser Salongesellschaft; zudem begannen die Grenzen zwischen den Salons und der Boheme (die sich, anders als die klassischen Salons, traditionellen Werten und Umgangsformen verweigerte) zu verschwimmen.79
In vielen Salons wurde versucht, krisenhaften Entwicklungen in der Gesellschaft und der Geselligkeit mit Hilfe der Musik zu begegnen. Ein besonders wichtiger Salon im Paris der Dritten Republik war in dieser Hinsicht der von Geneviève Halévy-Bizet-Straus (1849–1926), der Witwe des Komponisten Georges Bizet (1838–1875) und Mutter eines Jugendfreundes von Marcel Proust (1871–1922).80
Entwicklung und Verknüpfung europäischer Salonkultur im 19. Jahrhundert
Selbst nachdem die kulturelle Hegemonie Frankreichs in Europa 1815 zu Ende gegangen war, galt die französische Geselligkeit weiterhin als musterhaft. Urteile aus der Perspektive des 19. Jahrhunderts, dass die "Geselligkeit, welche die reine Geselligkeit, die Gesellschaft, welche die reine Gesellschaft ist", "lediglich in Frankreich zu Haus" sei, hatten ihre Berechtigung angesichts des europäischen Kulturzentrums Paris und der spezifischen geselligen Begabung und Aktivität der Franzosen.81 Dennoch entstanden vielerorts nach französischem Vorbild und nach den lokalen Gegebenheiten modifizierte Salons, die sich von anderer Geselligkeit deutlich abhoben. Hier können nur die ungefähren Konturen der bisher erforschten europäischen Salonlandschaft durch charakteristische Merkmale und Beispiele skizziert werden. Erleichtert wurden internationale Kontakte zwischen den Salons durch neue Verkehrsmittel wie Dampfschiffe und Eisenbahnen. Salons als Geselligkeitsstil konnten unter gewissen Voraussetzungen mit den Salonnièren auf Reisen gehen, Verbindungen zur Bäder- und Landgeselligkeit herstellen, auf Kongressen und Weltausstellungen improvisiert werden.82
Rom und andere Städte Italiens
Die italienischen Salons des 19. Jahrhunderts standen vor der nationalen Einigung 1861–1870/1871 in einem Spannungsverhältnis zwischen traditionellen Elementen (Dantekult!) und den Herausforderungen der politischen Lage. Dennoch bewahrten sie ihre stark international geprägte Dimension als Arkadien der Reisenden, Gelehrten und Künstler.83 Im Rom der 1840er Jahre verkehrte die Kölner Altertumsforscherin Sibylle Mertens-Schaafhausen (1797–1857) besonders gern im Salon von Maria Luisa Torlonia, Fürstin Orsini (1804–1883).84
In den folgenden Jahren spielten viele italienische Salonnièren im Vorfeld der nationalen Einigung eine Rolle: In Mailand war es Gräfin Clara Spinelli Maffei (1814–1886), in Pisa, Turin und in Florenz Emilia Toscanelli Peruzzi (1826–1900), die Frau des Staatsmanns Ubaldino Peruzzi (1822–1891).85 Später vereinten die "Sonntage" mit Konversation und Musik, welche Laura Acton Minghetti (1829–1915), die Frau des Staatsmanns Marco Minghetti (1818–1886) im Palazzo Mattei in Rom veranstaltete, Politiker, Adelige, Künstler und Gelehrte mit internationalen Gästen. Durch ihre Tochter Maria Fürstin von Bülow (1848–1929) pflegte sie besonders enge Beziehungen zu den Salonkreisen in Wien und Berlin.86 Von den bedeutenden Männern der römischen Salongesellschaft ist u.a. der Staatsmann, Kunstkenner und Danteforscher Michelangelo Caetani, Herzog von Sermoneta (1804–1882) hervorzuheben. Im Salon seiner Tochter Gräfin Ersilia Caetani Lovatelli (1840–1925), einer Archäologin, verkehrten u.a. Ferdinand Gregorovius (1821–1891) und Theodor Mommsen (1817–1903).87
Berlin
Die Berliner Salonkultur entwickelte sich zwischen 1780 und 1806. Persönlichkeitskultur und Neuhumanismus waren die modifizierte Fassung der klassischen französischen Bildungsideale in den Salons. Im Zuge der Kritik an der Geselligkeit des späten Ancien Régime, der Aufklärung und der Französischen Revolution entstanden Reformideen. Während der Klassik und der Romantik förderten die Salons zudem literarische Interessen und beteiligten sich an der Gestaltung einer deutschen Kulturnation. Richtig dosiert, konnten die beiden ideellen Pole des 19. Jahrhunderts, "Weltbürgertum und Nationalstaat" (Friedrich Meinecke), für die Salonkultur fruchtbar werden. Dass sich Berlin zur Hauptstadt der deutschsprachigen Salons entwickelte, war jungen, literarisch interessierten Frauen aus der jüdischen Berliner "Ersatzbourgeoisie" im Umkreis der Haskala zu verdanken.88 Moses Mendelssohn (1729–1786)[] hatte gefordert, gesellschaftliche "Politur" solle zugleich Ausdruck von "Kultur" und "Aufklärung" sein.89 Verschiedene Emanzipationsbestrebungen griffen damals ineinander. Als Außenseiterinnen der ständischen Gesellschaft schufen jüdische Frauen eine reformierte Salongeselligkeit. In diesen Salons, die als separate Sphäre christlichen Adeligen und Bürgerlichen offenstanden, waren traditionelle und neue (liberale) Elemente einer Salonkultur unterschiedlich gemischt. Den ersten Salon dieser Art gründete Henriette Herz (1764–1847)[] in Form von literarischen Tees, die sich als Abspaltung von der Gelehrtengeselligkeit ihres Mannes entwickelten und bei denen unterschiedliche Gesellschaftskreise aufeinandertrafen. Stärker von französischen Salonformen beeinflusst waren die anfangs wohl noch französischsprachigen Diners und Tees der Bankiersfrau und Bach-Expertin Sara Levy (1761–1854)[] die enge Beziehungen zum Wiener Musikleben hatte.90 Rahel Levin-Varnhagen (1771–1833)[] schuf durch ihr selbstständiges Denken eine frühromantische Salongeselligkeit eigener Prägung; das Studium der menschlichen Psyche, Fragen von Wahrheit und Echtheit verband sie mit der älteren Salontradition. Sie bewunderte das Ideal der französischen femme de lettre, das man in Deutschland um 1800 nur schwer verwirklichen konnte.91 Zur französischen Salonkultur in toto hatte sie ein ambivalentes Verhältnis, bescheinigte jedoch den Franzosen einen besonders glücklichen "Geselligkeitstrieb", der letztlich die "höchste Menschenaufgabe" sei.92
In den patriotischen Salons 1806–1814 verdrängte das nationale Pathos gegen die napoleonische Unterdrückung nur selten die Liebe zur französischen Sprache und Kultur, auch wenn man für das "Altdeutsche" zu schwärmen begann.93 1814 traf Madame de Staëls Kritik an der angeblichen Steifheit deutscher Geselligkeit und Konversation in den Berliner Salonkreisen zwar zunächst auf einigen Widerspruch, gab indes wichtige Impulse für Verbesserungen.94 Die Berliner Salons rezipierten die zahlreichen Geselligkeitstheorien ihrer Zeit95 und zeichneten sich trotz vieler politischer und humanitärer Gravamina der Restaurations- und Reaktionszeit (seit 1815) durch ein intensives literarisches und musikalisches Leben aus. Zunehmend durchdrangen sich die Salonkreise jüdischer und christlicher, adeliger und bürgerlicher Provenienz im gebildeten Berlin des 19. Jahrhunderts. Der literarische Horizont weitete sich gesamteuropäisch; in den Berliner Salons teilte man Goethes Vorstellungen von der beginnenden Epoche der "Weltliteratur".96 Kontakte nach Skandinavien wurden im Salon der ehemaligen Weimarer Hofdame, Dichterin und Übersetzerin Amalie von Helvig (1776–1831) gepflegt; Elise von Hohenhausen (1789–1857) übersetzte und propagierte die englischen Romantiker. Rahel Varnhagens Andenken wirkte nach ihrem Tod nicht nur in den Berliner Salonkreisen fort, sondern weit darüber hinaus. Durch ihre Briefe, die unter dem Titel Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde publiziert wurden (der erste Band erschien bereits im Todesjahr 1833) blieb Rahel Levin-Varnhagen in den gebildeten Kreisen präsent. Ihr Geist wirkte auch in den Berliner Salons ihrer Freundin Henriette Solmar (1794–1889) und ihrer Nichte Ludmilla Assing (1821–1880) weiter.97
In der dichten Berliner Salontradition spiegelten sich Transferprozesse der Salons auch in den Salonnièrendynastien, die Symbole von Tradition und Wandel waren.98 Über drei Generationen bestand etwa der Salon Elisabeth von Staegemanns (1761–1835), der von ihrer Tochter Hedwig von Olfers (1799–1891) und ihrer Enkelin Marie von Olfers (1826–1924) fortgesetzt wurde. Vor allem während der Regierungszeit König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen (1795–1861) war der berühmte Olferssche "Gelbe Saal" auf der Museumsinsel ein literarisch-künstlerisches Zentrum Berlins.99 Obwohl es bis zur Revolution von 1848 in Berlin keine politischen Salons im engeren Sinne gab, brachen damals Gegensätze hervor, die den Verkehr zwischen politisch unterschiedlich orientierten Salons vorübergehend erschwerten. In den 1850er Jahren entstanden eine ganze Reihe bedeutender literarischer und zugleich liberaler Salons, z.B. von Fanny Lewald (1811–1889) und Lina Duncker (1825–1885). Seit der Bismarckzeit, zumal seit der Reichsgründung 1871, kann man von permanenten politischen Salons sprechen, etwa bei Hildegard Freifrau von Spitzemberg (1843–1914) und Marie Fürstin Radziwill (1840–1915).100 Im Salon von Marie Gräfin von Schleinitz (1842–1912), der Gattin des preußischen Hausministers, trafen sich nicht nur liberale Kreise und Gegner Bismarcks, sondern auch die Kunstwelt und die Berliner Wagnergemeinde.101 Die bedeutendste Persönlichkeit unter den Berliner Salonnièren ihrer Generation war Anna von Helmholtz (1834–1899). Ihre "Dienstage" im Berlin der Bismarckzeit versammelten ein breites Spektrum von Gästen aus der Gelehrtenwelt, aus Literatur, Musik, Kunst und Politik.102 Der nationalliberale Politiker Ludwig Bamberger (1823–1899), der lange in Paris gelebt hatte, stellte den Salon von Frau von Helmholtz ausdrücklich gleichberechtigt neben die beste Salongeselligkeit der französischen Hauptstadt.103 Sehr international und durch großzügiges Mäzenatentum geprägt war der Salon von Felicie Bernstein (1850–1908)[]. Hier konnte man bereits um 1880 eine hervorragende Sammlung impressionistischer Gemälde bewundern, welche die Familie Bernstein in Paris erworben hatte. Gespräche in diesem Salon gaben später den Anstoß zur Gründung der Berliner Sezession.104
Wien und Prag
In Wien dominierte stets die Musik; selbst in spezifisch "literarischen" Salons wurde sie intensiv geliebt und gepflegt, z.B. bei der Schriftstellerin Caroline Pichler (1769–1843).105 Unter den Wiener Salons, die Musik, Literatur, Theater und einen gesellschaftlichen Rahmen kombinierten, ragten die Salons von Fanny Baronin von Arnstein (1758–1818), einer Mitbegründerin der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, und ihrer Tochter Henriette von Pereira (1780–1859) hervor.106 Beide Salons standen in regem Austausch mit Berliner Salonkreisen und begründeten die prominente Rolle jüdischer Salonnièren auch in Wien. Während der gesellschaftlich turbulenten Monate des Wiener Kongresses 1814/1815 bildeten sich zahlreiche temporäre Salons der internationalen Diplomatie.
Die wenigen Damen des Wiener Hofadels mit literarischen Interessen kamen oft von außerhalb, wie die polnische Gräfin Rosalie Rzewuska (1788–1865) und Marie Fürstin zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1837–1920), bei der sich seit den 1860er Jahren auch die Theaterwelt traf.107 Ottilie von Goethe (1796–1872), die seit den späten 1830er Jahren viel in Wien lebte, stellte eine enge Beziehung zwischen Wien und Weimar her. Die Tradition der literarisch-musikalischen Salons wurde über Jahrzehnte durch das Schwesternpaar Sophie Baronin von Todesco (1825–1895) und Josefine von Wertheimstein (1820–1894) aufrechterhalten.108 Um 1900 kam es zu einer bemerkenswerten Spätblüte der Wiener Salonkultur im Zeichen von Fin de siècle und Jugendstilkunst, deren dominierende Gestalt die Schriftstellerin und Journalistin Berta Zuckerkandl (1864–1945) war.109 Ihr Salon blieb auch nach dem Ersten Weltkrieg (bis 1938) bestehen.
Im Vielvölkerstaat des Habsburgerreiches machte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts das wachsende Selbstbewusstsein der Nationalitäten bemerkbar. Der Aufschwung der tschechischen Literatur in enger Verbindung mit Frauenfragen prägte die Prager Salons dieser Zeit. Als erster literarischer Salon gilt der von Honoráta Zapová (1825–1856), die ein Buch über Frauenbildung schrieb (1855). Ein besonders wichtiger Treffpunkt der literarischen Kreise war von ca. 1880 bis nach dem Ersten Weltkrieg auch der Salon der Schriftstellerin Anna Lauermannová-Mikschová (1852–1932).110
Nordwest- und Nordeuropa
Selbst wenn das englische Familien-, Gesellschafts- und Clubleben anscheinend keine sehr dichte Salonkultur zuließ, gab es doch mehr Londoner Salongeselligkeit, als sich auf den ersten Blick offenbart. Nahezu vergessen sind z.B. die kleinen eight o'clock-teas der Schriftstellerin und Übersetzerin Elizabeth Benger (1775–1827), deren Gespräch Madame de Staël sehr geschätzt hatte.111 Um 1800 waren die Empfänge der politisch einflussreichen und musikalisch engagierten Georgiana Herzogin von Devonshire (1757–1806) berühmt.112 Im kollektiven Gedächtnis blieben jedoch vor allem der politische Salon von Elizabeth Vassall Fox, Lady Holland (1770–1845), und der mondäne Salon der Schriftstellerin Lady Marguerite Blessington (1789–1849).113 Ferner gab es literarisch oder sozial aktive Gastgeberinnen, die zwar einen jour fixe hatten, sich indes nicht immer mit der Salontradition identifizierten.114
Die skandinavischen Salons erlebten in der Romantik eine besondere Blütezeit interkultureller Geselligkeit. Im schwedischen Uppsala gab es die "Freitage" der Schriftstellerin Malla Silfverstolpe (1782–1861). Eine Deutschlandreise, die sie 1825 unternahm, führte sie u.a. nach Berlin, wo sie durch ihre Freundin Amalie von Helvig schnell Anschluss an die Berliner Salonkreise gewann.115 In Kopenhagen führte seit 1810 die weitgereiste Schriftstellerin Friederike Brun (1765–1835), die einige Jahre in Rom verbracht hatte, einen Salon, in dem auch der dänische Kronprinz verkehrte.116 Die Dichterin Kamma Rahbek (1775–1829) hatte im alten Bakkehuset (Kopenhagen-Frederiksberg) die Schriftsteller der dänischen Romantik zu Gast.117 Später bildete der Salon der Dichterin Thomasine Baronin Gyllembourg-Ehrensvärd (1773–1856), der Mutter des Dichters und Philosophen Johann Ludwig Heiberg (1791–1860), zusammen mit dem ihrer Schwiegertochter, der Schauspielerin Johanne Louise Heiberg (1812–1890) ein wichtiges kulturelles Zentrum Kopenhagens.118
Osteuropa
Der Hochadel Osteuropas entwickelte schon früh lebhaftes Interesse für die Salonkultur. Dynastische Verbindungen förderten den französischen Einfluss in Warschau, und die Beziehungen des polnischen Königs Stanislaus August II. (1732–1798) zu Madame Geoffrin scheinen seine eigene berühmte Geselligkeit in Warschau (später auch in St. Petersburg) inspiriert zu haben.119 Sehr fruchtbar war die Warschauer Salonkultur der Romantik. Frédéric Chopin (1810–1849), der auch enge Verbindungen nach Frankreich – nicht allein zu George Sand (1804–1876) – besaß, verkehrte im Salon der Gräfin Witwe Aleksandra Potocka (1760–1831) und der Mäzenin und Kunstsammlerin Fürstin Izabela Czartoryska (1746–1835); es gab indes eine ganze Reihe bedeutender musikalischer Salons, auch von bürgerlichen Frauen.120 Die nationale Tragödie seit den Teilungen Polensbelastete zwar die Salonkultur, bedingte jedoch viele grenzüberschreitende Kontakte und eine prominente Stellung polnischer Adeliger z.B. in Wien und Berlin.
In Russland ging die Salonkultur auf das kulturelle Engagement Katharinas der Großen (1729–1796)[] und ihre Verbindungen zur westeuropäischen Aufklärung zurück.121 Auch die französische Kolonie in St. Petersburg, die durch Revolutionsflüchtlinge gewachsen war, förderte französischen Geschmack und Lebensstil.122 Die in Paris erzogene Großfürstin Helene Pawlowna (1807–1873) führte seit um 1824 in Petersburg einen Salon in Form von "Donnerstagssoiréen".123 Prägend wurde vor allem der Salon von Ekaterina Karamzina (1780–1851), der Witwe Nikolai Michailowitsch Karamzins (1766–1826), dessen eigentlicher Mittelpunkt ihre Stieftochter Sophia Karamzina (1802–1856) war.124 Zudem gab es bürgerlich geprägte Salons wie den der Schriftstellerin Eugenia Maikova (1803–1880). Für Moskau sind die Salons von Zinaida Volkonskaja (1792–1862),125 Avdotja Glinka (1795–1863) und vor allem der Dichterin und Übersetzerin Karolina Pavlova (1807–1893) zu nennen.126 In der Spätzeit der Salons entstanden in St. Petersburg Salons des Symbolismus, in denen die Grenzen zwischen Salon und Boheme allerdings kaum mehr erkennbar waren.127
Das Ende der Salonkultur als Epoche (1914/1918)
In einigen Städten kam es vor dem Ersten Weltkrieg noch zu einer Spätblüte der Salons. Es ist bezeichnend, dass in manchen Salons128 die Jugendstilkünstler gefördert wurden: Der alte Geselligkeitsstil "Salon" konnte sich hier noch einmal mit einem alle Lebensbereiche umfassenden europäischen Stil in der Kunst verbinden. Dass die Salons dennoch zunehmend ins Abseits gerieten, lag nicht zuletzt daran, dass viele gebildete Frauen ihre Betätigungsfelder längst außerhalb des Salons gefunden hatten.129 In mehrfacher Hinsicht brach das 20. Jahrhundert mit überkommenen Werten und Strukturen: Die seit der Renaissance in ihren Grundpositionen erhaltenen humanistischen Bildungsideale mit ihren sittlichen, ästhetischen, gesellschaftlichen und geselligen Aspekten wurden von der Moderne in Frage gestellt. Frauenemanzipation, soziale Umstrukturierungen, die modernen Massengesellschaften und Massenmedien machten die Salons oder zumindest ihre sozialen und kommunikativen Sekundärfunktionen zunehmend entbehrlich. Zudem spielte das Ende der Monarchien eine Rolle. Bereits im Frankreich der Dritten Republik wurde oft ein Zusammenhang zwischen dem Tod der letzten Damen des Kaiserreichs und dem Aussterben der Salons gesehen.130 Vielschichtige Relationen von Anziehung und Abgrenzung verbanden die Salonkreise mit Teilen der höfischen Welt. Der alte Individualismus und Personalismus, die Persönlichkeitskultur (mit allen ihren geistigen, seelischen, religiösen, moralischen, familiären, gesellschaftlichen und politischen Verästelungen), wozu auch die Erbmonarchien mit ihren Strukturen gehörten, hatten in der modernen Massengesellschaft mit ihren Regelsystemen als kultur- oder staatstragender Faktor keine echte Chance mehr.131 Das Ende des monarchischen Zeitalters (1918) setzte einen definitiven Schlusspunkt unter das "alte Europa".132 Wenngleich es auch nach dem Ersten Weltkrieg immer noch geistvolle Frauen gab, welche die Tradition weiter pflegten oder wiederbelebten, führten Krieg und Revolutionen (1914/1918) mit ihren weitreichenden Folgen für ganz Europa das definitive Ende der gesamteuropäischen Salonkultur herbei.
Schlussbetrachtung: Salonkultur und Salonnièren
Die Salonkultur war als Ganzes bedeutsamer, als es die einzelnen Salons für sich genommen sein konnten. Dennoch wäre die Vorstellung einer homogenen Salonkultur irreführend. Salonkultur muss stets als komplexes Gefüge von Idealen und Traditionen, individuellen Biographien und variablen Begriffen, Bedeutungsnuancen und Strukturen innerhalb der jeweiligen Rahmenbedingungen interpretiert werden. Die Pariser Salons unterschieden sich von den Salons in der französischen Provinz. Außerhalb Frankreichs gab es, ungeachtet der vielen direkten Übernahmen und Analogien, ein z.T. recht heterogenes Bild mit unterschiedlichem Lokalkolorit. Am meisten ähnelten sich – ortsunabhängig – bedeutende Salons, deren Gastgeberinnen die Tradition der Salongeselligkeit intensiv reflektiert hatten. In Frankreich definierten sich die Salons weitgehend über die Form der geistvollen Konversation, deren perfekte Umsetzung Madame de Staël jedoch selbst in Paris nur wenigen Kreisen zuerkannte. Wo das Bedürfnis nach allgemeiner Konversationsgeselligkeit weniger ausgeprägt war, rückten inhaltliche Aspekte wie Literatur oder Musik stärker in den Vordergrund. Auch die Veränderungen im allgemeinen Frauenbild sowie im Selbstverständnis der Salonnièren wirkten sich stets auf die Praxis der Salonkultur und ihre Funktionen aus.133
Konstitutiv für den Salon waren das gesellige Wirken und vor allem die Persönlichkeit der Salonnière. Sie war es, die man treffen und sprechen wollte, die in ihren verschiedenen Rollen (die sie zu spielen und bei Bedarf zu improvisieren hatte) gefragt war, die aber auch die Verantwortung für den Ton und den Geist im Salon trug. Die wahre Salonnière sah "nur den Menschen und niemals den Rang" – hier lag der eigentliche Quellpunkt der Freiheits- und Gleichheitsdimensionen der Salons.134 Ob die Verwirklichung des überaus anspruchsvollen und halb utopischen Geselligkeitsstils "Salon" gelang, hing ab von einem unauffälligen didaktischen Geschick, über das die bedeutenden Salonnièrenpersönlichkeiten neben ihrer Bildung und ihrem Charme verfügten.135 Zentral für das praktische Gelingen von Salongeselligkeit in allen ihren historischen, sozialen und kulturellen Bezügen war die Grundkonstellation: "menschliche Menschen, treue Freunde ... und bewegliche Geister und Gemüter."136
Anhang
Quellen
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Anmerkungen
- ^ Voltaire, Siècle o.J., S. 416–417.
- ^ In der Forschungsdebatte gehen die Definitionen von "Salon" teils erheblich auseinander, teils werden sie grundsätzlich als pedantisch und dem Geist der Salons widersprechend abgelehnt (Fumaroli, Vorwort zu Craveri, Madame du Deffand 1999, S. 14–15). Auch die Bezeichnung "Salon" wurde oft nur mit Vorbehalten gebraucht, und vor allem im deutschen Raum distanzierten sich viele Salonnièren mit einem gewissen understatement davon. Dass das Phänomen "Salon" bereits existierte, bevor es so genannt wurde, stiftete weitere Verwirrung. Salons und Pseudo-Salons, mondanité und mondanité fausse müssen jeweils unterschieden werden. Da in diesem Beitrag ein Forschungsbericht und eine Übersicht über die Forschungsansätze entfallen mussten, sei an dieser Stelle auf die ersten 27 Endnoten, insbesondere auf die Endnoten 14 und 18, verwiesen.
- ^ Zimmermann, Salon der Autorinnen 2005.
- ^ Dazu Zimmermann, Kulturtranfer 2007, S. 47–48; vgl. Zimmermann, Retz 2012, S. 282 zum Kontext des "oikos".
- ^ Craveri, Conversation 2005; Wilhelmy, Salon 1989, S. 16–32; Seibert, Salon 1993, S. 8–24.
- ^ 1811 nannte die Schriftstellerin Madame de Genlis, welche selbst schon vor 1789 einen Salon in Paris geführt hatte, die Geselligkeit Madame de Rambouillets "une espèce de petite académie". Genlis, Influence 1811, S. 62.
- ^ In seinen "Maximen" (gedruckt 1795) verurteilt der französische Moralist Nicolas Chamfort (1741–1794) die "Gesellschaft, ihre Kreise, Salons usw." als "schlechtes Theaterstück", das nur durch seine Dekorationen zusammengehalten werde: "La société, les cercles, les salons, ce qu'on appelle le monde, est une pièce misérable, un mauvais opéra, sans intérêt, qui se soutient un peu par les machines et les décorations." Chamfort, Maximes 1968, S. 393.
- ^ Genlis, Dictionnaire 1818, vol. 1, S. 94–95. Für weitere Ausführungen zur Tradition des Hôtel de Rambouillet siehe Anmerkung 24.
- ^ Die gängige Unterscheidung zwischen "mondänen" und "literarischen" Salons ist insofern irreführend, als alle Salons Teil der "mondanité" im ursprünglichen Sinne waren (weltliche, nicht geistliche Zusammenkünfte). Zur mondanité vgl. Craveri, Conversation 2005, Introduction, und Lilti, Salons 2005, S. 7–14 und 407–416. Lilti legt überzeugend dar, dass eine scharfe Trennung zwischen mondäner Soziabilität und literarischer Geselligkeit ("literarischer Salon") nicht möglich ist und die Salons fest ins allgemeine gesellschaftliche Leben eingebunden waren. – Im Laufe der Zeit, vor allem in späteren fremdsprachigen Übertragungen, verschob sich die Bedeutung von "mondanité" hin zur Eleganz, sie konnotierte oft auch geistige Trivialität oder wurde zur "mondanité fausse". Vgl. zur mondanité fausse Martin-Fugier, Salons 2010, S. 421. Schon Madame de Staël äußerte sich kritisch zu "salons dorés". Staël, Considérations 1836, S. 387. Vgl. zu Madame de Staëls sehr zwiespältigen Äußerungen bezüglich der Salons: Gardiner, Staël 2008, S. 56–65, vor allem S. 61–62; ferner Krapoth, Staël 1999, S. 251–252, sowie Craveri, Conversation 2005, S. 351–357. "Mondäne" Salons, hier verstanden als Salons in glänzendem Rahmen, konnten sehr wohl kulturgeschichtlich relevante Salons sein (das traf aber nicht auf Salons zu, in denen das Kartenspiel vorherrschte). Historiographisch ist primär zwischen amüsanten "Trivialsalons" und Salons von historischem Interesse zu unterscheiden, auch wenn die Grenzen fließend waren. Ausführlich Wilhelmy-Dollinger, Salons 2000, S. 4.
- ^ "Die Lectüre webt ein neues, geselliges Band unter schönen und verwandten Seelen, und wird zum Dolmetscher dunkler Ideen und Empfindungen", hieß es um 1800 in den deutschen Salonkreisen. Staegemann, Fragmente 1846, S. 158.
- ^ Vgl. für die Spätzeit der Salons das Urteil des Finanzmanns, Politikers und Salonkenners Ludwig Bamberger (1823–1899), über Literatur als Anknüpfungspunkt für das "allgemein Menschliche, welches das wahre Fundament [der Salongeselligkeit] bilden soll". Bamberger, Formen 1895, S. 99.
- ^ Liltis These (Salons 2005) von der Überschneidung von aristokratischen Vergnügungen, literarischen, politischen, ggf. höfischen und sonstigen Aktivitäten ist zuzustimmen; ob man allerdings einen eingebürgerten Begriff abschaffen sollte, statt ihn definitorisch zu erweitern, bleibt fraglich. Der Salon war ein komplexes und vielseitiges Phänomen, vgl. dazu Zimmermann, Retz 2012, S. 283–284.
- ^ Vgl. Wilhelmy, Salon 1989, S. 19–24.
- ^ Ancelot, Salons 1858, S. 15–16; vgl. Mohl, Récamier 1862, und die Salonkriterien (nach Emile Henriot 1913) bei Martin-Fugier 2010, S. 159. Natürlich können solche Kriterien wie auch Definitionen stets nur Annäherungen sein. Ausführlich zur Definition und Begriffsgeschichte des Salons z.B.: Wilhelmy, Berliner Salon 1989, S. 7–32, Seibert, Salon 1993, S. 3–24, vgl. Fauser, Geselligkeit 1998, Simanowski, Vermittlungsinstanz 1999. – Sehr umfassend mit Forschungsbericht speziell zu den französischen Salons Lilti, Salons 2005, S. 15–58; Martin-Fugier, Salons 2010, S. 8–19. Salons als Orte der Conversation bei Fumaroli, Conversation 1992, und bei Craveri, Conversation 2005, S. 377–446.
- ^ Ein in vielen Varianten in Paris, London und Berlin kursierendes bon mot des späten 19. Jahrhunderts besagte: Manch eine Frau glaube einen Salon zu haben, hätte aber nur ein Esszimmer (oder ein Restaurant)! Liebermann, Bernstein 1914, S. 50 (im Kontrast zum echten Salon Felicie Bernsteins); Schlumberger, Souvenirs 1934, Bd. 2, S.177–178; vgl. Martin-Fugier, Salons 2010, S. 8.
- ^ Die Komödien Les Précieuses Ridicules (1659) und Les Femmes Savantes (1672) von Molière (1622–1673) wandten sich gegen schlechte Nachahmungen der préciosité und törichte Übertreibungen.
- ^ Wilhelmy, Salon 1989, S. 19–25; vgl. Seibert, Salon 1993, S. 16–19, und Gardiner, Staël 2008, S. 56–65.
- ^ Ausführlich Fumaroli, Conversation 1992. Weiblich geprägte Konversationsgeselligkeit (Sappho u.a.) bleibt im Altertum schwer fassbar; erst im ritterlichen Mittelalter des 12. Jahrhunderts gewinnen gebildete Fürstinnen wie Eleonore von Aquitanien (um 1122–1204) im geselligen höfischen Leben Kontur. Auch wenn die "cours d'amour" in ihrer Historizität zweifelhaft geworden sind, bleibt die Rolle dieser Mäzenin und Vermittlerin zwischen Kulturen und Traditionen herausragend. Vgl. Pernoud, Aliénor d'Aqitaine 2007; Weir, Eleanor of Aquitaine 1999. Adelige Frauen wirkten als Mäzeninnen, urteilten u.a. über Fragen der Literatur und zentrierten ihre Geselligkeit um Poesie, höfische Sprache und Minnedienst. Solche Traditionen strahlten auch auf die italienische Geisteswelt des 14. Jahrhunderts aus, und bald beteiligten sich Frauen in Oberitalien an den frühen Akademien, am geistigen Aufschwung des Humanismus. Damit kam es zu einer in Europa einzigartigen Frauenbildung. Vgl. Mohl, Récamier 1862, S. 155–176; Burckhardt, Renaissance 1928, S. 373–384 und 391–395. Craveri, Conversation 2005, S. xii. Vgl. ferner Habermas, Strukturwandel 1962, S. 19, dazu Seibert, Salon 1993, S. 25.
- ^ Die Tendenz der neueren Forschung, Kreise italienischer Renaissancedamen als Salons eigener Ausprägung zu bezeichnen, ist trotz eines Hauchs von Anachronismus prinzipiell berechtigt.
- ^ Im Kontext der beginnenden "Querelle des Femmes", brachten Schriftstellerinnen wie Christine de Pizan (um 1364 – um 1430) "feministische" Aspekte in die Diskussion ein. Vgl. Zimmermann, Pizan 2002, sowie im 17. Jahrhundert die Rolle der feministischen Schriftstellerin Marie de Gournay (1565–1645), die als Bibliothekarin für Königin Margarete von Valois arbeitete, Montaignes Essais herausgab und mit den Salonkreisen in Kontakt stand.
- ^ Beispielsweise zu Caterina Cornaro, Königin von Zypern, (1454–1510) auf ihrer Burg Asolo in Venetien oder zum Musenhof von Herzogin Elisabetta Gonzaga (1471–1526) in Urbino. Pietro Bembo (1470–1547), Asolaner Gespräche (Gli Asolani); Baldessar Castiglione (1478–1529), Das Buch vom Hofmann (Il libro del Cortegiano). Vgl. Burckhardt, Renaissance 1928, S. 376–382. Die frühe nichthöfische, häusliche italienische Geselligkeitskultur wurde in Scipione Bargaglis (1540–1612) Buch I Trattenimenti (1567; publiziert 1587) dokumentiert. Vgl. Unfer Lukoschik, Salon 2008, Einführung, S. 32–37.
- ^ Margarete von Navarra skizzierte in der Rahmenhandlung des Heptameron Geselligkeit und neuplatonische Ideen spiritueller Liebe. Grewe, Navarra 2008; Probst, Margarete von Valois 2008; Viennot, Marguerite de Valois 2005; Rabelais, Gargantua, vol. 1, Kap. 52–57 (L'Abbaye de Thélème), in: Oeuvres o.J., S. 89–99. Salonartige Kreise um Dichterinnen und Humanistinnen in Lyon, Poitiers usf. sind in jüngster Zeit wiederentdeckt worden, auch der humanistische Kreis der Familie Morel in Paris ist in die Genese der Salons einzubeziehen. Außerhalb von Paris machten Humanistinnen wie Madeleine (1520–1587) und Catherine (1542–1587) des Roches und Dichterinnen wie Louise Labé (1522?–1566) Anspruch auf Teilhabe an der Geselligkeit der res publica litteraria. Pieper, Des Roches 2008, Pieper, Labé 2008. Vgl. ausführlich Zimmermann, Kulturtransfer 2007, zum Pariser "Familiensalon" von Jean Morel (um 1510–1581), seiner Frau Antoinette de Loynes (1505–1567) und ihrer Kinder, Zimmermann, Kulturtransfer 2007, S. 48–52.
- ^ Zimmermann, Retz 2012. Ihr "Album" dokumentiert den geistig-ästhetischen Hintergrund ihres Kreises und zeigt, welche Bedeutung die Poesie für die Konversation gebildeter Männer und Frauen einnahm. Weitere frühe Salons schufen Madame des Loges (1585–1641) und die Vicomtesse d'Auchy (1570–1646). Vgl. Viennot, Marguerite de Valois 2005, S. 78–79; Timmermans, L'access 2005, S. 63–94; Zimmermann, Salon 2005; Craveri, Conversation 2005, S. 2–3. – Die zentrale Bedeutung der Poesie für den Bildungsbegriff der Laienkultur des Späthumanismus beschrieb der Engländer Sir Philip Sidney (1554–1586). Die Poesie sei die wahre Lehrmeisterin des Lebens. Der Dichter als Psychologe habe Einblick in die Seelen und könne philosophische Gedanken und Moral mit passenden Beispielen harmonisch vereinen. Sidney, Apology 1973, S. 106–107. Das Gute, Wahre und Schöne und die Liebe wirkten als Faktoren neoplatonischer Bildung in den Salons.
- ^ In Rom geboren, Tochter des französischen Gesandten und einer italienischen Adeligen, gab Madame de Rambouillet ihrer Geselligkeit, seit 1618 in der chambre bleue, ihren persönlichen Stil in Ambiente, Atmosphäre und geselliger Interaktion. Ihr Salon bestand über Jahrzehnte und fand viele Chronisten und Nachfolgerinnen. Man kann mit Recht von einem "lieu paradigmatique" (Bung, Topiques 2012, S. 333) sprechen. Vgl. Aronson, Rambouillet 1988, und Krajewska, Mythes 1990, sowie Craveri, Conversation 2005, S. 1–70. Vgl. Zimmermann, Salons 2007; Bung, Chambre 2006.
- ^ Suite d'un entretien de vive voix, ou de la Conversation des Romains, à madame la marquise de Rambouillet; Balzac, Oeuvres 1995, S. 73–96. Umfassend zur Theorie und Praxis der Konversation, auch unter dem Aspekt der Salonkonversation: Fumaroli, Conversation 1992; Fumaroli, Conversation 1995.
- ^ So ergab sich ein Gleichgewicht zwischen philosophisch-literarischem otium und einem heiteren "Wunschraum". Nach der Formulierung von Alfred Doren, zit. bei Zimmermann, Retz 2012, S. 279. – "Né du loisir noble, le salon est une société de loisir, imprégnée d'utopie arcadienne et académique." Fumaroli, Conversation 1992, S. 699. – Vgl. Craveri, Conversation 2005, S. 26; Goldsmith, Conversations 1988, S. 45.
- ^ Craveri, Conversation 2005, S. 19 und S. 49.
- ^ An Balzac, Nr. CLI, 22. März 1638, Chapelain, Briefe, Bd. 1, 1880, S. 215. Ausführlich zum Ton der Konversation bei Madame de Rambouillet: Bung, Topiques 2012.
- ^ Craveri, Conversation 2005, S. 18; Fumaroli, Abeilles 2001, S. 8, vgl. S. 13.
- ^ Zum Beispiel Georg Philipp Harsdörffers (1607–1658) "Frauenzimmer-Gesprächspiele" (1641–1649). Harsdörffer, Frauenzimmer-Gesprächspiele 1968.
- ^ Faret, L'Honnête Homme ou l'art de plaire à la cour (1630); Du Bosc, L'Honneste Femme (1632–1634). Vgl. zum Konzept der honnêteté und seiner Bedeutung für die Salons Pekacz, Tradition 1999, S. 15–72 und 73–142. Es fällt zudem auf, wie gut sich Ciceros Gedanken zur lockeren philosophischen Konversation der Mußestunden in De officiis (und deren Variationen der Spätantike) mit chevalresken Elementen und dem neuen Selbstbewusstsein der Frauen verbanden. Im Gegensatz zur öffentlichen Rhetorik ging es in der Gesprächskultur bei Cicero um praktische Lebensphilosophie in Mußestunden: Konversation über Kunst und Literatur, heitere philosophische (literarische, künstlerische, scherzhafte) Gespräche, Einfachheit und Natürlichkeit (im Sinne von otium cum dignitate, serenitas, honestas, decorum). – Cicero, De officiis 2007, 1. Buch, vor allem Kap. 16–38 (50–137), vgl. Cicero, Tusculum 1987, I, 7, S. 12 f. Diese Ideen wurden anschaulich gemacht bei Gellius, Attische Nächte 1988 (vgl. Vorrede, S. 9–12), in der Thematisierung von Buch- und Lebensweisheit, Pedanterie und wahrer Philosophie, Ablehnung der Exklusivität von Wissen usf. – Dieses Gedankengut ging auch (z.T. ohne Quellenangabe) in die Gesprächskultur des honnête homme ein. Vgl. Bury, Honnête homme 1996; Magendie, Politesse 1925, Pekacz, Tradition 1999.
- ^ Craveri, Conversation 2005, S. 103–106, S. 122–125; vgl. Pekacz, Tradition, S. 73.
- ^ Kroll, Leben 2007, S. 356–360.
- ^ Vgl. die umfassende Studie von Dufour-Maître, Précieuses 2008; Baader, Autorinnen 1986; Kroll, Scudéry 1996; Beasley, Salons 2006. Vgl. zu Molières Précieuses ridicules Bury, Honnête homme 1996, S. 55.
- ^ Konversation erfüllte für sie auch didaktische Funktionen: "Konversation ist das gesellschaftliche Band aller Menschen, das größte Vergnügen der Leute von Anstand und das geläufigste Mittel, nicht nur die Höflichkeit in die Welt einzuführen, sondern auch die reinste Moral, die Liebe zum Ruhm und zur Tugend." Scudéry, Konversation 1986, S. 166. "[...] la Conversation est le lien de la societé de tous les hommes, le plus grand plaisir des honnestes gens, & le moyen le plus ordinaire d’introduire, non seulement la politesse dans le monde, mais encore la morale la plus pure & l’amour de la gloire & de la vertu", in: Scudéry, De la Conversation, in: Conversations 1682, vol. 1, p. 1.
- ^ Vgl. Aronson, Scudéry 1978; Krajewska, Scudéry 1993; zur Rezeption in Deutschland: Koloch, Scudéry 1999; zur "Dekanonisierung" Mademoiselle de Scudérys seit Boileau in Frankreich Baader, Scudéry 1999. – Vgl. die interessanten "Conversationsgespräche" der klugen Graubündnerin Hortensia von Salis (1659–1715; verw. Gugelheim von Moos), ausführlich Zeller, Salis 1991.
- ^ Der Salon oder besser Musenhof der exzentrischen Herzogin in Sceaux blieb im Gedächtnis, weil die 1755 erschienenen Erinnerungen von Marguerite Jeanne Baronin Staal de Launay (1684–1750), welche diesen Kreis schildern, viel gelesen wurden. Vgl. Grimm, Korrespondenz 1977, August 1755, S. 115.
- ^ Gebildet, fromm und streng, vereinte Madame de Maintenon "Welt" und "Werte". Als Patronin der Mädchenschule von Saint-Cyr verfasste sie literarische Unterrichtsgespräche (die "Loisirs"). Zu Madame de Maintenon und Madame de Caylus umfassend Fumaroli, Europe 2001, S. 41–42, vgl. S. 42–66.
- ^ Ihre einflussreichen pädagogischen Schriften wurden u.a. ins Deutsche und Russische übersetzt. Lambert, Réflexions 2007, S. 80, vgl. S. 112.
- ^ Der in seine Heimat zurückgekehrte Abbé Ferdinando Galiani (1728–1787) schrieb: "Es ist keine Möglichkeit, aus Neapel so eine Art Paris zu machen, wenn wir nicht eine Frau finden, die uns leitet, uns lenkt, uns geoffrinisiert." Abbé Galiani an Madame d'Epinay, Neapel, 12. April 1771. Galiani, Briefe 1970, S. 172.
- ^ "Frau du Deffand ist durch die Vorzüge ihres Geistes und die gute Gesellschaft, die sie um sich versammelt, in Paris berühmt", erfuhr man z.B. 1764. Grimm, Korrespondenz 1977, Mai 1764, S. 223.
- ^ Vgl. die Schilderung ihres langjährigen Brieffreundes Horace Walpole (1717–1797) an Thomas Gray (1716–1771), Paris, 25. Januar 1766, in: Walpole, Letters 1959, S. 441.
- ^ Craveri, Du Deffand 1999, S. 206.
- ^ Vgl. Melchior Grimm, "Philosophische Neujahrspredigt" 1770, in: Korrespondenz 1977, 1.1.1770, S. 302, und Mai 1776, S. 378–380. In Grimms Nachruf von 1776 heißt es weiterhin: "Politik, Religion, Philosophie, Geschichte, Neuigkeiten, nichts war aus ihren Unterhaltungen verbannt ... Die allgemeine Unterhaltung wurde nie schleppend, ... es schien, als drängte der Zauber einer unsichtbaren Macht alle Sonderinteressen unaufhörlich zu einer gemeinsamen Mitte hin". Grimm, Korrespondenz 1977, Mai 1776, S. 378–380.
- ^ Dazu überzeugend: Pekacz, Tradition 1999, S. 14, vgl. S. 143–203, vgl. Pekacz, Salonnières 1999.
- ^ Ausführlich bei Boon, Necker 2011, Lilti, Necker 2006 und Dubeau, Necker 2013.
- ^ Craveri, Du Deffand 1999, S. 423–424, vgl. 421–434; Lespinasse, Briefe 1997, 28. Oktober 1774, S. 224, usf.
- ^ Zu seinen Gönnerinnen zählten die Schwägerinnen Sophie d'Houdetot (1730–1813) und Louise d'Epinay (1726–1783). Vgl. Unfer Lukoschik, Gräfin d'Albany 2008. – Die erste bekannte Berner Salonnière Julie von Bondeli (1731–1778) begeisterte sich auch für den Genfer, trat mit ihm in Briefwechsel und setzte sich für die Rezeption seiner Werke ein.
- ^ Auch in ausländischen Nachschlagewerken wie dem Zedlerschen Universallexikon. Vgl. Zedlersches Universallexikon 1732–1754.
- ^ Offenbar daneben auch "ruolo" (ruelle). Vgl. Betri, Salotti 2004; Brambilla, Accademie 2008; vgl. Lilti, Salons 2005, S. 414.
- ^ Unfer Lukoschik, Salon 2008, S. 28–37.
- ^ Manchmal, so im Fall der Dichterin Caterina Dolfin Tron (1736–1793), ähnelte das "casino" durchaus einem Salon, wennschon natürlich das Element der häuslichen Atmosphäre fehlte. Kospoth, Tagebuch 2006, S. 98.
- ^ Vgl. zur Kurfürstin Henriette Adelaide: Kroll, Leben 2007, S. 359–360. Die Hugenottin Eléonore Desmier d'Olbreuse, ehemalige Hofdame der Fürstin Amalie von Tarent (1626–1693) brachte als Gemahlin des Herzogs Georg von Braunschweig-Lüneburg französische Salonkultur nach Celle. Voltaire, Siècle o.J., S. 416; Nolde, Eleonore d'Olbreuse 2008. Vgl. zu Königin Sophie Charlottes geselliger "académie champêtre" und zu den französischen Salons von Marthe de Rocoulles (1659–1741) und Charlotte Sophie Reichsgräfin von Bentinck (1715–1800) in Berlin Wilhelmy-Dollinger, Häuser 2009, S. 59–90. Umfassend zur Frage "Frauen und Literatur" Becker-Cantarino, Mündigkeit 1989, zu Bildungs- und Geselligkeitssphären ausführlich Koloch, Kommunikation 2011 (Gesellschaften, Akademien, Damenorden usf.).
- ^ Einen beliebten Salon führte Wilhelmine Gräfin von Thun und Hohenstein (1744–1800) , die dem englischen Musikhistoriker Charles Burney (1726–1814) die Bekanntschaft Christoph Willibald Glucks (1714–1787) vermittelte. Burney, Journal 1773, vol. 1, S. 254–255 und S. 291–292; Vigée-Lebrun, Erinnerungen 1985, S.186–187. Vgl. Leitich, Die Wienerin 1939, S. 125–128.
- ^ Ziegler, Der Mme Scudéry scharfsinnige Unterredungen von Dingen, die zu einer wohl anständigen Aufführung gehören (1735); Luise Gottsched (1713–1762) übersetzte u.a. folgende Werke: Der Frau Marggräfin von Lambert Neue Betrachtungen über das Frauenzimmer (1731); Nachrichten die zum Leben der Frau von Maintenon und des vorigen Jahrhunderts gehörig sind [von Laurent Angliviel de La Beaumelle] (1757). – Schneider, Ziegler 1997, vgl. vor allem S. 95–107. Vgl. umfassend Koloch, Scudéry 1999.
- ^ Vgl. Feilchenfeld, Geselligkeit 1988.
- ^ In Königsberg bei der musikalisch und künstlerisch begabten Caroline Gräfin von Keyserlingk (1727–1791) fand Immanuel Kant (1724–1804) manchen Stoff für seine Geselligkeitstheorien und erwies sich als geistvoller Plauderer. Vgl. Recke, Tagebücher 1902, S. 148–149.
- ^ König Gustav III. von Schweden (1746–1792) war als Kronprinz Gast in Pariser Salons (Madame du Deffand). – Sørensen, Salonkultur 1998.
- ^ Hedwig Catharina Gräfin Lilje (1695–1745), führend in der profranzösischen Partei der "Hüte" in Stockholm, förderte Literatur und Theater. Ihre Tochter Eva Gräfin de la Gardie (1724–1786), verehel. Gräfin Ekeblad, machte sich als Agrarpionierin einen Namen und führte einen musikalischen Salon in Stockholm.
- ^ Ihre Freundin war die Dichterin Hedwig Charlotta Nordenflycht (1718–1763). Diese Dichterin spielte im literarischen Leben von Stockholm eine selbstständige Rolle; sie war Mitglied und geselliges Zentrum der 1753 in Stockholm gegründeten literarischen Akademie "Tankebyggarorden" ("Gedankenbaumeister"). Im Hof, Geselligkeit 1984, S. 224.
- ^ Jensen, Musiklivet 1998; Sørensen, Salonkultur 1998, hier vor allem Sørensen, Kreds, S. 147–170. Vgl. auch in Dansk kvindebiografisk leksikon. Für die deutsche Kulturgeschichte waren Louise Gräfin Stolberg geb. Gräfin Reventlow (1746–1824) und Julia Gräfin Reventlow geb. Schimmelmann (1763–1816) besonders wichtig. – Elise Gräfin Bernstorff (1789–1867) hatte einen Salon in Berlin, als ihr Mann 1818 preußischer Außenminister wurde. Wilhelmy, Salon 1989, S. 615–616.
- ^ Ein Beispiel wäre Henrietta Howard, Countess of Suffolk (1689–1767) in Twickenham.
- ^ Ausführlich Harcstark Myers, Bluestocking Circle 1990; Scott, Bluestocking Ladies 1947; Preibisch, Bluestockings 2003.
- ^ Graham, Men 1907, S. 334, vgl. S. 321ff. und S. 329–334.
- ^ Holland, Recollections 1872, S. 81 und 87–88. – Eliza Fletcher (1770–1858) führte in Edinburgh einen politischen Salon.
- ^ Ausführlich Kale, Salons 2004.
- ^ Vgl. z.B. Blennerhassett, Staël, 3 vols., 1887–1889; Gardiner, Games 1999, Gardiner, Staël 2008, Krapoth, Staël 1999 sowie die umfangreiche einschlägige Literatur, die hier nicht aufgeführt werden kann.
- ^ Vgl vor allem De la littérature und De l'Allemagne. Ausführlich Gardiner, Staël 2008, vgl. Gardiner, Games, 1999; Detken, Staël 1999.
- ^ Zu den Salons der Restaurationszeit vgl. z.B. Gans, Rückblicke 1995, S. 67–68.
- ^ Der Berliner Jurist Eduard Gans (1798–1839) erklärte, der Salon Madame Récamiers sei eine reine Konversationsgeselligkeit auf höchstem formalem und intellektuellem Niveau gewesen. Er beschrieb Madame Récamier zugleich ganz im Sinne der zeitgenössischen Mittelalter-Romantik als Turnierkönigin, welche die wortgewandten "Kämpfer, wenn sie sich mannhaft und gut geschlagen haben" lobte, die Streitpunkte zusammenfasste und "sich selbst zu einem Endurtheile zu verhelfen" suchte. Gans, Rückblicke 1995, S. 147–163, Zitat S. 150.
- ^ Kale, Salons 2004.
- ^ D'Agoult, Mémoires 1990, S. 259–269. In den 1860er Jahren gab sie ihrer jungen Freundin Juliette Lamber(-Adam) Ratschläge zur Gestaltung eines Salons. Vgl. Adam, Armes 1904, S. 461–463.
- ^ Lesser, Letters 1984, siehe auch die Kommentare. – Vgl. Bamberger, Erinnerungen 1899, S. 435.
- ^ Madame Mohls Nichte Anna berichtet: "Cousin kam auf sein Steckenpferd, Mme. de Longueville zu sprechen, mit einem Enthusiasmus, als ob er sie täglich gesehen habe. ... Mme. de Sévigné setzt er zum Teil weniger hoch als ihre Tochter, was Onkel [Julius Mohl] sehr alterierte." An Pauline von Mohl, Paris, 18. Oktober 1852, Helmholtz, Briefe 1929, vol. 1, S. 41.
- ^ Zu den engsten Freundinnen des Hauses zählte neben der englischen Schriftstellerin Elizabeth Gaskell (1810–1865) auch Florence Nightingale (1820–1910), die dem Ehepaar Mohl für ihren Werdegang viel verdankte.
- ^ Vgl. zur Tochter Jérôme Bonapartes ausführlich Picon, Princesse Mathilde 2005, zum Verbot politischer Gespräche Picon, Princesse Mathilde 2005, S. 191. Detaillierte Schilderung der Salons der Dritten Republik bei Martin-Fugier, Salons 2010. Genannt seien hier nur Julia Daudet (1844–1949; Madame Alphonse Daudet), Judith Gautier (Madame Catulle Mendès; 1845–1917), Juliette Adam (1836–1936) (vgl. auch Bamberger, Erinnerungen 1899, S. 445–448) und Lydie Aubernon de Nerville (1825–1899). Vgl. Schlumberger, Souvenirs 1934, vol. 2, S. 176, ferner auch S. 189–183.
- ^ Dieses spezielle Genre Pariser Salons hatte einst Ninon de Lenclos (1620–1705) begründet; allerdings konnten nur wenige ihrer Nachfolgerinnen ihr Format aufweisen. Zu den Kurtisanensalons der italienischen Renaissance und der Problematik dieser Geselligkeit vgl. Seibert, Salons 1993, S. 28–32.
- ^ Desanges, Loynes 2011.
- ^ So z.B. bei Rachilde (1860–1953) oder Misia Sert (1872–1950); siehe auch Martin-Fugier, Salons 2010, S. 195–201 und S. 286–288. Vgl. Desanges, Loynes, 2011, S. 118–120, und Schlumberger, Souvenirs 1934, vol. 2, S. 189–193.
- ^ Mit ihr lässt sich ein Reigen von Salonnièren eröffnen, die alle in dessen monumentalem Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (geschrieben 1908/9 bis 1922) dichterisch verewigt wurden, z.B. Elisabeth Gräfin von Greffulhe (1860–1952) und Léontine Arman de Caillavet (1844–1910; Egeria von Anatole France). Ferner ist z.B. die Fürstin Hélène Bibesco (1855–1902) zu nennen, Tante der Dichterin Anna Gräfin von Noailles (1876–1933). Prousts geniale Suggestionskraft hat das Bild der Pariser Salons in der Belle époque geprägt; es handelt sich dort allerdings um Dichtung, nicht um Historiographie.
- ^ Gans, Rückblicke 1995, S. 163.
- ^ Strukturell unterschieden sich Salons von literarischer Landgeselligkeit, wo wenige Personen tagelang zu Gast waren. Dollinger, Nennhausen 2002; Dollinger, Salon und Tusculum 2008, Lund, Bekannte 2009. Vgl. Clary, Erinnerungen 1977, S. 18–19. – Geppert, Weltausstellungen 2013.
- ^ Diese trafen um 1800 etwa bei der Gräfin Louise von Albany (1752–1824), der Freundin des Dichters Vittorio Alfieri (1749–1803), in Florenz zusammen. Sie war eine geb. Gräfin Stolberg aus den österreichischen Niederlanden und mit dem letzten Stuart-Prätendenten Charles Edward (Graf Albany; 1720–1788) verheiratet gewesen. Vgl. Lacretelle, Comtesse d'Albany, Kap. XIV, S. 179–196, über den Salon der Gräfin in Florenz (Kap. IX über den Pariser Salon 1786–1796). Vgl. auch Unfer Lukoschik, Gräfin d'Albany, S. 219–241, vor allem S. 221f. Vgl. zu weiteren Salons u.a. Ujma/Fischer, Florenz 1999; Betri, Salotti 2004; Musiani, Circoli 2003; Palazzolo, Salotti 1985.
- ^ So hielt sie fest: "Bei der Fürstin Orsini, der Frau des Senators von Rom, habe ich Zutritt zu der kleinen gewählten Gesellschaft, die sie jede Woche einmal um sich versammelt und wo sie die liebenswürdigste Hausfrau in bürgerlicher Einfachheit macht." Über ihre eigene, sehr bunte internationale Salongeselligkeit schrieb sie 1846: "Deutsch, französisch, dänisch, russisch, polnisch und neugriechisch klingen da gegeneinander. ... Und nicht nur die verschiedenen Nationen, auch die Stände gehen ruhig durcheinander her: brillante Salondamen, Gelehrte, Geistliche, gute Hausfrauen, Künstler, musikalische Zelebritäten, Touristen, der Monsignore und die Schriftstellerin, der Kaufmann und der Prinz". Sibylle Mertens-Schaafhausen an ihre Schwester Lilla Deichmann, Rom, 22.1.1846, Briefe 1935, S. 347. Vgl. Lewald, Tagebuch 1927, S. 65 (1845).
- ^ Turin bildete als Hauptstadt Piemont-Sardiniens ein frühes Zentrum der Salons des Risorgimento. Giuditta Bellerio Sidoli (1804–1871), Witwe eines Mitglieds der Carbonari und Freundin Mazzinis führte dort um 1852 einen politischen Salon für Exilitaliener. – Barbiera, Contessa Maffei 1895; Tatti, Risorgimento 2007.
- ^ Maria Fürstin Bülow geb. Prinzessin Camporeale hatte während ihrer ersten Ehe als Gräfin Dönhoff in Wien einen Salon geführt, in zweiter Ehe war sie seit 1886 mit Bernhard von Bülow verheiratet (1849–1929; 1900–1909 deutscher Reichskanzler). – Mori, Sociabilità 2000, S. 185; Gregorovius, Briefe an Lovatelli 1896, S. 156; vgl. Wilhelmy, Salon 1989, S. 617–619.
- ^ Sie war u.a. befreundet mit Malwida von Meysenbug (1816–1903; Salon in Rom), Mitglied zahlreicher archäologischer Gesellschaften und Akademien in Italien, Frankreich, Österreich und Deutschland und erhielt 1894 die Ehrendoktorwürde der Universität Halle/Saale. Gregorovius, Briefe an Gräfin Lovatelli 1896, S. 123 und S. 176; vgl. Münz, Lovatelli 1896, Münz, Lovatelli 1896, S. 53–58. – Mori, Sociabilità 2000, S. 188–189.
- ^ Lowenstein, Enlightenment 1998; vgl. Hertz, High Society 1988 zur Sozialgeschichte der Salons jüdischer Frauen in Berlin, vgl. auch Hertz, Conversion 2007; Hahn, Mythos 1997; Isselstein, Salon 1997; Wilhelmy-Dollinger, Salons 2006; Lund, Humboldt 2010; Lund, Emanzipation 2012; Herz, Erinnerungen 1984.
- ^ Mendelssohn, Aufklären 1986, S. 80–84, mit ausführlichen Begriffsbestimmungen. Vgl. Wilhelmy-Dollinger, Salons 2000, S. 387–389.
- ^ Wilhelmy-Dollinger, Levy 2011; Wilhelmy-Dollinger, Musiksalons 2006, S. 17–33 u.ö.; Wilhelmy-Dollinger, Singen 2011, S. 147–152.
- ^ Dazu umfassend bei Hahn, Rahel Levin Varnhagen 1996, S. 243–260. Vgl. Feilchenfeldt, Rahel 1983, S. 128–178.
- ^ Rahel an Ernestine Goldstücker in Paris, Berlin, 31. März 1831, in: Levin Varnhagen, Rahel 2011, vol. 5, S. 408.
- ^ Berg, Berg 2008, sowie Patriotische Salons 2012; vgl. Wilhelmy, Salon 1989, S. 95–114, vgl. S. 200–201.
- ^ Vgl. Wilhelmy-Dollinger, "Salon" und "Tusculum" 2008, S. 85–86, Anm. 61 und 63.
- ^ U.a. von Friedrich Schleiermacher (1768–1834) und Adam Müller (1779–1829); vgl. Schmölders, Konversation 1986, und Friedrich Schlegel (1772–1829). – Zur literarischen Geselligkeit von Frauen insgesamt um 1800 vgl. Becker-Cantarino, Handlungsspielräume 2005; zur bildungsbürgerlichen Kultur um 1800 vgl. Gaus, Geselligkeit 1998, S. 61–113 zur Geselligkeitstheorie der Zeit.
- ^ Martini, Goethe 1970, S. 113. – Man las auch spanische, griechische und orientalische Poesie. Therese von Jakob (1797–1870; "Talvj") übersetzte auf Anregung Goethes Serbische Volkslieder, die auch bei ihren Berliner Freunden großen Anklang fanden. Dollinger, Volkslieder 2005; vgl. umfassend Dollinger, Biedermeier 1998.
- ^ Siehe Gatter, Solmar 2010. – Ludmilla Assing führte nach ihrem Wegzug aus Berlin einen Salon in Florenz. Vgl. Ujma/Fischer, Deutsch-Florentiner 1999.
- ^ Cornelie Richter (1842–1922) war die Enkelin der Berliner Salonnière Amalie Beer (1767–1854) und die jüngste Tochter Meyerbeers und seiner Frau Minna (1804–1886); sie zeichnete sich um 1900 als Protektorin der Musik und des Jugendstils aus. Vgl. Kuhrau, Beer 2004. Weitere Salons über mehrere Generationen waren u.a. die der Familien von Hohenhausen, Arnim/Oriola, Lepsius, von Schwabach und die fürstliche Familie Radziwill. Vgl. Wilhelmy, Salon 1989.
- ^ Bei Elisabeth von Staegemann wurde viel musiziert; 1816 entstanden dort die "Ur-Müllerlieder" aus einem "Schreibespiel" im Kreise ihrer Tochter Hedwig. Sie wurden zunächst von Ludwig Berger (1777–1839) vertont, dann von Wilhelm Müller (1794–1827) zum großen Zyklus ausgebaut und schließlich in Schuberts Komposition berühmt. Dollinger, Hensel 2005, Wilhelmy-Dollinger, Salons 2006, S. 24–29, Olfers, Lebenslauf 1908–1914, vol. 1–2, vgl. Wilhelmy, Salon 1989, S. 749–771, S. 848–860 u.ö.
- ^ Wilhelmy, Salon 1989, S. 251–253 u.ö. (Spitzemberg); Wilhelmy, Salon 1989, S. 249–251 u.ö. (Radziwill). Marie Fürstin Radziwill war eine gebürtige Französin, Nachfahrin Madame de Sévignés (1626–1696), Enkelin der Herzogin Dorothea von Dino und Sagan (1793–1862; geb. Prinzessin von Kurland) und Freundin der Kaiserin Augusta (1811–1890). – Zu Gräfin Schleinitz: Wilhelmy, Salon 1989, S. 247–249; 274–281 u.ö.
- ^ Nach dem Tod ihres ersten Mannes heiratete die Gräfin den österreichischen Diplomaten Anton Graf Wolkenstein-Trostburg (1832–1913) und führte 1894–1903 auch einen Salon in der österreichischen Botschaft in Paris.
- ^ Wilhelmy, Salon 1989, S. 283–288 u.ö.; Wilhelmy-Dollinger, Helmholtz 2010.
- ^ Bamberger, Erinnerungen 1899, S. 435.
- ^ Treu, Bernstein 1914; Wilhelmy, Salon 1989, S. 311–314 u.ö.; Wilhelmy-Dollinger, Bernstein 2006.
- ^ Bereits ihre Mutter Charlotte Greiner (1740–1816), ehemals Vorleserin der Kaiserin Maria Theresia, hatte in Wien einen Salon geführt. Gerstinger, Salons 2002; Pichler, Denkwürdigkeiten 1914.
- ^ Henriette von Pereira war eine enge Freundin Theodor Körners (1791–1813), der 1811 als Theaterdichter nach Wien gekommen war. Zu Arnstein Spiel, Arnstein 1991, und Wilhelmy-Dollinger, Arnstein 2006.
- ^ Thürheim, Leben 1914, vol. 3, S. 324–327 (3. Dezember 1830). Fürstin Hohenlohe war die Tochter der Fürstin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein (1819–1887), der langjährigen Lebensgefährtin Franz Liszts, die auf der Weimarer Altenburg einen musikalischen Kreis um sich versammelt hatte. – Die exzentrische Fürstin Pauline Metternich (1836–1921) spielte eine eher problematische Rolle im gesellschaftlichen Leben. – Vgl. Gerstinger, Salons 2002.
- ^ Diese Geselligkeit war nicht auf Wien beschränkt; Ludwig Bamberger charakterisierte Frau von Wertheimstein als "eine Dame von bezaubernder Schönheit und Liebenswürdigkeit, die nicht nur in ihrer österreichischen Residenz, sondern überall, wo sie sich aufhielt, einen Hof von Künstlern und Schriftstellern um sich versammelte". Bamberger, Erinnerungen 1899, S. 478.
- ^ Ihre Schwester hatte einen Bruder Georges Clemenceaus (1841–1929) geheiratet; sie selbst war u.a. als Übersetzerin moderner französischer Theaterstücke (u.a. Anouilh) tätig. Dollinger, Kultur 1995, S. 32–35; von Essen, Zuckerkandl 1999.
- ^ Daneben sind noch die Salons ihrer jüngeren Konkurrentin Ruzena Svobodová (1868–1920) sowie der Malerin und Graphikerin Zdenka Braunerová (1858–1934) zu erwähnen, die auch Berliner Salonnièren böhmischer Herkunft zu ihren Freundinnen zählte. Braunerová war eng mit der Malerin und Kunstgewerblerin Marie Kirschner (Kirschnerova) (1852–1931) und deren Schwester Aloisia (1854–1934; als Schriftstellerin Ossip Schubin) befreundet, die im Winter in Berlin einen Salon hatten, im Sommer aber in ihre böhmische Heimat zurückkehrten (vgl. Wilhelmy, Salon 1989, S. 357–358). Ausführlich zu den Prager Salons Dörflová, Salony 2009, hier S. 17–18 und S. 38–53.
- ^ Lesser, Clarkey 1985, S. 19, vgl. S. 20.
- ^ Vigée-Lebrun, Erinnerungen 1985, S. 291–292; die Londoner "routs" (überfüllte Massenempfänge) gefielen Madame Vigée-Lebrun nicht. Vigée-Lebrun, Erinnerungen 1985, S. 287–288.
- ^ Schmid, Salons 2013. Vgl. Schmid, Salons 2013 auch über den Salon von Horace Walpoles Freundin Mary Berry (1763–1852), die mit ihrer Schwester einen Salon führte und Bücher über die französische und englische Geselligkeitskultur schrieb. – Sehr international waren auch die "Dienstage" von Frances von Bunsen geb. Waddington (1791–1876), der Gemahlin des preußischen Gesandten Christian Carl Josias von Bunsen (1791–1860), in Carlton Terrace um 1850. Bunsen, Briefe 1889, vol. 2, S. 340. Im Rom der 1820er/30er Jahre bildete der "gelbe Salon" der Bunsens im Palazzo Caffarelli ein Zentrum nicht nur der deutschen Künstlerkolonie.
- ^ In den 1860er und 1870er Jahren führte die mit George Eliot befreundete Malerin und Frauenrechtlerin Barbara Bodichon (1827–1891) einen Salon; sie setzte sich publizistisch und praktisch für Frauenbildung und Frauenstudium ein
- ^ Sie unternahm die Reise mit Erik Gustav Geijer (1883–1847) und Adolf Fredrik Lindblad (1801–1878), vgl. Montgomery-Silfverstolpe, Deutschland 1912. Freundschaftlich verbunden mit Malla Silfverstolpe war die Professorenwitwe Alida Knös (1786–1855), die mit ihrer Tochter, der Dichterin und Übersetzerin Thekla Knös (1815–1880), angeregte Geselligkeit pflegte. Sørensen, Salonkultur 1998, hier vor allem Mansén, Knös 1998, S. 367–388. Vgl. Wischmann, Silfverstolpe 2003.
- ^ Sie war mit Madame de Staël, Caroline von Humboldt (1766–1829) und Bertel Thorvaldsen (1770–1844) befreundet. Jensen, Musiklivet 1998.
- ^ Sørensen, Rahbek 1998.
- ^ Vgl. auch Dansk kvindebiografisk leksikon.
- ^ Vigée-Lebrun, Erinnerungen 1985, S. 259–260; vgl. Lilti, Geoffrin 2001.
- ^ Goldberg, Chopin 1999.
- ^ Andronikaschwili, Ekaterina II. 1999.
- ^ Vigée-Lebrun, Erinnerungen 1985, S. 236–237; vgl. S. 212 und S. 228.
- ^ Sie war eine württembergische Prinzessin. Auch Hofdamen und Prinzenerzieher wie Vassilij Andreevič Žukovskij (1783–1852) trugen, ebenso wie Russen im Exil, zu vielfältigen Kontakten mit der europäischen Salonwelt bei. – Der internationale Salon (1829–1839) von Dorothea Gräfin Fiquelmont (1804–1863), Gemahlin des österreichischen Gesandten und Enkelin des berühmten Generals Kutusow (1745–1813), wurde durch den ihrer Mutter Gräfin Lisa Khitrova (1783–1839) im gleichen Hause ergänzt. Elisabeth Kutusow war in erster Ehe mit Ferdinand Graf Tiesenhausen (1782–1805) verheiratet, in zweiter Ehe mit Graf Nikolai Khitrovo (1771–1819), russischer Botschafter in Florenz. Clary-Aldringen, Geschichten 1977, S. 35 und 40–41. Vgl. Vitale, Pushkin 1999, S. 120–121. – Ferner ist der Salon der Schriftstellerin Gräfin Jewdokia Rostopchina (1811–1858) zu erwähnen; ein allegorisches Gedicht über die russische Polenpolitik brachte ihr die Verbannung aus der Hauptstadt ein. Vgl. zu den russischen Salonnièren Brodskij, Salony 1930; Vowles, Muse 2002; umfassend Barker, Russia 2002, sowie Ledkovsky, Dictionary 1994.
- ^ Vitale, Pushkin 1999, S. 133–134.
- ^ Fairweather, Volkonski 2000.
- ^ Jaenisch-Pavlova war dem polnischen Dichter Adam Mickiewicz (1798–1855) in leidenschaftlicher Freundschaft zugetan. Nach ihrer Scheidung 1853 ging sie auf Reisen und lebte seit 1858 zurückgezogen in Dresden, wo sie u.a. Schiller und Heine ins Russische und Französische übersetzte. Hexelschneider, Pavlova 2013, vgl. Kuhnke, Pavlova 1992.
- ^ Den Charakter von Bohemegeselligkeit tragen z.B. die Salons der Dichterin und Schriftstellerin Sinaida Gippius (Hippius) (1869–1945), die ihren Kollegen Dmitri Mereschkowski (1865–1941) heiratete und die "Muse der Décadence" genannt wurde, sowie die "Mittwochabende" der Schriftstellerin Lidija Sinowjewna-Annibal (1866–1907). Keller / Sharandak, Salondamen 2003, hier vor allem S. 32–83. Vgl. Seibert, Salons 1993, S. 441–442.
- ^ Etwa von Berta Zuckerkandl in Wien oder Cornelie Richter (1842–1922) in Berlin.
- ^ Um 1900 interpretierte der deutsche Soziologe Georg Simmel (1858–1918), das "Haus" (und somit auch den Salon) als eine ganzheitliche, subjektive vom Persönlichen dominierte Sphäre (und als seiner Meinung nach einzige genuin weibliche Kulturschöpfung). Das war eine indirekte Hommage an die bedrohte Salonkultur (vgl. Simmel, Weibliche Kultur 1986, S. 229, 239 und 243–247). Jürgen Habermas kommentierte: "... eine (nicht nur schmeichelhaft charakterisierte) weibliche Kultur erscheint ihm als das Heilmittel gegen die Entfremdung der lebendigen Subjektivität von den erstarrten Objektivationen einer 'männlichen Kulturarbeit', die sich die Würde des allgemein Menschlichen zu Unrecht bloß vindiziert." Simmel, Weibliche Kultur 1986, Vorwort, S. 16. – Simmels Freundin, die Malerin und Salonnière Sabine Lepsius (1864–1942) stellte in ihrem Aufsatz über das "Aussterben der 'Salons'" (1913) u.a. auch einen Kausalzusammenhang mit der Frauenemanzipation her. Lepsius, Aussterben 1913. – Außerhalb Europas scheinen z.B. in der arabischen Welt des 20. Jahrhunderts manche Frauen eine salonanaloge Geselligkeit als literarisches und emanzipatorisches Forum genutzt zu haben; ein Phänomen, das näher zu untersuchen wäre.
- ^ Vgl. Wilhelmy, Salon 1989, S. 376–387; Dollinger, Vernetzung 1999, S. 64–65; speziell für Frankreich: Martin-Fugier, Salons 2010, S. 409–428.
- ^ Wilhelmy-Dollinger, Salons 2000, S. 389.
- ^ Nostitz, Aus dem alten Europa 1933.
- ^ Abschließend sei noch einmal auf die zentrale Rolle der Gastgeberin, das strukturell einigende Element jeder Salongeselligkeit im Sinne der hier vorgeschlagenen Deutung des Phänomens "Salon" zurückgekommen. Ein Schlüssel zum Verständnis der Salons ist die literarisch fixierte weibliche Traditionsperspektive der europäischen Salons. Was speziell die Salonhistoriographie der Salonnièren betrifft, sind die Schriften von Stéphanie-Félicité Gräfin von Genlis (1746–1830) (1811/1818) für die Bildung des "Kanons" der Pariser Salons gegenüber den nachfolgenden Arbeiten der berühmten männlichen Literaturhistoriker – Pierre Louis Graf Roederer (1754–1835), Charles-Augustin Sainte-Beuve (1804–1869) und Victor Cousin – lange zu Unrecht unterschätzt worden (Genlis, Influence 1811). – Vgl. u.a. Sainte-Beuve, Causeries du lundi (1851–1861, seriell erschienen seit 1829); Roederer, Société Polie 1965; Victor Cousin, zahlreiche Werke über Damen der Fronde und von Port-Royal seit 1844 (Madame de Longueville 1853, Madame de Sablé 1854). Madame Mohl wagte 1862 den Versuch, die Pariser Salonkultur in ihrer geistesgeschichtlichen Entwicklung von den mittelalterlichen Wurzeln bis zu Madame Récamier darzustellen. (Mohl, Récamier 1862, S. 176–180. Sie bezog sich stark auf Claude Fauriels Histoire de la Poésie Provençale [1846]. – Vgl. Lesser, Letters 1984, S. 152–178, auch zur Kritik an diesem Werk, das trotz mancher Fehler ein wichtiger Ansatz ist.) Die Qualität der von Salonnièren verfassten Schriften zum Thema "Salon" schwankt sehr – von den unzuverlässigen Schriften der Herzogin von Abrantès bis zu der hervorragenden Biographie Madame de Staëls, welche die Münchner Salonnière Lady Charlotte Blennerhassett (1843–1917) bereits 1887/1889 publizierte. Der große Nationalökonom Moritz Julius Bonn (1873–1965) schrieb über Lady Charlotte Blennerhassett geb. Gräfin Leyden (Dr. phil. h.c.): "Sie gab keine großen Gesellschaften, aber man fand in ihrem Hause, in dem man die Luft der großen Salons der Vergangenheit zu atmen vermeinte, immer ein paar interessante Persönlichkeiten." (Bonn, Geschichte 1953, S. 154.) Die gesamteuropäische kritische Aufarbeitung des zuständigen weiblichen Blickwinkels der Salontradition ist ein noch nicht ausgeschöpftes Forschungsgebiet.
- ^ Gans, Rückblick 1995, S. 68, über die Albertine Herzogin von Broglie (1797–1838; Tochter Madame de Staëls); ähnliche Äußerungen gibt es zu Rahel Levin-Varnhagen, Hedwig von Olfers und vielen anderen.
- ^ Florence Nightingale schrieb 1883 über ihre kürzlich verstorbene Freundin Madame Mohl: "I believe that people scarcely knew what a high ideal she had. She was so natural, so sympathetic, so outspoken, always saying the thought that arose at the moment – so clever – so literary – that people did not imagine that she had a considered object in life – which was, I believe, to do for the rich, what is done in England for the poor: to raise them – to give them real interests in their lives – to banish from conversation all triviality and gossip – to 'overcome evil with good' in the daily spirit of our minds." London, 25. Mai 1883, in: Helmholtz, Briefe 1929, vol. 1, S. 266. Die hier angesprochenen Qualitäten erinnern stark an die Gedanken Mademoiselle de Scudérys über bildende Konversation (s.o.). Ähnlich charakterisierte die Berliner Salonnière Fanny Lewald die Haltung, auf die es im Salon vorrangig ankam, als "... jenes Wohlwollen und jene Duldsamkeit, welche das Kennzeichen vollendeter Bildung sind".
- ^ Lewald, Lebensgeschichte 1989, vol. 3, S. 91 (über den Berliner Salon Sara Levys der 1840er Jahre). Die deutschen Geselligkeitstheorien aus Aufklärung und Neuhumanismus, Klassik und Romantik blieben in den Berliner Salons bis ins frühe 20. Jahrhundert präsent.
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