Die "Nationalkirchen" Südosteuropas@Die "Nationalkirchen" Südosteuropas@(VE)@freigabe
Wechselspiel kirchlicher und staatlicher Entwicklungen
Im Kontext der neuzeitlichen Nationalbewegungen Südosteuropas standen (und stehen bis heute) kirchliche und staatliche Entwicklungen in einem Wechselspiel,1 wobei der national-staatlichen Emanzipation – exemplarisch nachzuvollziehen bei den Bulgaren, den Serben der Vojvodina und den orthodoxen Romanen (Rumänen) Siebenbürgens und Ungarns – eine an ethnisch-sprachlichen Kriterien orientierte Autonomie auf der Ebene kirchlicher Strukturen vorausgehen konnte.2 Im Zuge der fortschreitenden politischen Restrukturierung des Balkanraums evozierte der nationalstaatliche Einigungsprozesse vor allem bei Serben3 und Rumänen4 dann aber auch neue kirchliche Integrationsprozesse.
Anfang des 20. Jahrhunderts kamen außer den Bulgaren vor allem Rumänen und Serben – im Rahmen des unter dem serbischen König Alexander I. (1888–1934) südslawische Ethnien vereinenden Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (seit 1929 Jugoslawien) – der Realisierung des zeitgenössischen Ideals "ein Volk, ein Staat, eine Kirche" besonders nahe. Vollständig verwirklicht konnte es infolge der historisch gewachsenen, auch in den verschiedenen Schüben ethnischer und religiöser Säuberung bis heute nicht ganz überwundenen, ethnisch-religiösen Durchmischung Südosteuropas (und Grenzziehungen, die z. B. historische Siedlungsgebiete orthodoxer Balkanromanen außerhalb des rumänischen Staates beließen), freilich weder im Zuge der politisch-kirchlichen Neuordnung des Balkans nach dem Ersten Weltkrieg, noch in der rezenten postkommunistischen staatlichen Restrukturierung werden. Ein anderer, besonders in Siebenbürgen hinderlicher, Faktor war das konfessionelle Splitting.
Nationalkirche und Kirchennation
Dass nationalkirchliche Entwicklungen heute nicht nur in der Außenperspektive kritisch wahrgenommen,5 sondern auch innerorthodox gelegentlich durchaus scharf kritisiert werden können,6 ändert nichts an ihrer Faktizität und grundsätzlich auch breiten Akzeptanz. Nach einer weit verbreiteten Meinung würde "Nationalität"7 sogar seit alters her geradezu zu den Spezifika orthodoxer Kirchlichkeit gehören: "Gemäß der Bedeutung, welche die Kirche den Nationalitäten beilegte, konnte sie consequent auch dort keinen Widerspruch erheben, wo es sich um die Anerkennung einer neuen Nationalkirche handelte; vorausgesetzt, daß sich dabei die Bedingungen zu einer gedeihlichen Entwicklung derselben nachweisen ließen und das innige Band mit der Gesammtkirche unverletzt blieb."8
Der Begriff "Nationalkirche" wird in Quellentexten und Literatur durchaus unterschiedlich akzentuiert,9 in der Regel wird neben dem sowohl auf ethnisch-sprachliche als auch staatliche Größen beziehbaren (und damit grundsätzlich mehrdeutigen) "Nationsbezug" als ein besonders wichtiges Element kirchenrechtliche Selbständigkeit benannt.
Mit dem Terminus "Nationalkirche" eng verwandt ist der vor allem für den habsburgischen Kontext gebräuchliche Begriff der Konfessions- bzw. Kirchennation.10 Gemeint sind – analog zu den osmanischen Millets – im wesentlichen die konfessionell bestimmten "rechtsfähige[n] Körperschaften" der Serben und Romanen (Rumänen) der Donaumonarchie, "für die eine gemeinsame Umgangssprache sowie ein entsprechendes religiöses und weltliches Brauchtum"11 bestimmend waren. Ein milletähnlicher Rechtsstatus12 wurde erstmals im Kontext der Ansiedlung der 1691 unter Führung des Patriarchen von Peć (Ipek), Arsenije III. Peć (1633–1706), von osmanischem auf habsburgisches Territorium übersiedelten Orthodoxen mit Wien ausverhandelt (infolge der Entstehung der serbisch dominierten, zunächst aber grundsätzlich Zuständigkeit für alle Orthodoxen des Habsburgerreichs beanspruchenden Karlowitzer Jurisdiktion).13 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangten dann auch die orthodoxen Romanen (Rumänen) in Siebenbürgen und Ungarn dank des Engagements des Hermannstädter Bischofs Andrei (von) Şaguna (1809-1879) im Rahmen ihrer 1864 aus der Zuständigkeit von Karlowitz herausgelösten Metropolie von Herrmannstadt (Sibiu) einen entsprechenden Status.
Bei der nationalen Profilierung spielten im Habsburgerreich wie auch im Osmanischen Reich die Repräsentanten der lokalen orthodoxe(n) Kirche(n) (sowie in Pfarrhäusern geprägte Intellektuelle) als Bildungselite, Kirchengremien als Foren politischer Partizipation sowie kirchennahe oder explizit in kirchlicher Trägerschaft stehende Institutionen (Schulen, Vereine, Druckereien, Zeitschriften, Museen usw.) als identitätsstiftende Vermittler kulturellen Erbes eine wichtige Rolle.14 Der Hand in Hand gehende starke gesellschaftliche Einfluß der Kirche hielt sich in den Balkanländern (und Zypern) in unterschiedlichem Ausmaß zum Teil bis heute und konnte selbst durch die kommunistischen Traditionsbrüche oft nicht dauerhaft beseitigt werden. Immer noch wird in Südosteuropa häufig der traditionelle Anspruch vertreten, daß man der dominanten Kirche mehr oder weniger "automatisch" durch seine Herkunft angehört (und der in den postkommunistischen Ländern durchaus auch Nichtgetaufte zugerechnet werden bzw. sich – wie z. B. viele Serben im Kosovokonflikt – in bestimmten Kontexten selbst zuzählen).
Kirchliche Selbständigkeit
Der im orthodoxen Sprachgebrauch durchgesetzte Terminus technicus für die größtmögliche Selbständigkeit einer Lokalkirche ist "Autokephalie". Letztere wurde von den orthodoxen Kirchen Südosteuropas15 – abgesehen von der bereits in der Spätantike eigenständigen Kirche von Zypern – im wesentlichen im Kontext des nationalen "Erwachens" des Balkanraums durch direkte oder mittelbare Emanzipation aus der Jurisdiktion des Patriarchats von Konstantinopel (im Raum der Habsburgermonarchie: de facto aus der serbisch dominierten Karlowitzer Jurisdiktion, die ihrerseits aber von Konstantinopel formal nie als autokephal anerkannt worden ist) errungen.
Historische Anknüpfungspunkte für die Emanzipationsbemühungen gab es vor allem für Bulgaren und Serben – das mittelalterliche, bereits 1339 untergegangene Bulgarische Patriarchat (bzw. das noch bis 1767 bestehende autonome Erzbistum in Ochrid) einerseits und das alte, freilich ohne Zustimmung Konstantinopels, Mitte des 16. Jahrhundert temporär reaktivierte Serbische Patriarchat (1557–1776), für das in der Donaumonarchie Karlowitz (Sremski Karlovci im heutigen Serbien) die Rechtsnachfolge beanspruchte.
Zentralismus und wachsende national-griechische Tendenzen im Ökumenischen Patriarchat hatten sich besonders negativ im bulgarischen Kontext ausgewirkt. Hier sträubte sich Konstantinopel – vor dem Hintergrund konkurrierender Jurisdiktionsansprüche unmittelbar "vor der eigenen Haustür" – auch besonders gegen die nationalkirchliche Entwicklung. 1870 gewährte der Sultan die Gründung eines bulgarischen Exarchats, wodurch die bulgarische Kirche die Möglichkeit erhalten sollte, ihre inneren Angelegenheiten autonom zu regeln. Die Konstantinopler Synode reagierte darauf mit einer scharfen Verurteilung: Die Begründung von Kirchenstrukturen auf dem Nationalitätenprinzip (sog. "Phyletismos") wurde sogar als Häresie gebrandmarkt.16 Auch nach fortschreitender Konsolidierung bulgarischer Eigenstaatlichkeit (Konstituierung eines bulgarischen Fürstentums 1878, Proklamation eines unabhängigen Königreichs 1908) verweigerte Konstantinopel die Anerkennung kirchlicher Selbständigkeit bis zum Einmarsch der sowjetischen Truppen 1945.
Dagegen war der alten serbischen Autonomie nicht nur in der Donaumonarchie eine gewisse, von Konstantinopel den politischen Realitäten folgend, hingenommene Kontinuität beschieden. Auch "sonst fanden die serbischen Bestrebungen beim Phanar Entgegenkommen. So wurde", nachdem das serbische Fürstentum (gemeinsam mit Montenegro und dem Rumänischen Altreich) 1878 im Zuge des Berliner Kongresses die volle politische Selbständigkeit erlangt hatte, bereits 1879 die "Autokephalie .... vom Ökumenischen Patriarchat anerkannt um, wie der Patriarch selbst sagte, gegen die bulgarischen Schismatiker Verbündete zu gewinnen, nachdem die Russische Kirche die Exkommunikation der Bulgaren nicht fehlerfrei erklärt hatte".17 Das montenegrinische Fürstbistum war (mit russischer Unterstützung) auch unter osmanischer Souveränität faktisch bereits von Konstantinopel unabhängig gewesen.18
Die rumänischen Fürstentümer hatten im osmanischen Staatsgefüge ebenfalls einen Sonderstatus, der der staatlichen und kirchlichen Selbständigkeit den Weg bereitete. Die Rumänische Kirche in der Moldau und der Walachei wurde am 3. Dezember 1864 zunächst durch das Organische Dekret des Fürsten für die Bildung einer zentralen synodalen Autorität als autokephal erklärt.19 1872 erfolgte die organisatorische Neuordnung mittels eines vom Parlament verabschiedeten Gesetzes über die Wahl der Bischöfe, in dem die Autokephalie vorausgesetzt wird. Im Unterschied zur Entwicklung in Serbien verweigerte das Patriarchat von Konstantinopel aber zunächst die Anerkennung der faktischen Entwicklung, die erst 1885 durch die formelle Entlassung der rumänischen Kirche in die Autokephalie zur Kenntnis genommen wurde.20
Summa summarum gestaltete sich die Bereitschaft des Ökumenischen Patriarchats, eigene Jurisdiktionsansprüche zurückzunehmen, sehr unterschiedlich. In Griechenland21 ist die Autokephalie bis heute nur partiell realisiert. Verbunden mit dem 1821 ausgebrochenen griechischen Unabhängigkeitskrieg war es zur Lösung der ersten griechischen Territorien aus der Hegemonie von Konstantinopel gekommen. Dabei stand die Distanzierung vom Patriarchen in seiner politischen Funktion als "Ethnarch" im Vordergrund. Diese wurde aber auf der religiösen Ebene – durch Exkommunikation der Bischöfe der aufständischen Gebiete – beantwortet. 1833 wurde die Kirche des neuen griechischen Königreichs zunächst nach evangelischem und russischem Vorbild durch königliche Verordnung neu geordnet: Damit wurde vorerst der griechische König zum Kirchenoberhaupt in bezug auf Leitung und Verwaltung der Kirche. Die höchste geistliche Macht wurde einer fünfköpfigen ständigen Synode übertragen. Diese erhielt – wie im Zarenreich – als Regierungsvertreter einen "Staatsprokurator". Auf die explizite Autokephalieerklärung in der griechischen Verfassung von 1844 reagierte Konstantinopel 1850 aber schließlich doch mit einem Synodaltomos, mit dem formell die Autokephalie ex nunc gewährt wurde. Infolge wurde diese jedoch nur mehr auf Thessalien, Epeiros und die ionischen Inseln erstreckt, während die übrigen erst nach 1850 zu Griechenland gekommenen Territorien (in unterschiedlicher Form) an das Patriarchat von Konstantinopel angebunden blieben.
Die Lösung der albanischen Orthodoxen aus griechischer Hegemonie erfolgte erst nach dem Ersten Weltkrieg.22 Nachdem die lokalen Bischöfe des Landes verwiesen worden waren, proklamierte 1922 eine Versammlung von Priestern und Laien die Autokephalie. Deren Zuerkennung seitens des Ökumenischen Patriarchats ließ bis 1937 auf sich warten. Der dadurch eingeleitete Konsolidierungsprozeß wurde aber bald wieder durch die extrem antireligiöse Politik in kommunistischer Zeit unterbrochen, die 1967 dazu führte, dass Albanien zum atheistischen Staat erklärt und religiöse Betätigung unter Strafe gestellt wurde. In den Bemühungen der 1990er Jahre, kirchliche Strukturen zu erneuern, spielte neuerlich das Ökumenische Patriarchat die führende Rolle.
Als völlig gescheitert zu betrachten ist trotz staatlicher Unterstützung das infolge der Umformung des Osmanischen Reichs zum Türkischen Nationalstaat angesiedelte Experiment einer eigenen Türkischen Orthodoxen Kirche.
Aktuell wiederholen sich die widerstreitenden Tendenzen – nationalkirchliche Emanzipationsbestrebungen einerseits und das Bemühen des bisherigen Jurisdiktionsträgers, die kirchliche Einheit zu wahren und traditionelle Rechte aufrechtzuhalten –, im Raum des ehemaligen Jugoslawiens. Die Serbische Orthodoxe Kirche weigert sich, die nach der "Wende" durchgesetzten staatlichen Sezessionsprozesse in Montenegro23 und Makedonien24 auf kirchlicher Ebene nachzuvollziehen. Die lokalen Gläubigen sind in der Autokephalie-Frage gespalten. Während in Makedonien die selbsterklärte Autokephale Kirche eine breite Basis hat, tendieren die Orthodoxen Montenegros weiterhin mehrheitlich zur kanonischen (Serbischen) Kirche.
Kirchenfreiheit
Zu Beginn der 1830er Jahre, als mit der Entstehung des modernen griechischen Staates auch die kirchlichen Strukturen für die dort lebende orthodoxe Bevölkerung reorganisiert werden mußten, hat der "Rat für die Gründung einer Hl. Synode des Königreiches Griechenland" symphonia in Anlehnung an das zeitgenössische russische System betont staatskirchlich interpretiert: 25
So wie wir darin übereinstimmen, daß die Kirche von Griechenland unabhängig von jeder anderen Kirche sein soll, sind wir auch der Meinung, daß die königliche Macht die Oberherrschaft über die Kirche haben soll, denn für die Gesellschaft ist die Unabhängigkeit der Kirche von der weltlichen Gewalt aus vielen und gewichtigen Gründen völlig unzuträglich und gefährlich; ein Staat in einem unabhängigen Staat kann nicht ohne schädliche Zusammenstöße bestehen.26 Wenn aber eine völlige Trennung der Kirche vom Staat schlecht ist, so ist eine völlige Überlegenheit der Kirche über die weltliche Gewalt auch nicht gut […], ebenso wie eine völlige Unterordnung der Kirche unter die weltliche Gewalt … Wir halten eine Trennung der beiden in den inneren Angelegenheiten (soweit es die Ruhe und die Sicherheit des Staates nicht betrifft) für richtig und ihre Einheit im Äußeren, und diese Einheit obliegt der weltlichen Gewalt, deren die Kirche immer bedarf.27
Anders als in Siebenbürgen, wo sich Şaguna von Anfang an recht erfolgreich um möglichst große "Freiheit der Kirche seitens des Staates" bemüht hatte, bedeutete in der Folge "freie Kirche im freien Staat" in den jungen Balkanstaaten nirgendwo Freiheit vom Staat, sondern nur Freiheit von einem im Ausland befindlichen kirchlichen Jurisdiktionsträger. Şagunas Forderung, "in kirchlichen Angelegenheiten, unbeirrt und ungehindert durch etwaige Präventivgesetze von seiten des Staates und der Organe derselben, Beschlüsse zu fassen",28 zeigt sehr schön, wo die im Kontext der zeitgenössischen nationalkirchlichen Entwicklungen erlangte "Kirchenfreiheit" im Rahmen von Staatskirchen vor allem ihre Einschränkungen erfuhr, auch wenn der Staat nicht – wie zeitweise in Altrumänien – neben der Kirchengesetzgebung gleich auch das freie Ernennungsrecht für die Hierarchie für sich reklamierte.
Bis weit hinauf ins 20. Jahrhundert – in Griechenland, wo Kirchengesetze noch heute das Parlament passieren müssen, bis in die Gegenwart – blieb der Preis für die Emanzipation aus Konstantinopler Oberhoheit zunächst ein umso größeres Abhängigkeitsverhältnis zu den neuen Nationalstaaten. Nicht nur in Griechenland zeigte sich schnell, wie wenig vorteilhaft die staatskirchlichen Strukturen aus kirchlicher Sicht waren. Dennoch regte sich auf dem Hintergrund der weit verbreiteten Überzeugung gottgewollter Staatsgewalt29 wenig grundsätzlicher Widerstand: Wenn der Kanonist der bulgarischen Kirche, Stefan Zankow (1881–1965), schon 1918 explizite Sympathie für ein Trennungssystem zeigte, vertrat er eine orthodoxe Minderheitenposition, die über Şagunas immer noch an das byzantinische Symphonia-Modell angeknüpfte Verständnis von Kirchenfreiheit hinausgeht und bis in die Gegenwart im orthodoxen Kontext alles andere als "Mainstream" ist.30
Anhang
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Anmerkungen
- ^ Anmerkung der Redaktion: Die Erstveröffentlichung des vorliegenden Texts von Eva Synek erfolgte in Ostkirchliche Studien Nr. 2/2014, © Echter Verlag Würzburg 2014, S. 339–351. Wir danken dem Echter Verlag, Würzburg, für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung in "Europäische Geschichte Online". Alle Medienquellen (Links, Karten, Abbildungen) wurden von der Redaktion ergänzt.
- ^ Vgl. für einen ersten Überblick und weiterführende Literaturhinweise beispielsweise Bryner, Ostkirchen 1996, S. 71–108, sowie die historischen Einleitungsteile in Potz / Synek, Orthodoxes Kirchenrecht 2014. In diesem Beitrag wurden einige von mir verfasste Abschnitte im Einvernehmen mit meinem Koautor z. T. wörtlich übernommen (E.S.).
- ^ Im Serbischen Patriarchat (vgl. näherhin Pospischil, Patriarchat 1966) gingen nach dem 1. Weltkrieg a) das die Nachfolge des unter osmanischer Oberhoheit zunächst untergegangenen, 1557 auf Initiative des serbischstämmigen Wesirs Sokolić, wieder errichteten Patriarchats von Peć (Ipek) beanspruchende habsburgische (Titular)patriarchat von Karlowitz, b) die durch Konstantinopler Synodaltomos 1879 (ein Jahr nach der Erlangung vollständiger Souveränität durch das seit 1830 bestehende serbische Fürstentum im Zuge des Berliner Kongresses 1878) in die volle Autokephalie entlassene Metropolie von Belgrad und c) die Kirche des montenegrinischen Fürstentums (Metropolie von Cetinje) auf. Dazu kamen weiter d) die serbischen Bistümer in Makedonien und e) die Metropolie von Bosnien-Herzegowina (mit Sitz in Sarajewo).
- ^ Ähnlich kam es auch im Zuge der territorialen Expansion des rumänischen Königreiches (vgl. näherhin Suttner, Patriarchat 1978; Brusanowski, Autonomia 2007; Brusanowski, Kirchenordnungen 2011) nach dem 1. Weltkrieg zum Zusammenschluss von mehreren, ursprünglich unterschiedlich gewachsenen, Orthodoxen Kirchen: a) die infolge der 1859 vollzogenen Vereinigung der Donaufürstentümer Moldau und Walachei unter Alexander Cuza und der bald darauf anschließenden Proklamation eines eigenen rumänischen Staates (1862) entstandene autokephale Orthodoxe Kirche unter dem Metropoliten von Bukarest, b) die Kirche von Hermannstadt (Sibiu), der in der Spätphase der Donaumonarchie die orthodoxen Rumänen der ungarischen Reichshälfte unterstanden, c) die Kirche der Bukowina, die im Zuge der Ausdifferenzierung der Orthodoxie des Habsburgerreichs die Zuständigkeit für die österreichischen Orthodoxen erlangt hatte sowie d) die Eparchie von Bessarabien, die zwischen 1813 und 1918 dem Hl. Synod der Russischen Orthodoxen Kirche unterstellt gewesen war.
- ^ Vgl. beispielsweise Suttner, Kirchennationen 2001, S. 89–91.
- ^ Vor allem seitens dem Ökumenischen Patriarchat nahestehender griechischer Theologen wie z. B. Papathomas, Église nationale 2003.
- ^ Zum historischen Bedeutungswandel vgl. etwa Suttner, Kirchennationen 2001.
- ^ Németh, Josef Zhishmans Antrittsrede 2014, S. 530.
- ^ Vgl. die Vorschläge auf http://www.enzyklo.de/Begriff/Nationalkirche (letzter Zugriff: 14.07.2016); der Begriff "Nationalkirche" wird – nicht zuletzt in Bezug auf orthodoxe Kirchen – auch bereits in vorneuzeitlichen Kontexten gebraucht (z. B. Georgische Orthodoxe Kirche, Orientalische Orthodoxe "Nationalkirchen" wie die Armenische, Äthiopische, Koptische und Syrisch-orthodoxe Kirche), die hier aber außer Acht zu bleiben haben.
- ^ Der Begriff wurde vermutlich von Turczynski geprägt, vgl. grundlegend Turczynski, Konfession 1976; er findet heute aber auch im Osmanischen Kontext und nicht nur für Orthodoxe Anwendung; Suttner, Kirchennation 2001, S. 84, sieht in den Siebenbürgener Sachsen sogar den "klassischen Fall einer 'Kirchennation'".
- ^ Makrides, Orthodoxie 2005, S. 83.
- ^ Zur rechtlichen Absicherung der Orthodoxen der Habsburgermonarchie vgl. grundlegend Gustermann, Oesterreiches Kirchenrecht 1807; Plöchl, Staatskirchenrecht 1967; Bremer, Ekklesiale Struktur 1992.
- ^ Metropolie bzw. seit 1848 (Titular)patriarchat von Karlowitz (Sremski Karlovci); auch: "Kirche von Österreich" (vgl. Rhalles / Potles, Syntagma 1850, S. 513) bzw. "Autokephale Kirche in der Österreichischen Monarchie" (vgl. Rhalles / Potles, Syntagma 1850, S. 521).
- ^ Vgl. z. B. Suttner, Kirche 1997; Németh / Synek, Kulturträgerschaft (im Erscheinen); zum Versuch einer Übertragung des Terminus "Kulturprotestantismus" auf den orthodoxen Kontext: Wünsch, Kulturorthodoxie 2007.
- ^ Die Frage, inwiefern der Nationalkirchenbegriff auch auf andere Balkankirchen, wie insbesondere die unter Habsburgerherrschaft protegierte und im Rumänien der Zwischenkriegszeit neben der orthodoxen Kirche verfassungsrechtlich privilegierte rumänische griechisch-katholische Kirche Anwendung finden soll, lässt sich in diesem Rahmen nicht ausdiskutieren. Es sei aber ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich nationalkirchliche Tendenzen nicht nur unter den katholischen Romanen, sondern auch unter den römisch-katholischen Südslawen ausmachen lassen. Eine kirchenrechtliche Selbständigkeit analog zur Konstantinopel abgetrutzten orthodoxen Autokephalie konnte aber im katholischen Kontext nicht durchgesetzt werden.
- ^ Vgl. näherhin die Dissertation von Hörist, Synode 1994.
- ^ Pospischil, Patriarch 1966, S. 49.
- ^ Pitsakis, Autokephalon 2008.
- ^ Vgl. näherhin Brusanowski, Kirchenordnungen, 2011.
- ^ Vgl. zuletzt Săsăujan, Diplomatic Negotiations 2012.
- ^ Vgl. z. B. Wittig, Kirche 1987; Demakopoulos / Troianos, Ekklesia 1999.
- ^ Vgl. Glavinas, Autokephalon 1978.
- ^ Die in den 1990er Jahren formierte national-kirchliche Unabhängigkeitsbewegung Montenegros versucht an die historische Sonderstellung des Territoriums anzuknüpfen. 1998 erhielt Montenegro mit Hilfe des bulgarischen Gegenpatriarchen Pimen einen eigenen Metropoliten, der allerdings panorthodox völlig isoliert blieb.
- ^ Die sich infolge der Entstehung der jugoslawischen Teilrepublik Makedonien selbst bereits seit 1967 als autokephal verstehende lokale Kirche (vgl. näherhin Zečević Božić, Autokephalieerklärung 1994) konnte unter Berufung auf die historische Bedeutung des Ochrider Patriarchates Belgrad zwar 1958 einen autonomen Status abringen, der Versuch, völlige Selbständigkeit zu erlangen, wurde freilich bislang nicht nur von Belgrad, sondern auch von keiner anderen der kanonischen Orthodoxen Kirchen anerkannt.
- ^ Vgl. z. B. Synek, Rechtsstaat 2011, S. 210–219; Suttner, Kirche 1997; zur Position Şagunas näherhin Synek, Compendium 2008, 210ff.
- ^ Anspielung auf die Verhältnisse im Osmanischen Reich, wo die Griechen in zivilrechtlichen Fragen im Rahmen des Milletsystems über die Institutionen der orthodoxen Kirche weitgehende Autonomie genossen.
- ^ Zitiert nach Wittig, Kirche 1987, 80.
- ^ Schaguna [Şaguna], Compendium1868, S.285.
- ^ Vgl. Milasch [Milaš], Kirchenrecht 1905, S. 696ff.
- ^ Seine Überzeugung, dass "bei der engen Verschwisterung und Verquickung von Staat und Kirche … letzten Endes weder Staat und Kirche, noch überhaupt die Menschheit die besten und erfreulichsten Erfahrungen gemacht" (Zankow, Verfassung 1918, S. 223; zu Zankow näherhin Synek, Zankow 2009) haben, verdichtete sich, als seine Kirche in den folgenden Jahren ihre Statutenrevision staatlich nicht durchsetzen konnte.
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Altstadt von Sibiu, Rumänien
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Bevölkerungsgruppen in Serbien und Montenegro 1991
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Die Adaption westlicher Staatskirchenmodelle in der Orthodoxie
Die Grenzen Bulgariens nach 1878
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Die griechische Verfassungsurkunde von 1844
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Konfessionelle Mehrheiten in Österreich-Ungarn im frühen 20. Jahrhundert
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