Der "Balkan" in deutschsprachigen Reiseberichten (ca. 1800–1880)@Balkan Reiseberichte@(VE)@freigabe
CC by-nc-nd Christoph Lorke
Einleitung
Im Herbst 1835 brach Helmuth Moltke (1800–1891) zu einer Reise nach Istanbul auf. Dazu durchquerte er das Gebiet zwischen Donau und dem Bosporus, das er als einen Ort umschrieb, wo sich Fremdes und Eigenes zu mischen schien.1 Nicht wenige Zeitgenossen betrachteten das Gebiet als Schwellen- bzw. Grenz- und somit Erfahrungsraum kultureller Art. Vorherige Differenzen erschienen dort schwächer, Selbstverständliches weniger klar – und nicht nur Moltke, auch viele andere Reisende jener Jahre waren unsicher, ob der Raum eher europäische oder doch eher "orientalische" Züge aufweise. Diese Unsicherheit scheint wenig überraschend, denn infolge seiner Lage zwischen Kleinasien und Mitteleuropa erfüllte der "Balkan" seit jeher eine Brückenfunktion: Die Verbindung Belgrad-Konstantinopel bzw. Istanbul war seit der Antike wichtige Heer- und Handelsstraße und hat bis zur Gegenwart ihre wichtige verkehrspolitische Bedeutung nicht verloren.
Gleichwohl bemängeln Südosteuropahistoriker die aus ihrer Sicht weitgehende Unkenntnis vieler über diese Region.2 Dies habe damit zu tun, dass sie seit dem Mittelalter und angesichts der etwa 500-jährigen Periode osmanischen Einflusses nur schwer in das Epochenschema der abendländischen Geschichte einzugliedern war, was zu ihrer weitgehenden Ausklammerung aus der europäischen Geschichte wie Gegenwart geführt habe. Dieser Beitrag möchte jene Beobachtung aufgreifen und argumentiert ausgehend von heute: Der Balkan war und ist als multiethnische Scharnierregion intensiver Kontakt-, Begegnungs- sowie Konfliktraum. Spätestens mit der Europäischen Integration geraten dessen historische Vermächtnisse wieder stärker in den Blick. Betrachten wir Europäisierung und Moderne als Kommunikationsprozess, so wäre nach den Auswirkungen und Deutungsangeboten der Raumwahrnehmungen in dieser kulturell wie politisch hoch differenten Region zu fragen. Denn durch ihre Einbeziehung erhalten Ränder Europas – wozu der Balkan geographisch unbestritten gehört – als vielgestaltige Austauschzonen ein neues Gewicht für den Kontinent; dadurch geraten Grenzüberschreitungen, Formen des Aufeinandertreffens und Hybridität sowie die mannigfachen Ausprägungen der Transkulturalität in den Blick. Dies ermöglicht uns, die Situierung Europas durch seine Peripherien zu begreifen.3
Einordnung in Raum und Zeit
Das Wort "Balkan" ist dem Türkischen entlehnt und bezeichnet ein bewaldetes Gebirge. Erstmalig hatte der Berliner Geograph August Zeune (1778–1853) Anfang des 19. Jahrhunderts den Begriff in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt, indem er die letztlich fehlerhafte antike Vorstellung übernommen hatte, wonach sich das Balkangebirge über den gesamten südosteuropäischen Raum vom heutigen Slowenien bis zum Schwarzen Meer erstreckte.4
Der Balkan als liminaler5 Raum in der Wahrnehmung vieler Reisender – diese Beobachtung war um 1800 nicht neu. Schon zu früheren Zeiten stellte er für viele eine Demarkationslinie zwischen politischen und konfessionellen Systemen dar. Spätestens mit dem beginnenden 19. Jahrhundert sollten indessen verschiedene Dynamiken die Balkan-Imaginierungen modifizieren, und zwar auf drei verschiedenen, miteinander verschränkten Ebenen:
- wissensgeschichtlich: Berichte über weit entfernte Gebiete waren gerade in Zeiten der Restauration imaginäre Fluchtmöglichkeit, die Lernerfahrungen für Zuhause ermöglichte. Dabei war die Zunahme räumlichen Wissens ab 1800 enorm. Der Orient und angrenzende Gebiete etwa galten weitgehend als "bekannt" – auch dank der Erzählsammlung 1001 Nacht, die in den 1780er Jahren erstmals in deutscher Übersetzung vorlag. Durch die Fülle von Illustrationen und den Zitatcharakter erfuhren Reisende jenen Raum nicht unbedingt als fremdes Gebiet, sondern als Folie vertrauter Vorstellungswelten. Etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts lässt sich – darauf deuten Buchpublikationen, Zeitschriftenartikel oder Opernproduktionen hin – ein sprunghafter Anstieg des westeuropäischen Leserinteresses an diesem Raum konstatieren.6
- tourismusgeschichtlich: Mit Lady Mary Wortley Montagu (1689–1762)[], die bereits 1717 nach Konstantinopel aufbrach, wurde das Genre der Orientreiseberichte begründet.7 Schon bald taten es ihr andere englische und französische, später auch deutsche Reisende nach. Durch die Eröffnung der Donau-Dampfschifffahrt 1829 war eine bequemere Bereisung per Fluss möglich.8 Bewegungen dynamisierten, Reichweiten vergrößerten sich, Reisen wurde schneller, leichter, sicherer und preiswerter. 1845 war schließlich das erste Jahr seit anderthalb Jahrhunderten, in dem das Osmanische Reich keinen Pestausbruch verzeichnete; vormals durch die "Pestfront" abgeschottete Gegenden gerieten somit in Reichweite.9 In der Folge erschien eine Vielzahl von Reisetagebüchern, zunächst von nicht-deutschen Autorinnen und Autoren, deren Werke aber bald übersetzt wurden10 – und sogar erste "Handbücher" für Orientreisende.11 Letztere enthielten Praktisches zur Reisezeit, zur Ausrüstung oder Schiffs-Fahrpläne; sie wollten Risiken minimieren und Wissen über Chancen und Gefahren solcher Reisen popularisieren.
- politikgeschichtlich: Das 19. Jahrhundert brachte eine Wiederbelebung der Kontakt- und Reibungsflächen zwischen dem Nahen Osten und Europa. In Spätmittelalter und Reformation beeinflusste noch die "Türkengefahr" die Selbstverständigungsdiskurse des okzidentalen Christentums, die vor allem auf die Eroberung der byzantinistischen Hauptstadt Konstantinopel 1453 und aus der Belagerung Wiens1683 zurückzuführen ist.12 Die Bedrohung der Christenheit schien seinerzeit akut; in der zeitgenössischen Publizistik dominierten Grausamkeit, Tyrannei und Gewalt. Verschiedene Gelehrte wie Johann Gottfried Herder (1744–1803)[] betrachteten die Türkei als zivilisatorisch abweichend, die Türken als "außereuropäische Fremdlinge" und "asiatische Barbaren".13 Gleichzeitig hatten die Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution[] einen Einstellungswandel zur nicht-türkischen Bevölkerung auf der Balkanhalbinsel hervorgebracht. Hier hatten die Freiheitsbewegungen der Serben und Griechen[] eine große Anziehungskraft auf Westeuropäer ausgeübt.14 Aus deren Sicht suchten diese Völker nun den Anschluss an die Gemeinschaft der fortschrittlich-zivilisierten Nationen.
Kurz: Im 19. Jahrhundert als Zeitalter des Imperialismus und Eurozentrismus etablierten sich, flankiert von einer neuartigen Geringschätzung anderer Kulturen, neue kulturelle Deutungsmuster, die geprägt waren von dem demonstrativen Glauben an die vermeintliche Überlegenheit eines christlichen Europas.15 Dass "Fremdes", wie etwa der Islam, als inkompatibel Abweichendes und somit als Sinnbild für Rückständigkeit betrachtet wurde, ist für jene im Untersuchungsraum entstandenen Reiseberichte von geradezu fundamentaler Bedeutung.
Das Unbekannte ordnen: Distanzregime in zeitgenössischen Reiseberichten
Der Reisebericht ist eine hybride Gattung, in der unterschiedliche literarische Formen miteinander vermengt werden; er begründet für die Daheimgebliebenen Vorstellungs- wie Erwartungshaltungen und ist Informationsquelle für künftige Reisende. In erkenntnistheoretischer Hinsicht bemerkenswert ist sein Changieren zwischen Realität und Fiktion. Wirklichkeit wird mit den Erkenntnismitteln der jeweiligen Zeit erfasst, Beobachtungen werden durch bekanntes Wissen vorstrukturiert.16 Durch ihr In-Beziehung-Setzen erlauben Reiseberichte als Quellen des Kulturkontaktes Rückschlüsse auf mentalitäts-, ideen- und geistesgeschichtliche Zusammenhänge einer Gesellschaft in einer bestimmten Epoche. Dabei geben sie weniger Auskunft über das Beobachtete, sondern vielmehr über die Logiken der Fremdbildproduktion in der Ausgangskultur der Verfasser: Das "Eigene" ist Norm und prägt Distanzmarkierung und Differenzherstellung, weshalb ein Reise- kaum als Tatsachenbericht gelesen und an der Frage gemessen werden sollte, ob die Beobachtungen nun "richtig" oder "falsch" waren. Stattdessen sollten wir, wie es der Islamwissenschaftler Bekim Agai (geb. 1974) gefordert hat, die Modi der Distanzperzeption und die Logiken der Fremdheitsverarbeitung dekonstruieren, die ihrerseits Verfahren der Herstellung, Kommunikation und Re-Affirmation von Räumen und Grenzen offenlegen.17 Werden die Reiseberichte als Dokumente von Grenzerfahrungen verstanden, so können mithilfe zeitgenössischer Reisebeobachtungen Distanzerfahrungen in ihrer jeweiligen Genese und Funktion nachvollzogen werden. Damalige Wahrnehmungsraster und Begriffsfelder vermögen Aufschluss über vorherrschende Perzeptionen und Ordnungen zu liefern, innerhalb derer Wissen hergestellt, selektiert, systematisiert und Dritten zur Verfügung gestellt wird. Das Funktionieren von Raumbildern und Distanzregimen18 wird im Folgenden anhand von vier Ebenen vertieft.
Distanzerfahrungen I: (West-)europäische Modernität als Maßstab
In jedem Reisebericht kam es zu einer Neuvermessung kultureller Unterschiede – doch musste jeder Text auch verdeutlichen und definieren, wo differente Räume überhaupt festzustellen waren. Für viele Reisende waren Erstberührungen offenbar derart prägend, dass diese üblicherweise besonders ausführlich geschildert wurden. Bereits während der Fahrt auf der Donau meinten einige, ein wachsendes Fremdheitsgefühl zu verspüren: Mit längerer Reise gen Südosten wären die Dörfer immer erbärmlicher geworden, erinnerte etwa Ida Pfeiffer (1797–1858)[].19 Häuser ähnelten zunehmend vielmehr Viehställen als menschlichen Wohnungen. Insbesondere die Donaustadt Vidin blieb vielen Reisenden als erster Kontakt mit türkischem Boden in Erinnerung. Für manche zeigte sich dort vollkommener "Verfall" – jedoch nur im muslimischen Viertel: "[E]rst in dem ….Bulgarenviertel atmete [er] wieder auf", dort habe er Wohlstand und Reinheit wie in einem "wohlhabende[n] Schweizer oder Tiroler Bauernhaus" entdeckt, vermerkte etwa der Illustrator Felix Kanitz (1829–1904).20 Diese Passagen machen deutlich, dass die imaginierte zivilisatorische Grenze entlang ethnisch-religiöser Trennlinien verlief. Solche Teil-Diagnosen vormoderner Rückständigkeit verbreiteten und reproduzierten das Bild orientalischer Andersartigkeit – und wurden von anderen Reisenden reflektiert und übernommen.
Diese Beobachtungen deuten darüber hinaus aber auch auf die mentale Aufladung bestimmter geographischer Peripherien. Dies hatte Vidin beispielsweise mit anderen, als vormodern empfundenen, insbesondere ländlichen Gegenden an den Rändern Europas gemein.21 Es bestand eine normative Sichtweise über Modernität, wobei sich das Bürgertum vergewisserte und als besserwertig abgrenzte. Halsbrecherische Pferderitte, unwirtliche Unterkünfte, ungewohnte klimatische Verhältnisse,22 infrastrukturelle Entbehrungen oder Ungezieferplagen – auffällig ist, dass solche Wahrnehmungen regelmäßig auf Versäumnisse der Herrschenden zurückgeführt wurden, und zwar auf eine uneffektive, willkürliche Verwaltung und den grundsätzlichen Niedergang osmanischer Ordnung.23 Die Reisenden wurden so Zeugen erodierender innerer osmanischer Machtstrukturen, des Auflösens der pāx ottomanica, an deren Stelle nun Anarchie drohte. Diese dräuende gesellschaftspolitische Unordnung ließ die Frage nach der Legitimität von Herrschaft aufkommen.24 Bei vielen Reisenden lässt sich ein regelrechtes Bedauern über diese Zustände herauslesen, wie bei dem Militärarzt Carl Wutzer (1789–1863), der geradezu wehmütig das verschenkte Potential der Balkan-Regionen betrauerte.25 Hieraus und in der (Über-)Betonung des Unzivilisiert-Gefährlichen konnten wiederum imperialistische Ansprüche erwachsen.26
Viele Innovationen und Entwicklungen des Westens erreichten den Balkanraum lange Zeit überhaupt nicht oder spät, was genügend Angebote für Distanz- und Gegensatzdiagnosen schuf. Dichotome Wahrnehmungen von Gegensätzen jedenfalls waren Konstanten, die in unterschiedlicher Schärfe vorgetragen wurden. Der österreichische Politiker Johann Hahn (1811–1869) nutzte die mutmaßlichen gesellschaftspolitischen Gegensätze zwischen Türkei und Okzident, um zu behaupten, unter Osmanischer Herrschaft existiere keine Weiterentwicklung, sondern ausschließlich Degeneration.27 Nach dem Schriftsteller Friedrich Hackländer (1816–1877) wiederum sei es zwar nicht nötig gewesen, "Türken auszurotten oder zu verjagen", doch müsse "eine höhere europäische Gesinnung helfen, die Barbarei aus diesen schönen Ländern zu entfernen".28 Andere Beobachter wurden noch deutlicher, wie der bayerische Major Gottlieb von Gugomos (1742–1816). Er bediente das populäre Bild jener von Opium betäubten, brutal mordenden "asiatischen Horden" und wünschte sich, "diese rauhen Morgenländer wieder aus Europa über den Bosphorus hinüber zu werfen".29
Der bereiste Raum, so legen solche Beobachtungsmodi nahe, schien dem Eigenen diametral entgegengesetzt, wobei der Islam mal mehr, mal weniger stark als das Haupthindernis für eine aufgeklärte Gesellschaft und als Auslöser für die beobachtete Starrheit und Unwandelbarkeit aufgefasst wurde.30 Orient und Islam als offenbar minderwertige Allianz – ein solches Set an Vorurteilen ließ westliche Reisende und ihre Leserschaft als moralisch höherwertig hervortreten.
Dies mündete einerseits in eine frappierend monotone Reproduktion bestehender und generalisierender Raumbilder. Die Reisenden hatten als Besucher am Bett des "kranken Mannes am Bosporus" Gelegenheit, aus ihrer Sicht Augenzeuge des schleichenden osmanischen Niedergangs zu werden, traten aber oftmals lediglich in die Fußstapfen ihrer Vorgänger.31 Einerseits waren Wiederholungen und teils unverhüllte wie polemische Vorurteile die Folge davon, dass aktuelle Entwicklungen von den Reisenden in hergebrachten Denkschablonen gedeutet wurden. Andererseits aber wurden durchaus alternative Einsichten präsentiert – und dies ist insofern beachtlich, als dass diese von binären Deutungsschemata abwichen. So widersprechen sich viele Reiseberichte zuweilen selbst, wenn neben negativen Aspekten auch Eindrücke von Gastfreundlichkeit, Sicherheit beim Reisen, Liebe zu Kindern sowie Ehrfurcht gegenüber Alten oder Ehrlichkeit und Treue akzentuiert wurden.32
Distanzerfahrungen II: Schmutzkonstruktionen als Differenzmarker
Beschreibungskategorien orientierten sich an Erwartungshorizont und Zeitgeist der aufgeklärten Moderne: Technik, Infrastruktur, Effizienz, ein gleichsam effektives wie rationales Wirtschafts- und funktionierendes Verwaltungs- und Rechtssystem und der daraus resultierende, permanent kommunizierte Gegensatz zwischen Barbarei und Zivilisation waren hier vorherrschend – dies äußerte sich insbesondere hinsichtlich der stark auf Polarisierungen fixierten Grundopposition Sauberkeit und Schmutz. Komparative Passagen zu Wohn- und Hygieneverhältnissen waren üblich in damaligen Reiseberichten – und die Erwähnung von Schmutz in den bereisten Städten diente vielen als gewichtiges, ja konstitutives Argument eigener soziokultureller Distinktion. Erschienen Städte aus der Ferne noch anziehend, waren sie aus der Nähe plötzlich erschreckend unsauber. Zu Belgrad – für viele Reisende Erstkontakt mit dem "fremden" Raum und für manche gar "Orient im Kleinen"33 – äußerte der Topograph Josef Krickel (1791–1847): So schön es zunächst aussieht, "so hässlich ist es in der Nähe. Koth, Schutt, Mist und Unflath trifft man auf allen Strassen und Plätzen".34 Wenn der Reisende die Position vermeintlich "sicherer" Distanz verlässt, verliert er auch die Kontrolle über den ungeordnet-unbekannten Raum, der unübersichtlich-chaotisch und zuvörderst schmutzig erscheint.35 Dieser verwandelt sich in ein Schreckensbild von Dreck, Gestank und Unordnung. Der Botaniker Karl Heinrich Koch (1809–1879) wäre, als er Vidin betrat, gar am liebsten auf dem Schiff geblieben.36 Und auch andere stimmten in diesen Chor ein, und zwar nicht ausschließlich bezogen auf die Donaustadt.37 Solche gezielten Demontagen früherer Vorstellungswelten hatten womöglich zum Ziel, den locus amoenus "Orient" zu entlarven. Die "fremde Stadt" scheint nur aus der Ferne bezaubernd-malerisch; ihre gezielte Entmythisierung durch den Beobachtenden nimmt ihr bald den Reiz des Exotischen.38 Dazu gehörte unter reisenden Zeitgenossen auch, Beobachtungen hygienetopographisch zu differenzieren, wie es etwa der Reiseschriftsteller Amand von Schweiger-Lerchenfeld (1846–1910) tat: In Rustschuk habe sich das Christenviertel von baufälligen Holzhäusern abgesetzt und sei "eine erfreuliche Ausnahme von dem traditionellen türkischen Schmutz" gewesen. Andere beobachteten eine Übertragung des Schmutzes auf die dort agierenden Personen. Türkische Männer in Belgrad seien, wie der Schriftsteller Theodor von Hallberg-Broich (1768–1862) zu beobachten glaubte, ausnahmslos untätig.39
Dreck in Verbindung mit mutmaßlicher Faulheit und Gleichgültigkeit: Über diese Negativfolie "des Türken" werden Tugend und Fleiß, Ordnung und Sauberkeit als identitätsstiftende Werte des Eigenen konstituiert. Dabei wird eine allgemein gängige Konvention lediglich zitiert. Im Ergebnis erscheinen dann grundlegende symbolische Kodierungen und Aktualisierungen eines überkommenen Orientstereotyps mitsamt verschiedener Bausteine, denn Schmutz wie auch Müßiggang waren übliche Fokussierungen, die nicht erst im 19. Jahrhundert und mitnichten nur in deutschen Orientreiseberichten vorkommen.40 Trotz Ablehnung verschiedener Orte schimmert bei Berichten über andere räumliche Spezifika auch Faszination durch, etwa für Basare und Kaffeehäuser. Regelmäßig fanden sich andere anziehende Orte freilich außerhalb urbaner Räume, was auf den Gegensatz zwischen den multiethnischen Städten und den Gesellschaften des bäuerlichen Umlands deutet. Bürgerliches Reisen hieß ausgeprägte Naturbegeisterung, die das neue Terrain geradezu enthusiastisch zu vermessen versuchte. Paradiesisch anmutende Landschaften schienen als "wilde Orte" die vollkommene Freiheit zu symbolisieren.41 So lautete Moltkes Urteil über die alte bulgarische Hauptstadt Veliko Tarnovo: "Ich habe nie eine romantischere Lage als die dieser Stadt gefunden".42 Der Historiker Heinrich Barth (1821–1865) hingegen empfahl dem Leser "dringend" einen Besuch des Rila-Klosters, den er als berauschendes Erlebnis empfunden hatte.43 Die fruchtbare Natur, etwa in Bosnien oder Makedonien, übte aus Sicht manchen Beobachters Einfluss auf die dort lebenden Völker aus, die als kräftig und gut, vor allem ursprünglich klassifiziert wurden.44 Bei ihren Bemühungen entsprechende "Volkscharaktere" zu definieren45 hoben mehrere Autoren Eigenschaften wie Fleiß, Gutmütigkeit und Gastfreundschaft hervor – jedoch nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die so charakterisierten Menschen irgendwann "wirklich" europäische Kultur annehmen könnten.
Distanzerfahrungen III: Geschlechter(un-)ordnungen
Weiterhin tritt Gender als wichtige Distanzdimension auf. Individuelle Projektionen und Werturteile über Geschlechter- und Familienverhältnisse beim "Anderen" spiegeln stets die wünschenswerten Geschlechterordnungen im "Eigenen". Als "männlich" betrachteten viele Beobachter Tugend, Ehre und Mut, nicht aber, wie geschildert, "Indolenz", Lethargie und Apathie. "Türkische Männer" vermieden laut jenen Beschreibungen unnütze körperliche Anstrengung, seien dem Ackerbau nicht zugetan und beschränkten sich auf den Konsum von Kaffee und Tabak. Eine wichtige Rolle bei den Reisebeschreibungen spielte ferner die Semantik der Kleidung: Neben ihrer materiellen Funktion als Schutz vor Kälte und Verhüllung des Körpers tangiert sie soziale wie sexuelle Dimensionen und ist differenziertes Zeichensystem. Kleidung ist dabei spezifisch codiert, deutet sie doch auf sinnstiftende und mit performativen Potentialen versehene Aspekte. War es bei Männern der Hinweis auf Fezs oder Turban als Kopfbedeckung, wobei letzterer vielen "Türkisches" und somit "Phlegma" repräsentierte, war es bei Frauen der Schleier.46 Der Journalist Siegfried Kapper (1821–1879) überschrieb ein Buchkapitel kaum zufällig mit "Serbische Frauen, türkische Weiber".47 Diese kontrastive Konstruktion sollte bestimmend sein für dessen Inhalt: Schönheit, Fleiß, Manieren, Freundlichkeit, Sauberkeit und Geschicklichkeit bei den Serbinnen stellte der Autor den angeblichen Eigenschaften türkischer Frauen gegenüber, die in unförmigen Säcken verhüllt und dadurch entstellt seien.48
Vorherige Dualismuskonstruktion und anschließende Desillusionierung demaskieren hier den Mythos der orientalisch-attraktiven Frau; das abwertende Bild der "hässlichen Orientalin" samt fehlender Bildung und Nichtstun unterstützte die symbolische Aufwertung der "eigenen" Weiblichkeit.49 Erregung und Enttäuschung lagen hier abermals eng beieinander. Demgegenüber betonten viele Beobachter die Reinheit und Schönheit der balkanchristlichen Landfrauen, die sie als europäischer, moderner und in moralischer Hinsicht überlegen bewerteten. Eine diskursive Europäisierung dieser Frauen ist durchgängig anzutreffen.50 Fleiß, Sauberkeit, "Liebreiz", Anmut und häusliche Einrichtung von Serbinnen und Bulgarinnen seien nah an altdeutschen Gewohnheiten. Deren streng-sittsames Betragen und "Engelsreine",51 wie es der Polizei-Arzt Maximilian Heine (1805/07–1897), Bruder des Dichters Heinrich Heine (1797–1856), akzentuierte, deuten auf die biopolitische Dimension solcher Berichte.52 Dies belegt, dass Sexualität keine Randerscheinung, sondern tragender Bestandteil vieler Texte war. Hier machten auch reisende Frauen keine Ausnahme, im Gegenteil: Während Männer weibliche Schönheit zumeist oberflächlich erotisch konnotierten, weisen die Ausführungen von Frauen detailliertere Beschreibungen über Trachten, Schmuck, Körperbau, Gang oder Frisuren auf. Dieser Feminazentrismus lenkte den Blick stärker auf weibliche Lebenszusammenhänge und rekurriert auf eine höhere Sensibilität hinsichtlich konkreter Frauenfragen53 – allerdings fielen ihre Urteile letztendlich nicht wesentlich anders aus. Die auf einem Markt in Rutschuk beobachteten Musliminnen etwa etikettierte Marie Gräfin zu Erbach-Schönberg (1852–1923) rückblickend in abfälligem Duktus.54 So wurden nur selten Gemeinsamkeiten mit fremder Weiblichkeit identifiziert,55 was besonders mit zwei Gesichtspunkten zusammenhing, die geschlechterübergreifend Faszination auslösen konnten, zumeist jedoch Ablehnung evozierten: Harem und Polygamie. In Ersterem bündelten sich wesentliche Merkmale des imaginären Orients in paradigmatischer Weise. Er war Schauplatz von Freiheit und Gefangenschaft, Macht und Ohnmacht, Ort von Sinnlichkeit und Grausamkeit. Als Objekt intimer "Unordnung" repräsentierte er symptomatisch geschlechtliche Unzucht und stand dem Frauenbild westlich-bürgerlicher Maßstäbe unvereinbar entgegen. Polygamie dagegen sahen viele als Bedrohung für Gesundheit, geschlechtliche Sittlichkeit und den Fortschritt in Gänze;56 Ansichten, für deren Beurteilung bereits Martin Luther (1483–1546) einflussreich Pate stand.57 "Vielweiberei" war somit eindeutiger Abgrenzungspunkt zu der Errungenschaft des Christentums, als die die mutmaßliche Erhebung der Frau zur gleichberechtigten Gefährtin des Mannes galt. Bei aller Neugier und partiell zu entdeckenden Begeisterung der Reisenden: Die "fremde" Frau bedrohte sinnbildlich den Bestand der monogamen Ehe als exklusiv-legitimen Ort für Intimität und Sexualität.58 Angesichts derartiger Ausdeutungen des Intimen klassifizierten viele Reisende den Islam in toto als Religion geschlechtlicher Regellosigkeit, was dessen vehemente Pathologisierung einschloss.
Distanzerfahrungen IV: Temporalisierung und Zukunftsperspektiven
Nicht wenige Reisende signalisierten in ihren Büchern, die Christen des Balkans seien nicht vom Rest Europas abgeschnitten. Entsprechend wurden sie als naiv, aber unverdorben, formbar sowie sittlich und teilweise sogar tugendhafter als westliche Glaubensbrüder und -schwestern beurteilt.59 Im Laufe des Untersuchungszeitraums wurde der osmanische Machteinfluss zusehends schwächer, was auch Auswirkungen auf die Reiseschilderungen haben sollte. Ihr Drang nach Freiheit erweckte gar romantische Gefühle gegenüber den christlichen Völkern ("Urchristen") des Balkans (ganz im Gegensatz übrigens zu institutionellen Akteuren, wie vermeintlich korrumpierten, trinksüchtigen Mönchen),60 was die zunehmende Politisierung vieler Reiseberichte erklärt.61
Interessant ist bei dieser Betonung des Christentums die Zeitwahrnehmung vieler Texte, die nicht nur zwischen Alt und Neu oszillierte, sondern immer wieder auch Zustände von Zeitlosigkeit abbildete.62 Griechenland als "Wiege" des abendländischen Europas und die Wiederentdeckung der Antike waren Stichwortgeber für nostalgische Färbungen und zahlreiche historische Reminiszenzen.63 Die klassische-antike Zeit ließ sich mit Visiten in Attika, Athen, Delphi, Korinth, Pergamon, Sparta, Olympia und anderswo aktualisieren, wodurch Tradiertes und Gegenwärtiges eine Synchronisierung erfuhren.64 Topographie und kulturelles Erbe wurden dabei von einigen Autoren vereinnahmt und in Eigenes transferiert, wobei der Antagonismus zwischen antiken Welten und moderner Wirklichkeit markiert wurde. Strapaziöse Umstände bei der Anreise per Schiff oder Zug sowie ungewohnte klimatische Verhältnisse trugen ihren Teil bei und beförderten die teilweise Entfernung von einem überkommenen Ideal.65 Der Verfall antiker Stätten wurde gänzlich der osmanischen Herrschaft zulasten gelegt, die nur Einöde, Verwüstung und Zerstörung herbeigeführt und sich gar auf die dortige Bevölkerung ausgewirkt hätte.
Heine etwa attestierte "den Griechen" aufgrund ähnlich lautender Beobachtungen schlichtweg Charakterlosigkeit.66 Eine Ausnahme stellte für ihn allein die griechische Frau dar und zwar wegen ihrer idealen Gesichtszüge sowie ihrer inneren "Frauenwürde". So fänden sich selbst "in den ärmsten Hütten noch wahre Töchter der Penelope". Im Zuge der griechischen Befreiungskämpfe spitzten sich in den Berichten frühere Alteritätsvorstellungen zu, wobei demnach die Nachkommen des Perikles (ca. 495 v. Chr.–429 v. Chr.) nun gegen "türkische Barbaren" zu kämpfen schienen.67 Moderne Griechen avancierten zu "klassischen Hellenen" und "alteingesessenen Europäern", die gegen "asiatisch"-unzivilisierte "Fremde" aufbegehrten. Mittels solcher Vergleiche wurde das Bild der nicht-europäischen Osmanenherrschaft wirkungsvoll revitalisiert und stabilisiert. Viele bewunderten auch den serbischen Freiheitsdrang und sahen das Fürstentum als Vormauer Europas gegen die ottomanische Macht. Das jahrhundertelange Zusammenleben ethnischer Gruppierungen und die partielle Integration großer gesellschaftlicher Unterschiede hatte in solchen Narrativen keinen Platz mehr – stattdessen waren Europäisierung und Entorientalisierung leitende diskursive Praxis der Reisedarlegungen, oft gar Argument für eine künftig zu etablierende politische Wirklichkeit. Denn die fortschreitende Abnahme osmanischer Macht weckte Begehrlichkeiten aufseiten der okzidentalen Großmächte.68 Aufgrund divergierender Motive und unterschiedlicher machtpolitischer Konstellationen sahen sich viele Reisende zu politischen Positionierungen veranlasst.69 Solche Parteinahmen sind immer häufiger nachzuweisen und lassen eine mal unterschwellige, mal unverhohlene Prägung durch geostrategische Interessen vermuten, beispielsweise, wenn es darum ging, auf dem Balkan Deutsche anzusiedeln. Derartige Stellungnahmen transportierten bisweilen gar deutlich artikulierte Forderungen, die gen Österreich-Ungarn oder auch Preußen adressiert waren, sich noch mehr für die Lösung akuter Fragen zu engagieren. Diese Texte bewegten sich zwischen Reisebericht, Außenpolitik und öffentlicher Meinung und tendierten unverkennbar dazu, "die Türken" als anachronistisch-unfähige Herrscher zu zeichnen.
Wahrnehmen, Fokussieren und Vergleichen in Reiseberichten über den "Balkan": Resümee und Ausblick
Solche zeitgenössischen Darstellungen und Distanzkonstruktionen sind unmöglich von kolonialen und orientalistischen Interpretationsangeboten zu trennen. Laut Edward Said (1935–2003) stellt der Orient das Gegenbild zum europäischen Westen dar. Jedoch übersah der Literaturtheoretiker die widersprüchliche Vielfalt europäischer Diskurse, weshalb ihm eine einseitige Quellenauslegung vorgeworfen wurde.70 Maria Todorova (geb. 1949) hat im Anschluss an Saids Thesen den "Balkanismus" als Subvariante des Orientalismus vorgeschlagen. In ihrer pointiert-provokanten Studie beklagt sie die Arroganz des Westens gegenüber dem Balkanraum in seiner Gesamtheit und verweist auf die Hartnäckigkeit eingefrorener Vorstellungsbilder. Todorovas Versuch, den Balkan als das Alter Ego Europas und dessen "inneres Anderes" herauszustellen, als "Europas bequemes Vorurteil",71 klingt bei flüchtiger Betrachtung einleuchtend. Und doch greift die bulgarische Historikerin zu kurz: Ja, im Laufe der Zeit, spätestens mit dem Attentat von Sarajevo, verfinsterte sich das Bild, das sich die Außenwelt vom Balkan machte – er galt fortan als "Pulverfass Europas". Symbolische Verfahren und grundlegende Kodierungen hätten sodann zu einer Verengung auf Merkmale wie Rückständigkeit, Irrationalität und Gewalt geführt, die bis weit in die Gegenwart zu reichen schien – Todorova war hier besonders vom Jugoslawienkrieg geprägt.72 Gleichwohl: Derartige teleologisch ausgerichtete Analogiebildungen, scheinbar ungebrochene Persistenzen und vermeintliche Zwangsläufigkeiten sind durchaus problematisch. Die analysierten Reiseberichte zeigen nämlich, dass Todorovas Ansicht gerade für den untersuchten Zeitraum künftig weiter zu differenzieren wäre – gerade auch in interkulturell vergleichender Analyse. So erscheint vieles in den Schilderungen als Steigerung im Sinne einer self-fulfilling-prophecy; der "Balkan" war bei nicht wenigen Reisenden oft nur Ausgangspunkt einer ablehnenden Betrachtung, die sich mit zunehmender Reisedauer bestätigte. Reiseberichte des Untersuchungszeitraums gestatten auf diese Weise Einblicke in zeitgenössische Grenz- und Fremdheitserfahrungen, sie bieten ein weitgespanntes Geflecht aus im- wie expliziten intertextuellen Verweisen und Verfahren des "othering". Prima vista spiegeln diese Quellen klare Imaginierungsgrenzen zwischen Orient und Okzident, Aufklärung und Despotismus, Moderne und Tradition – doch sind es nicht nur binär codierte Kategorisierungs- und Hierarchisierungsraster; hinzu kommen immer wieder auch Akte der Grenzüberschreitung, Transkulturation und die angedeuteten komplexen Ambivalenzen. Trotz aller Vereindeutigungstendenzen: Durchgängig eindeutig waren jene Raumbeschreibungen keineswegs. Zwar dominieren trotz differenzierender Gegenstimmen Kontinuität, Stereotypik und das verbreitete Bedürfnis nach "Ordnung" – doch die erfolgte historische Analyse der eigentümlichen Lust, den Niedergang Osmanischer Herrschaft reisend zu studieren, bringt zahlreiche Nuancierungen zum Vorschein. Berichte über einen liminalen Raum in einer liminalen Zeit: Immer wieder fallen eben nicht bloß einseitig negative Verallgemeinerungen, sondern auch positive Konnotation auf. Die Bewunderung für antikes Erbe, für Freiheitsliebe und die Beharrlichkeit der "edel-wilden" Balkanvölker unter triftigen Bedingungen sind besonders auffällig – aber ebenso die selektive Hochschätzung ausgewählter "typisch orientalischer" Verhaltensweisen. Dieses Inkludieren selektiver, vorher als "fremd" gekennzeichneter Akteure und Gegebenheiten ist ebenso bemerkenswert wie das partielle Aufbrechen scheinbar durchweg ambiguitäts-intoleranter Einschätzungsweisen. Festzuhalten ist damit bei der Herstellung des Raums und als Ergebnis interkultureller Kommunikations- und Transferprozesse ein spannungsreiches Wechselspiel aus Ablehnung und Begeisterung für Landschaft, Sitte, Lebensweise und vermeintliche wie reale kulturelle Differenzen. Diese Mischung aus Zuneigung und Abneigung verschmilzt sodann zu einem widerspruchsvollen Ganzen – ein Befund, der künftig auch für Reiseliteratur in anderen Sprachen zu überprüfen wäre.73
Anhang
Quellen
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Anmerkungen
Der Autor dankt Andrew Lepke.
- ^ Agai, Reise 2010; vgl. Moltke, Halbmond 1979, S. 51 etwa konkret über Bukarest. Ähnliche Bemerkungen finden sich aber passim auch für andere Städte und Gegenden, die er bereist hat. In seinen Aufzeichnungen finden sich sehr viele konkrete geo- und topographische Beschreibungen etwa Konstantinopels, zudem Ausführungen über Lebensweise, Klima, Meteorologie, Feste, Sitten u.v.a.m. Eine besondere Bedeutung nahmen dabei der sozial- und kulturgeschichtliche sowie historiographische Teil ein.
- ^ Sundhaussen, Europa 1999; auch für das Folgende vgl. ebd.
- ^ Vgl. Dejung, Ränder 2016 hier mit Verweis auf Peter Wagner und Bo Strath. Postkolonial und etwa in Anlehnung an Edward Said oder Homi Bhabha gewendet ist gerade der Blick auf Phänomene, Diskurse und Verhandlungen an den Rändern und Grenzen einer Gesellschaft hilfreich, weil es dort zum regen Austausch von Ideen und der ständigen Produktion von Bedeutungen und Interpretationen kommt.
- ^ Rasch verbreitete sich dieser Terminus, doch mindestens genauso dominant waren die Benennungen "Europäische Türkei" und "Südosteuropa". Die genaue Abgrenzung war dabei oft unscharf. Dennoch scheint die Bezeichnung "Balkan" für die folgenden Überlegungen griffiger, da ihn bereits viele reisende Zeitgenossen als feststehenden geographischen Begriff und historisch-kulturelle Region am südöstlichen Rand Europas verstanden, grob durch fünf Meere und den Verlauf der Donau begrenzt. Vgl. dafür Sundhaussen, Europa 1999; Geier, Südosteuropa-Wahrnehmungen 2006; Hösch, Balkanländer 2002.
- ^ Hier in Anlehnung an Turner, Ritual 1989.
- ^ Vgl. etwa Fischer, Reich 1983 sowie Ammann, Spiegel 1989. Dieses Interesse war allerdings nicht neu, sondern teilweise schon in früheren Zeiten nachzuweisen: Zwischen 1480 und 1610 wurden in Europa etwa doppelt so viele Bücher über die Türkei gedruckt, wie über die Entdeckung des amerikanischen Kontinents; mehr als ein Drittel dieser Bücher erschien auf Deutsch. Vgl. Ilg, Reiseberichte 2013.
- ^ Montagu, Briefe 1962.
- ^ Siehe auch die zeitgenössische Reflexion, etwa bei Richter, Zustände 1840.
- ^ So Promitzer, Balkan 2018; grundlegend ist Jezernik, Europa 2016; vgl. daneben Krivokapic, Balkans 2015; Erker-Sonnabend, Fremde 1987; Geier, Südosteuropa-Wahrnehmungen 2006, für die spätere Zeit Golczewski, Balkan 1981. Konkret zu Bulgarien Geier, Bulgarien 2001; George, Balkanbilder 2001; Frahm, Bulgarienreisende 2015.
- ^ Siehe etwa Wittmann, Reisen 1804; Walsh, Reise 1828; populär waren auch die Werke des russophilen Schotten David Urquhart, Geist 1839 sowie Balkan 2008 [1830].
- ^ Vgl. etwa Krabbe, Handbuch 1846; schon zuvor Schmidl, Handbuch 1835.
- ^ Pohlig, Orientalismus 2009, siehe für die Hintergründe zudem nebst anderen Stagl, Leben 2004; Osterhammel, Abschließung 1998, S. 173–184; ferner aus der Fülle an Literatur zum Thema Grothaus, Türkenbild 1983; Fischer, Reise 1983. Für die früheren Jahrhunderte Kammel, Heiden 2001; zur Verbindung aus Wissen und Macht Höfert, Feind 2003, zu Kontinuitäten in der Türken-Wahrnehmung Deringil, Turks 2007.
- ^ Zentral und besonders wirkmächtig waren dabei dessen Überlegungen in den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, bei denen er die Türkei unter das Rubrum "Fremde Völker in Europa" wie folgt umschrieb: "das ungleich größere übel, daß sie die schönsten Länder Europas zu einer Wüste und die einst sinnreichsten griechischen Völker zu treulosen Sklaven, zu liederlichen Barbaren gemacht haben. Wie viele Werke der Kunst sind durch diese Unwissenden zerstört worden! Wie vieles ist durch sie untergegangen, das nie wiederhergestellt werden kann. Ihr Reich ist ein großes Gefängnis für alle Europäer, die darin leben; es wird untergehen, wenn seine Zeit kommt. Denn was sollen Fremdlinge, die noch nach Jahrtausenden asiatische Barbaren sein wollen, was sollen sie in Europa?" Herder, Werke, S. 907. Vorurteile und Unwissen gerade über die südslawische Bevölkerung verbreitete auch Friedrich Hegel oder bereits zuvor Immanuel Kant. Vgl. Geier, Südosteuropa-Wahrnehmungen, S. 134.
- ^ Vgl. als wichtiges zeitgenössisches Beispiel Ranke, Revolution 1829. Siehe ferner Wörsdörfer, Südosteuropa 2008, zum Philhellenismus als "bedeutendstes diskursives Ereignis des deutschen Orientalismus im frühen 19. Jahrhundert" Polaschegg, Orientalismus 2005, S. 231.
- ^ Osterhammel, Wissen 1998; siehe zudem Despoix, Welt 2009.
- ^ Hier und im Folgenden Osterhammel, Entzauberung 1998; grundsätzlich zu erkenntnistheoretischen Problematiken Brenner, Reisebericht 1989. Zur Differenzherstellung in der Reiseliteratur und der Definition des Eigenen für europäische Leser im kolonialen Kontext Pratt, Writing 1992.
- ^ Agai, Reise 2010. Insgesamt wurden als Grundlage für diesen Artikel knapp drei Dutzend deutschsprachige Reiseberichte analysiert, und zwar im Zeitraum 1800 bis 1880, also ganz bewusst vor den bulgarischen Aufständen gegen und die beginnenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und Russland, die noch einmal als Katalysator für das Interesse an diesem Raum zu gelten haben. Die Reisenden sind allesamt dem Bürgertum zuzuordnen. Reisen dienten manchen der Befriedigung von Neugier und Sehnsucht, während andere konkretes wissenschaftliches, militärisches oder wirtschaftliches Interesse geltend machten. So beispielsweise der Göttinger Botaniker Grisebach, Reise 1841; Gleiches gilt für den Königsberger Botaniker Ebel, Tage 1842 oder auch für Friedrichsthal, Reise 1838; mineralogische Interessen verfolgte etwa Fiedler, Reise 1841. Bei einigen Autoren ist die Motivation aber nicht genau zuzuordnen (oder verschwimmt zwischen zivilisationskundicher Wissbegierde, politischem bzw. wissenschaftlichem Interesse, Sehnsucht usw.), etwa beim Rat und Arzt Röser, Tagebuch 1836. Erkoren die einen den Balkan als Reiseziel mit der Absicht aus, ihn aus der terra incognita herauszuholen, ging es anderen darum, das Gebiet – auf dem Weg zu einem anderen Ziel – möglichst schnell zu durchqueren. Sie strebten das Heilige Land, Istanbul und verschiedene Stätten der Antike an. Nur vier der Berichte wurden von Frauen verfasst; dieses Ungleichgewicht spiegelt die geschlechtsspezifische Polarität bürgerlichen Reisens, das noch weitgehend Domäne von Männern war; vgl. dazu Hachtmann, Tourismusgeschichte 2007.
- ^ Der Begriff wurde in Anlehnung an die Ausführungen Jürgen Osterhammels zu Raumbildern und ihren Folgen entwickelt: Er hilft dabei, Mechanismen der Raumperzeption zu dekonstruieren. Siehe Osterhammel, Raumbeziehungen 2000. Der Beitrag tangiert somit verhaltenswissenschaftliche und ethnopsychoanalytische Dimensionen, die wiederum mit den Namen Georges Devereux (Übertragung und Gegenübertragung, Aushandlung von Nähe und Distanz aushandeln, vgl. Angst 1976) oder auch Mario Erdheim (Produktion 1984) verbunden sind.
- ^ Pfeiffer, Reise 1980.
- ^ Stein, Kanitz 2009, S. 67, vol. 1. Im Gegensatz dazu wurde immer wieder auf "öde türkische Viertel" verwiesen. Kanitz galt aufgrund seiner Reisen als "Kolumbus des Balkans"; seine Karten über das Gebiet bescherten ihm 1876 die Goldmedaille auf dem Weltkongress der Geographen. Kanitz' Werk galt für viele Jahrzehnte als maßgebliche Quelle für die Region. Für die folgenden Hinweise siehe auch das Vorwort ebd. Andere erlebten im Bulgarenviertel "eine erfreuliche Ausnahme von dem traditionellen türkischen Schmutz", Schweiger-Lerchenfeld, Halbmonde 1876, S. 23.
- ^ Dejung / Lengwiler, Ränder 2016.
- ^ Hierzu Wörsdorfer, Südosteuropa 2008.
- ^ Vgl. neben vielen anderen etwa Hochstetter, Reise 1871, S. 65–80; 161–180.
- ^ Grundsätzlich zu der wichtigen geopolitischen Frage nach dem Erhalt staatlicher Ordnung und Legitimität von osmanischer Herrschaft Polaschegg, Orientalismus 2005.
- ^ "Kein ruhig beobachtender Wanderer dürfte das Ostland Europas oder das Westland Asiens betreten können, ohne von dem tiefen Mitleid durchdrungen, ohne endlich von brennenden Unmuth erfaßt zu werden, wenn er viele Strecken des fruchtbarsten Bodens in menschenleere Einöden verwandelt, wenn er Städte, deren Glanz und Reichthum ehedem hoch gepriesen wurde, gegenwärtig zu elenden Dörfern herabgesunken vor sich sieht." Wutzer, Reise 1861, S. 359.
- ^ Agai, Reise.
- ^ Hahn, Reise 1861.
- ^ Hackländer, Reise 1842, S. 27.
- ^ Gugomos, Reise 1812, S. 45.
- ^ So besonders deutlich bei Schweiger-Lerchenfeld: "Es gibt nur zwei Wege: entweder der Islam lässt sich im Geiste der abendländischen Culturarbeit modificiren, oder er muss als staatlicher Factor mit all seiner dogmatischen Präpotenz zu existiren aufhören." Schweiger-Lerchenfeld, Halbmonde 1876, S. 144.
- ^ Vgl. Fischer, Reich 1983.
- ^ Vgl. beispielsweise Hackländer: Trotz Armut, so bemerkte er, "reist man nirgends so sicher wie hier", seien Raub und Mord nur kaum zu befürchten. Hackländer, Reise 1842, S. 56; Gastfreundschaft, Treue und Redlichkeit in Geschäften, das gute Verhältnis zwischen Älteren und Jüngeren und die verbreitete Gelehrsamkeit hielt etwa Raczynski, Reisen 1925, fest. Andere schätzten – bei aller Despotie – die Zuverlässigkeit: Wutzer, Reise 1861, S. 267; auch Schweiger-Lerchenfeld hob die notorische Ehrlichkeit der "Mohammedaner" und nur selten anzutreffenden Diebstahl hervor: Schweiger-Lerchenfeld, Halbmonde 1876, S. 73. Andere waren noch offensiver: Janos von Csaplovics (1780–1847) wollte die Meinung seiner Zeitgenossen sogar aktiv korrigieren. "[Der Reisende, CL] sieht im Geiste, wie der Türk seinen Handschar (ein langes Gürtelmesser) schärft, um den Hals des unter seinen Füssen wimmernden und zitternden Christen abzusägen, und hört ihn zu seiner Beute höhnisch sprechen: Neboj se, neboj se, taki che biti (Fürchte Dich nicht, es ist gleich vorbei!). Solche Anekdötchen pflegt man sich von den Türken zu erzählen. … Aber so blutgierig, so tiegerherzig ist [der Türke, CL] wahrlich nicht, wie man sich ihn denkt. Er raubt nicht, er plündert nicht." Csaplovics, Beitrag 1819, S. 369.
- ^ So Kapper, Wanderungen 1850 oder auch Pirch, Reise 1830; andere sahen in Belgrad ebenfalls die Grenze des zivilisierten Europas: Koch, Wanderungen 1846, S. 25.
- ^ Krickel, Fußreise 1830, S. 224. Vgl. zur Erstberührung mit dem "Fremden" auch die Schilderungen von Janos Csapolvics: "Wer zum ersten Male am linken Ufer der Save steht, und nach Bosnien hinüber blickt, in dessen Brust regen sich die sonderbarsten Empfindungen. Alles, was er je von Türken Schauerliches gehört oder auch gelesen hat, beschäftigt seine Phantasie. Die verzerrtesten Bilder der türkischen Rohheit und wilder Unbändigkeit schweben ihm lebhaft vor." Csaplovics, Beitrag 1819, S. 369.
- ^ Harnisch, Harem 1998.
- ^ "denn das freundliche Bild, das Widdin, und besonders seine 25 schlanken Minareh's und die imposante Festung hervorriefen, zerfloß allmählig in der elenden Wirklichkeit. Die Menschen mit ihren Lumpen harmonirten mit ihrer elenden Umgebung". Koch, Wanderungen 1846, S. 19; vgl. auch die Schilderungen bei Belli, Reise 1846.
- ^ Dass solche Beschreibungen indes eine große Reichweite hatten, zeigt die Aufzeichnung des Geologen Franz Toula, wonach Vidin einen besseren Eindruck gemacht habe, als erwartet, hatte er doch – vermutlich nach entsprechender Lektüre anderer Reiseberichte, "eben gar fürchterliche Vorstellungen mitgebracht". Toula, Reise 1876, S. 27. Vgl. auch Hackländer, der für Rustschuk festhielt: "ein ordentlicher deutscher Ochse würde sich geweigert haben, in diese Schmutzlöcher zu kriechen"; für dieselbe Stadt sowie Rasgrad fragte er polemisch: "Welches Leben könnte sich hier entwickeln, in reizender Gegend, auf dem fruchtbarsten Boden, wollte der Türke seine gränzenlose Faulheit ablegen und sich aus dem Schmutz, in der er versunken, erheben". Hackländer, Reise 1842, S. 44; 56. Der Vergleich mit Tierställen war dabei keine Seltenheit. Koch etwa formulierte mit Blick auf bulgarische Dörfer, die ihn an "Termitenhügel" erinnernte: "Man traut kaum seinen Sinnen, wenn man statt Thiere, Menschen aus diesen elenden Löchern hervorkriechen sieht. Unsere Viehställe mancher Bauern würden dagegen den Wallachen für Paläste gelten." Koch, Wanderungen 1846, S. 100. Was die Desillusionierung durch zunehmende Nähe betrifft, äußerte sich etwa der Arzt Harald Bagge in ähnlicher Weise zu Kazanlak: "Es ist ein hübsch gelegenes Städtchen, welches aber, wie alle orientalischen Orte, nur von außen und aus einer größeren Entfernung gesehn, schön erscheint"; Bagge, Reise 1847, S. 27.
- ^ Vgl. Harnisch, Harem 1998.
- ^ "Türkische Männer … sitzen umher, sehen sich an, rauchen, schweigen und schlafen. Ganz nach den türkischen Gewohnheiten leben diese Klötze, bis der ewige Schlaf ihrem wertlosen Leben ein Ende macht." Hallberg-Broich, Reise 1838, S. 94; andere glaubten ebenda schlicht "nichtsnutzige Türken" zu beobachten: Koch, Wanderungen 1846, S. 53. Schweiger-Lerchenfeld hingegen meinte "kef-liebende Moslims, die notorischen Fanatiker der Ruhe und des Schmutzes" beobachten zu können. Schweiger-Lerchenfeld, Halbmonde 1876, S. 6. An anderer Stelle schrieb er gar von der "Indolenz und Faulheit der gesammten osmanischen Race" (S. 135), die aus seiner Sicht nebst moralischer Verkommenheit den desolaten Zustand des Osmanischen Reiches erkläre. Wiederum an einer weiteren Stelle generalisierte derselbe Autor seine Beobachtungen wie folgt: "Im Kef-machen sind sich alle Islamiten gleich, der indolente fanatisch Mittelasiate, der lebhafte Araber, der behäbige Türke, der unstäte Kurde und der handelssüchtige Tscherkesse, wie der stumpfsinnige Tartar, der gewaltthätige Arnaute und der herrschsüchtige Bosnier." (ebd. S. 143) Laut Heinrich Barth sei "der Osmane" "in allen Zweigen des Lebens gewaltig zurück und in Nichtsthun und Indulenz versunken". Barth, Reise 1864, S. 6f. Daher müssten sich laut dessen Auffassung Europäer ansiedeln und Gewerbe treiben, da ansonsten das fruchtbare Land ungenutzt bliebe.
- ^ Harnisch, Harem 1998.
- ^ Zu dieser Art der Faszination Pataki, Reisen 2010.
- ^ Moltke, Briefe, S. 137.
- ^ Barth, Reise 1864, S. 89; vgl. dazu auch die Beschreibungen bei Heine, Bilder 1833.
- ^ Für Schweiger-Lerchenfeld gab es kein Gebiet der europäischen Türkei von ähnlicher "Großartigkeit", was wohl auch daran lag, dass er dort ein christliches Bollwerk gegen den Islam zu erkennen glaubte. Schweiger-Lerchenfeld, Halbmonde 1876, S. 48.
- ^ Was selbstverständlich keineswegs nur für deutsche AutorInnen zutraf, siehe etwa Boué, Türkei 1889.
- ^ Zur Unterscheidung von Turban und Fez sowie der entsprechenden kulturellen Aufladung Chrismar, Skizzen 1834; Richter, Zustände 1840 u.a.m.
- ^ Hier bezeichnet er die serbischen Frauen in auffälliger Abgrenzung als "fein, freundlich, ja so gewählt in ihrem Thun und Lassen"; Kapper, Wanderungen 1851, S. 303. Vgl. zum Thema Kleidung und kulturelle Differenz: Aust, Dress and Cultural Difference 2019.
- ^ Das "garstige … und abscheuliche … Aussehen" der verschleierten Frauen führte Kapper dazu, ihnen nachzustellen, um einen Blick auf ihre Gesichter zu erheischen – was auch gelang, doch in große Ernüchterung mündete: "alte verwelkte Züge, abgelebte Mohrinnen mit grellweißen Zähnen und abscheulich gelben Händen, weiße Gesichter, entweder alt und furchig, oder, wenn auch jung, so doch früh verblüht". Kapper, Wanderungen 1851, S. 304.
- ^ Siehe Harnisch, Harem 1998.
- ^ Siehe auch die Befunde bei Rokai, Woman 2017.
- ^ Heine, Bilder 1833, S. 140f.
- ^ Siehe etwa neben vielen anderen auch Felix Kanitz. Er beschrieb die bulgarische Frau "als beste und geschicklichste Helferin des Mannes". Stein, Kanitz 2009, S. 220, vol. 1.
- ^ Jehle, Pfeiffer 1995; siehe auch Scheitler, Gattung 1999.
- ^ Sie sprach von "schmutzige[n] Türkenweiber[n] mit blaugemalten Zähnen und orangefarbenen Nägeln". Erbach-Schönberg, Reise 1916, S. 16. Siehe grundsätzlich zu diesen Differenzierungen Jezernik, Europa 2016.
- ^ Paul, Reiseschriftstellerinnen 2013.
- ^ Harnisch, Harem 1998; besonders drastisch angeklagt etwa bei Roth, Betrachtungen 1846. Dabei handelte es sich um die deutsche Übersetzung eines Werks des Franzosen Jerome Adolphe Blanqui; vgl. auch die Forderungen bei Hahn, Reise 1861. Ausnahmen von dieser Deutung gab es nur wenige. Csapolvics etwa wies mittels Koranauszügen darauf hin, dass "Vielweiberei" nicht so verbreitet gewesen sei, wie allgemein geglaubt und behauptet; lediglich in vermögenden Kreisen sei dies anzutreffen: "Denn arme Leute kochen auch dort nur mit Wasser …, wie bei uns." Csaplovics, Beitrag 1819, S. 374.
- ^ Vgl. bspw. Wutzer, Reise 1861, S. 275.
- ^ Harnisch, Harem 1998.
- ^ U.a. bei Wutzer, Reise 1861, S. 349, der auf die unvergleichliche Ehrenhaftigkeit und den Fleiß der bulgarischen Landbevölkerung einging.
- ^ Siehe etwa in seinen Schilderungen zu Varna Heine, Bilder 1833, S. 126; 129; vgl. aber auch die entsprechenden Passagen bei Hallberg-Broich, der Geistliche und Kirchen als zerrissen und zerlumpt beschreibt, während Schweiger-Lerchenfeld Stellenschacher, "Popen-Wirtschaft" und Analphabetismus akzentuierte: Schweiger-Lerchenfeld, Halbmonde 1876, S. 116.
- ^ Diese Beobachtung trifft auch auf viele sonstige Abhandlungen zu, die keine Reiseberichte waren. Siehe etwa Roth, Betrachtungen 1846; vgl. auch – auf Faszination und Unsicherheit bezüglich religiöser Gegensätze eingehend – Lejean, Ethnographie 1861; Rasch, Völker 1867; Rasch, Türken 1873.
- ^ Vgl. Wörsdorfer, Südosteuropa 2008.
- ^ Hier kann nur kurz auf die Bedeutung der Antike für die Humanisten der Zeit generell verwiesen werden, die die Perzeption und moralische Bewertung grundlegend mitgeprägt hat.
- ^ Vgl. etwa Prokesch von Osten, Denkwürdigkeiten 1836.
- ^ Polaschegg, Orientalismus 2005. Zu Strapazen auch in anderen Regionen, die sich etwa mit der Übernachtung und Verpflegung verbanden, äußerte Moltke zur Walachei: "Das Schlimmste für den europäischen Reisenden in diesen Ländern ist der gänzliche Mangel an Gasthöfen. Wenn man hungrig und durstig, durchnäßt und halb erstarrt abends in eine Stadt kommt, so findet man für Geld weder eine warme Stube noch ein Bett noch ein Abendessen". Moltke, Halbmond 1979, S. 56.
- ^ "die klassischen Tugenden der alten Hellenen sind untergegangen, und nur die klassischen Laster haben sich bei dieser neugriechischen Missgeburt erhalten", Heine, Bilder 1833, S. 109; siehe auch Raczynski, Reisen 1825; Verfall und Chaos dokumentierte u.a. auch Fiedler, Reise 1841.
- ^ Hier und im Folgenden Grandits, "Europäisierung" 2010.
- ^ Hierfür Matuz, Reich 2012.
- ^ Der Posener Schuldirektor Wilhelm Brennecke prophezeite etwa, "die geistige Pest, die Türkenherrschaft" sei unausweichlich dem Ende geweiht. Brennecke, Länder 1868, S. 21.
- ^ Zusammenfassend Wiedemann, Orientalismus 2012.
- ^ Todorova, Imagining 1997.
- ^ Über die Fortwirkung bestimmter Bilder in jenen Jahren und die geopolitischen Folgen Sundhaussen, Jugoslawien, S. 407f.
- ^ Vgl. neben Jezernik, Europa 2016 auch Bracewell, Balkan 2011.
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