Die Rolle der medizinischen Humanisten im Kulturtransfer Antike-Renaissance am Beispiel der frühen Pädiatrie und Geriatrie@Medizinische Humanisten@(VE)@freigabe
Originalbeitrag
Humanismus und Medizin – eine verspätete und vielschichtige Annäherung
Die frühhumanistische Bewegung grenzte sich im 14. und teilweise auch noch im 15. Jahrhundert deutlich von einer Heilkunde ab, die im Besonderen von der scholastischen Methode, von Aristotelismus und Nominalismus geprägt war und dem Leitbild der studia humanitatis in keiner Weise entsprach.1 Francesco Petrarcas (1304–1374) literarische Angriffe gegen einen unbenannten Arzt (Invectiva contra medicum, 1367) und der inneruniversitär, aber auch von Humanisten geführte Prioritätenstreit zwischen den Fakultäten (disputà delle arti;2 etwa bei Coluccio Salutatis (1331–1406), De nobilitate legum et medicinae, 1399) zeigen deutlich die Verachtung gegenüber einer ars mechanica, die sich nicht um den Geist, sondern nur um den Körper bemühe und sich in Forschung und Lehre überwiegend auf in "barbarisches" Latein übersetzte Kompilationen islamischer Gelehrter (Avicenna (980–1037), Averroës (1126–1198) etc.) stützte, anstatt die griechischen und lateinischen "Originale" zu studieren. So kam es erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einem deutlichen Interesse nicht-medizinischer Humanisten an Aristoteles (384–322 v.Chr.) und Galen (129–199)[],3 und umgekehrt pflegte nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe zunächst norditalienischer Ärzte (siehe unten) die Kenntnis der antiken Sprachen und Quellen. Korrespondierend dazu blieb beispielsweise bis weit ins 16. Jahrhundert die mittelalterliche Anatomie des Mondino de' Luzzi (1270–1326) im Kommentar Berengarios da Carpi (1466–1530) aus dem Jahr 1521 – neben der wiederentdeckten Anatomie Galens und der als "kopernikanische Wende in der Medizin" apostrophierten Fabrica4 (1543) Andreas Vesals (1515–1564)[] – in Neudrucken weit verbreitet.5 Auch der Arabismus konnte beispielsweise durch mindestens 49 (sprachlich erst allmählich modernisierte) Avicenna-Ausgaben zwischen 1500 und 1604 weiter dominieren,6 insbesondere im Bereich der Materia medica7 und der medizinischen Praktik. Insofern stellt sich die berechtigte Frage, ob und inwieweit der Humanismus die frühneuzeitliche Medizin faktisch überhaupt prägte.
In vielen Bereichen der Heilkunde lässt sich ohnehin ein fließender Übergang vom Mittelalter zur Renaissance erkennen: Michael Scotus (ca. 1190–ca. 1235) und Taddeo Alderotti (1223–1303) begründeten im Bologna des 13. Jahrhunderts (vielleicht nach juristischem Vorbild)8 eine neue Fachprosa, die in der Renaissance weit verbreitete Consilia-Literatur, in der konkrete Fallbeschreibungen zu einer Nivellierung zwischen "öffentlichem" und "privatem" Wissen beitrugen.9 Obduktionen menschlicher Leichen führten im frühen 14. Jahrhundert zu Mondinos Anatomie, die hinsichtlich Methodik und Darstellung "mittelalterlich" wirkt, aber die Sektion als neue praktische Disziplin in die Heilkunde einführte und damit Vesals Entdeckungen vorbereitete. Alchemie und Astrologie sind zwei weitere Beispiele mehr oder weniger kontinuierlicher Wissenstraditionen. Vom 11. zum 16. Jahrhundert lässt sich innerhalb der Medizin ein sukzessiver Übergang von indirekter (arabistischer) zur direkten Rezeption der Antike erkennen.
Ungeachtet dieser größeren Zusammenhänge muss natürlich die Zäsur, die die protophilologische Arbeit der Humanisten hervorbrachte, auch für den Bereich der Medizin gewürdigt werden. Allerdings waren es zunächst Nicht-Mediziner, die medizinische Themen humanistisch "aufbereiteten" (so etwa Giannozzo Manetti (1396–1459) über den menschlichen Körperbau in De dignitate et excellentia hominis, lib. I (1452); nach Marcus Tullius Ciceros (106–43 v.Chr.) Vorbild),10 während Ärzte wie Heinrich Steinhöwel (1412–1480) oder Hartmann Schedel (1440–1514) neben ihrer traditionellen Praxis frühhumanistische nicht-medizinische Texte durch Übersetzung und Druck popularisierten11 oder Kollegen wie Alessandro Benedetti (ca. 1445–1512) ihre heilkundlichen Werke in ciceronianisch-klassischem Stil schrieben.12 Ähnlich wie Marsilio Ficino (1433–1499, s.u.) kann auch Giorgio Valla (ca. 1447–1500) nur hinsichtlich seiner Ausbildung als Arzt gelten; er wandte sich womöglich als Erster neu entdeckten medizinischen Handschriften zu, lernte Griechisch und übersetzte mehrere Werke Galens (beginnend mit De sectis, gedruckt 1483/1484). Weitere häufig genannte medizinische Humanisten waren Niccolò Leoniceno (1428–1524), der im Jahr 1500 mit Methodus medendi den ersten Galen-Text in Griechisch veröffentlichen ließ,13 und Lorenzo Lorenzano (ca. 1450–1502); als erste Ärzte nördlich der Alpen brachten Wilhelm Kop (1471–1532, auch Copus genannt) und Thomas Linacre (ca. 1460–1524) lateinische Galen-Übertragungen in Druck. Allerdings wurden durch diese "frühen" Neuübersetzungen kaum neue Texte bekannt, sondern lediglich mittelalterliche Translationen aus dem Arabischen, die allerdings längst nicht überall verbreitet waren, mit Hilfe griechischer Handschriften verbessert oder ersetzt.14 Erst 1525 erschien mit der Aldina eine erste griechische Ausgabe der meisten Werke Galens, ein Jahr später derjenigen des Hippokrates (460–370 v.Chr.). Doch nur wenige Ärzte beherrschten tatsächlich Griechisch, wie auch Hinweise auf den Benutzungsgrad der entsprechenden Frühdrucke verraten. Viel wichtiger waren neue lateinische Übersetzungen.15 Allerdings scheint bereits seit 1530 das Interesse an Texten nicht zeitgenössischer Autoren allgemein rasch nachgelassen zu haben;16 symptomatisch für den relativ kleinen und rasch schrumpfenden Markt ist der Abbruch der griechischen Aldina-Ausgabe des Aetios (ca. 502–550) im Jahr 1534.17
Auch wenn arabistische sowie viele praxisorientierte Texte (Pestregimina, diätetische Schriften von teilweise mittelalterlicher Herkunft) das medizinische Publikationswesen im 16. Jahrhundert quantitativ klar dominierten,18 veränderten die humanistischen Frühdrucke die Heilkunde nachhaltig: Während Galen und Hippokrates mindestens bis zu den ersten lateinischen Opera omnia (1490) und trotz der mittelalterlichen Übersetzung vieler ihrer Schriften meist nur mittelbar über die islamischen Kompilationen rezipiert und im 15. Jahrhundert gar von Plinius dem Älteren (23–79) in den Schatten gestellt wurden,19 stiegen die beiden "Väter" bzw. "Fürsten" der Ärzte20 nach 1525 zu den entscheidenden Autoritäten auf; die Welle des Galenismus und (mit Ende des 16. Jahrhunderts) des Hippokratismus erreichte jetzt erst ihren Höhepunkt. Dies führte neben einer Hinwendung zu neuen Fachprosa-Textsorten (z.B. Briefe, Aphorismen)21 auch zu konkreten Veränderungen der medizinischen Praxis, beispielsweise beim Aderlass,22 in Chirurgie23 und Geburtshilfe24 oder hinsichtlich der Uroskopie (Harnschau), die im Mittelalter überbetont und nun zunehmend kritisch gesehen wurde.25
Weitere "Themen" des medizinischen Humanismus können hier nur erwähnt werden: neue Verbindungen zwischen Anatomie und Kunst26 sowie poetischer Mythologisierung und Medizin;27 die pädagogischen Bemühungen des Humanismus, die beispielsweise in Wittenberg, Wien (1554),28 Heidelberg (1558)29 oder Tübingen auch zu einer Reform der Medizinstudien führten;30 der Drang zur emulatio der Antike jenseits der rein philologischen imitatio. Dieser führte Gerhard Baader zufolge nach den Phasen starrer Wortinterpretation – z.B. bei Johann Winter von Andernach (1505–1574) und Jacques Dubois (1478–1555) – und der Erkenntnis von Fehlern (Andreas Vesal) zu einer dritten Stufe, der versuchsweisen Erweiterung der historisch-philologischen Methode um naturwissenschaftliche Erkenntnis (François Rabelais, ca. 1490–1553)31 und Methodik (insbesondere in Anatomie und Botanik). Entsprechend erweiterte sich auch der bisherige Fächerkanon: Monographische Erstdarstellungen von Epidemiologie und medizinischer Meteorologie (Guilleaume de Baillou, 1538–1616) sowie Dermatologie, Kosmetik und Gymnastik (Girolamo Mercuriale, 1530–1606) nutzten antike Texte als Basis für neue (zunächst nur literarische bzw. historisierende) Disziplinen.32 Ausgehend von einschlägigen Schriften der Antike wurde auch die ärztliche Deontologie (Pflichtenlehre) von Gabriele Zerbi (1445–1505) (De cautelis medicorum, 1495) bis Roderigo de Castro (1546–1627) (Medicus politicus, 1614) zu einem wichtigen Thema medizinischer Literatur.33 Und noch zwei weitere Fachgebiete traten nicht zuletzt durch Erstveröffentlichungen medizinischer Humanisten in das Licht der Öffentlichkeit: die Kinder- und Altersheilkunde. Ihre unterschiedliche Präsentation und Entwicklung angesichts verschiedener Publikumsinteressen soll im Folgenden in direktem Vergleich dargestellt und Rückbezüge zu den dargestellten Leitthemen des medizinischen Humanismus vorgenommen werden.
Humanistische Protopädiatrie und -geriatrie? Ein Vergleich
Die Entwicklung medizinischer Subdisziplinen ereignete sich überwiegend in der Moderne: Zwar agierten Chirurgie und Geburtshilfe (mit großen regionalen Unterschieden) über lange Zeit weitgehend separat von der Universitätsmedizin, doch Psychiatrie, Gynäkologie, HNO- und Augenheilkunde trennten sich erst im fortgeschrittenen 19. Jahrhundert institutionell vom medizinisch-chirurgischen Kernbereich. Besonders spät entwickelten sich Pädiatrie und Geriatrie (deren Fachbezeichnungen erst 1722 bzw. 1909 entstanden!)34 zu separaten Disziplinen; eine fachliche Differenzierung nach Lebensaltern (und nicht nach Tätigkeiten, Organsystemen oder Leiden) wurde lange Zeit nicht akzeptiert, auch weil man die Relevanz von deren besonderen körperlichen und seelischen Eigenschaften nicht genügend erkannte.
Trotzdem enthält die europäische Medizin seit ihren schriftlichen Anfängen Hinweise auf und besondere Fachprosa für Kinder und alte Menschen, allerdings in unterschiedlicher, vielleicht sogar kulturgeschichtlich charakteristischer Ausprägung: Dem altgriechischen Jugendkult stünde dann plakativ die römisch-patriarchalische Gerontokratie gegenüber. Vielleicht ist es aber auch nur dem Zufall der Überlieferung geschuldet, dass (kleine) Kinder vor allem in besonderen hippokratischen Schriften Erwähnung finden, während sie bei Galen nur verstreut, allerdings an zahlreichen Stellen in Erscheinung treten und bei seinem Zeitgenossen Soranos von Ephesus (2. Jahrhundert n.Chr.) ausschließlich im Kontext der Geburtsmedizin.35 Ein cum grano salis umgekehrter Befund kennzeichnet die Altersheilkunde: Sie wird in zwei Schriften Galens (De sanitate tuenda, De marasmo) ausführlich thematisiert, während die hippokratischen Schriften sich eher sporadisch dazu äußern.36 Verstreute Hinweise finden sich für beide zukünftige Disziplinen bei Aristoteles, Aulus Cornelius Celsus (45 v.Chr.–25 n.Chr.) und spätantiken Schriftstellern.37 Islamische Autoren, und besonders Avicenna, systematisierten pathophysiologische und diätetische Hinweise für alle Lebensalter in eigenen Kapiteln ihrer medizinischen Übersichtswerke (Regimina aetatum);38 bereits Rhazes (Muḥammad Ibn-Zakarīyā ar Rāzī, 865–925) ging in seinem Liber ad Almansorem auf die Neugeborenen ein und verfasste darüber hinaus einen Traktat über Infektionskrankheiten sowie eine erste kurze monographische Zusammenstellung von 24 (Klein-)Kinderkrankheiten (De curis puerorum).39
Eine eigene fachliterarische Tradition für die Protogerontologie bildete im 13. Jahrhundert der Roger Bacon (1214–1292) zugeschriebene Traktat De retardatione accidentium senectutis und dessen um 1300 erfolgte Bearbeitung durch den Arzt Arnald von Villanova (1235–1312) De conservanda juventute et retardanda senectute, von denen vor allem letztere Schrift in der Frühen Neuzeit mehrfach ediert und übersetzt wurde.40 (Ps.-)Bacon und Arnald rezipieren darin fast ausschließlich islamische Quellen und (Ps.-)Aristoteles mit einer gewissen Neigung zur Alchemie im Kontext spekulativer Lebensverlängerung, Altersprävention und -therapie; daneben wird aber auch hier die Diätetik, eine richtige Lebensweise zum Erreichen eines hohen Alters, empfohlen.41
Von all diesen Texten waren im lateinischen Spätmittelalter zwar die meisten bekannt und latinisiert, die Spezialtexte jedoch nur in einzelnen Handschriften: Galens De sanitate tuenda wurde möglicherweise vollständig erst von Niccolò da Reggio (um 1300) übersetzt,42 der auch De marasmo übertrug.43 Die hippokratischen Aphorismen mit ihren wichtigen Hinweisen auf Kinder- und Greisenkrankheiten waren dagegen in der weit verbreiteten lateinischen Articella-Kompilation44 enthalten. Auch die Hauptwerke von Avicenna und Rhazes können als in lateinischen Handschriften weit verbreitet gelten und wurden früh gedruckt.45 Humanistische Editionen der beiden Galenschriften über das Alter erschienen dagegen erst im frühen 16. Jahrhundert.46
Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, wie früh medizinische Autoren der Renaissance spezifische Schriften für Lebensalter in Angriff nahmen. Bezüglich der Protopädiatrie bot sich aufgrund der Überlieferung ein diätetischer (Regimen-Literatur) und/oder pathologisch-therapeutischer Fokus an (insbesondere aufgrund der erwähnten Rhazes-Monographie De curis puerorum). Ersterer deutete sich bereits im Jahr 1455 an: Zu dieser Zeit schrieb Johann Kettner, Apotheker und späterer Leibarzt des Grafen Ulrich V. von Württemberg (1413–1480), aus Avignon an den humanistischen Augsburger Kollegen Ulrich Ilsung, er plane die Abfassung einer Abhandlung über die Lebensführung kleiner Kinder, De infantium regimine. Kettner kritisierte die unzureichende Versorgung der Neugeborenen durch Hebammen und wollte mit seinem Opus Abhilfe schaffen.47 Wir wissen nicht, ob De infantium regimine jemals verfasst wurde; da der Text weder handschriftlich noch als Wiegendruck überliefert ist, wird es wahrscheinlich bei Kettners Ankündigung geblieben sein.48
Die erste gedruckte49 Monographie zu Kinderkrankheiten, das Opusculum de egritudinibus et remediis infantium von Paolo Bagellardi (gest. 1492), erschien bereits 1472 und ist damit der erste medizinische Druck überhaupt, dessen Text von einem Zeitgenossen und nicht einer Autorität der Vergangenheit verfasst wurde.50 Der kurze erste Teil enthält ein Säuglings-Regimen; ein längerer zweiter behandelt in 22 Kapiteln die Kinderkrankheiten. Darin bezieht sich der Paduaner Professor der Philosophie und Medizin vor allem auf die entsprechende Schrift von Rhazes, die er aus Handschriften gekannt haben muss, denn Drucke von dessen Werken gab es noch nicht. Bagellardi, über den kaum etwas bekannt ist,51 gehörte wohl nicht zum engeren Kreis der Humanisten, so dass über seine Motive, eine kinderheilkundliche Schrift in den Druck zu geben, nur spekuliert werden kann. Seine Widmungsadresse an den Dogen Niccolò Tron (1399–1473) erwähnt zwar Cicero und Titus Livius (59 v.Chr.–17 n.Chr.); doch im Haupttext folgt wenig elegante Fachprosa mit einer Fülle von Zitaten arabischer, seltener auch griechischer Autoren, in die Rezepte und gelegentlich eigene Beobachtungen eingestreut sind. Auffällig ist, dass unter den drei folgenden Auflagen des Opusculum eine volkssprachliche (italienische) von 1486 ist, die ausdrücklich auch für Frauen bestimmt ist.52
Von vornherein volkssprachlich53 verfasste der Augsburger Bartholomäus Metlinger (ca. 1440–1491) sein "Kinderbüchlein"54 (ab der zweiten Auflage: Ein regiment der kinder),55 wobei er weitgehend eigenständig die überlieferten Quellen kompilierte.56 Metlinger gibt bereits Galen und Hippokrates als Hauptquellen an, benutzt aber ebenfalls de facto meistens islamische Autoren.57 Bemerkenswert ist in seiner Schrift auch ein zusätzliches (viertes) Kapitel über die Erziehung der Kinder; aber darin bereits einen pädagogischen Impetus des (späteren) Humanismus zu erkennen, verbietet sich, denn die Hauptquelle ist auch hier (abgesehen von zwei Exempla des Valerius Maximus) – Avicenna!58
Es ist hier nicht möglich, die über 40 weiteren Abhandlungen zur Kinderheilkunde bis 1600 nebst Nachdrucken und Bearbeitungen anzusprechen; über ein Drittel von ihnen wurde in Volkssprachen verfasst, was auf ihre besondere Orientierung an der ärztlichen Praxis59 und außerdem auf ein Publikum von nicht studierten Heilberuflern und medizinischen Laien hinweist.60 Lediglich zwei Beispiele sollen die weitere Entwicklung etwas charakterisieren: Nach einer Pause von etwa 50 Jahren (1485–1535), in die u.a. das Erscheinen der antiken Originalquellen bzw. Neuübersetzungen fällt, kommen neue protopädiatrische Texte in den Druck, beispielsweise von Michelangelo Biondo (1497–ca. 1565). In elegantem Latein verfasst, zitiert bereits die Vorrede von De affectibus infantium et puerorum (1539) aus Plinius;61 doch die nachfolgende knappe Besprechung von 24 Kinderkrankheiten spiegelt weiterhin die bekannte Auswahl des Rhazes-Textes. Aufschlussreicher ist demgegenüber die Bearbeitung eines älteren umfangreichen Traktats De egritudinum infantium (um 1484) von Cornelis Roelans (1450–1525) durch den Colmarer Arzt Sebastianus Austrius (gest. ca. 1550) aus dem Jahr 1540;62 hier werden den islamischen und spätmittelalterlichen Quellen Roelans dezidiert die hippokratischen Aphorismen zum Kindesalter in freier Übertragung vorgeschaltet. Das Widmungsschreiben äußert außerdem topische Kritik an Roelans' Werk: Es sei zwar
recht gelehrt, aber so voll von Lehren Avicennas und des Razes, dass es von Fehlern wimmle, von ungebräuchlichen Bezeichnungen für Krankheiten und Arzneimittel, dass man damit keinem kranken Kind helfen könne … Dies sei … in der Zusammenfassung im Buch des Cornelius unter barbarischem Schmutz verschüttet und abgestorben, hier aber wahrheitsliebend zu neuem Leben erweckt worden.63
Trotzdem blieb Roelans' arabistische Abfolge von 52 Kinderkrankheiten vollständig erhalten; Austrius versuchte sie lediglich mit hippokratischen, celsischen, galenischen etc. Bezeichnungen zu harmonisieren und den Inhalt der Kapitel durch Weglassen zahlreicher Rezepte zu verschlanken.64
Wie sah demgegenüber die Rezeption der Antike bei den protogeriatrischen Schriften der Renaissance aus? Etwas später als in der Pädiatrie, nämlich erst 1489, erschien als erster disziplinspezifischer Druck die umfangreiche Gerentocomia [sic!] des römischen Medizinprofessors Gabriele Zerbi, der bereits als Verfasser eines deontologischen Werks (De cautelis medicorum, 1495) Erwähnung fand; sein anatomisches Werk (Liber anathomiae corporis humani, 1502) charakterisiert ihn als wichtiges Bindeglied zwischen Mondino und Vesal, auch wenn er darin weitgehend scholastisch aufbereitetes Wissen des Spätmittelalters präsentiert.65 Demgegenüber weist sein Werk über Altersfürsorge, mit dem er sich dem alternden Papst Innozenz VIII. (1432–1492) empfahl, ausgesprochen "moderne" Züge auf, die es über mittelalterliche Fachprosa weit hinausheben: Schon der griechische Titel weist auf den originären Galen, der das Gerokomikòn als eigenes Teilgebiet der Medizin apostrophiert hatte.66 Zerbi zitiert neben medizinischer Fachliteratur (mehr griechische als islamische Autoren, kaum scholastische Kommentatoren) häufig Aristoteles sowie zahlreiche nicht-medizinische Schriftsteller und Dichter (Cicero, Vergil (70–19 v.Chr.), Ovid (43 v.Chr.– ca. 18 n.Chr.), Juvenal (1./2.Jh.), Horaz (65–8 v.Chr.), Boethius (ca. 480–524), Maximianus (6. Jh.) und viele andere). Sein Werk beginnt ähnlich wie (Ps.-) Bacon/Arnald, die allerdings namentlich nicht erwähnt werden,67 mit einer kurzen Altersphysiologie und -symptomatik, thematisiert dabei Möglichkeiten der Langlebigkeit, aber auch die Unausweichlichkeit des Todes, und mündet dann in den Hauptteil, eine systematisch angeordnete Altersdiätetik von bisher nicht gekanntem Umfang. Aus fachlicher Sicht zukunftsweisend ist auch die Unterscheidung zwischen einer ars restaurativa/conservativa (die das Vorhandene erhält) und der ars resumptiva (die Gesundheit und Stärke wiedergewinnen lässt).68 Außerdem thematisiert Zerbi erstmals die Profession eines umfassend gebildeten ärztlichen Gerontokomos (Altenfürsorgers), zu dessen Aufgaben auch tägliche Harnschau zählt,69 die allerdings schon wenige Jahre später sehr in Frage gestellt wurde. Zeittypisch ist eine deutliche Hinwendung zur Astrologie, die auch Auskunft über die spezifische Lebenserwartung älterer Menschen gebe.70 Alterskrankheiten erscheinen nur am Rande (unter Hinweis auf die hippokratischen Aphorismen);71 hier boten die tradierten Texte (im Gegensatz zu den oft thematisierten Kinderkrankheiten) offensichtlich zu wenig Material.
Zeitgleich zu Zerbis Werk, doch wesentlich kürzer als dieses, erschien aus der Feder des bekannten, medizinisch ausgebildeten Florentiner Philosophen Marsilio Ficino De vita libri tres, eines seiner (gemessen an der Verbreitung im 16. Jahrhundert) wirkungsmächtigsten Werke.72 Dessen zweiter (allerdings zuletzt geschriebener) Teil De vita longa richtet sich vor allem an Gelehrte, die um einer mit der Lebenszeit zunehmenden Bildung willen alt werden wollen, aber auch an die Alten selbst;73 es kann deshalb ebenfalls als Werk zur Altersfürsorge (Gerokomie) gelten, freilich für ein Publikum mit anderen Erwartungen und womöglich anderem Zuschnitt. Hinsichtlich Altersphysiologie und -diätetik hat es zunächst durchaus Verwandtschaft mit der Gerentocomia, wendet sich dann aber immer deutlicher den spekulativen Methoden und Mitteln zur Verlängerung des Lebens zu und betont – anders als Zerbi – eben nicht die Unausweichlichkeit des Alterns. Viele der angesprochenen Themen lassen sich zwanglos mit den Interessen humanistischen Gelehrtentums verbinden; insbesondere stellt der Neuplatoniker Ficino neben Wärme und Feuchtigkeit die Bedeutung der flüchtigen Substanzen (Spiritus vitalis, animalis) heraus, die im Gleichklang (harmonia) mit der Seele Träger des Lebens seien und daher ernährt und gepflegt werden müssten.74 Deutlicher noch als bei Zerbi zeigt sich eine Hinwendung zur Astrologie:75 Insbesondere die Rolle Saturns, der das melancholische Temperament regiert, wird herausgestellt; Ficino und seine Zeit verbanden dies bekanntlich mit dem Gelehrtenstand.76 Das frühe Ergrauen habe eine innere, geistige Ursache: Durch hochsinniges Nachdenken werde der Spiritus nach innen gedrängt und schließlich die Lebensflamme erstickt.77 Ficino betont die positive Wirkung geeigneter geistiger Vergnügungen (Gespräch, Musik) und Sinnesempfindungen auf den greisen Organismus. Sprachliche Assoziationen sind nicht selten: Minze (mentha) sei gut für den Geist (mens), die Betrachtung von grünen (viridis), noch wachsenden Pflanzen, die unter besonderem Einfluss makrokosmischer Kräfte der Planeten stünden, sei geeignet, den Menschen in einem lebensfrischen Alter (senectus virida) zu erhalten. Als Medikamente erwähnt Ficino unter anderem Goldprodukte und das Blut eines jungen Menschen, das Ovid zufolge78 am besten direkt aus der Ader gesaugt werden solle.79 Hier und an anderen Stellen liegt es wie bei der Gerentocomia nahe, (Ps.-)Bacon als ungenannte Quelle anzunehmen.
Ficino zitiert im Vergleich zu Zerbi, aber auch zu den pädiatrischen Texten erstaunlich wenig Autoritäten (etwa zu gleichen Teilen islamische und griechische Autoren); statt einer scholastischen Erörterung schreibt er im lockeren Stil personaler Rede (erste Person; direkte Anrede der alten Menschen; Hinweis auf mündliche Ratschläge seines Vaters)80 und legt einen Teil seiner Ratschläge den personifizierten Planeten in den Mund. Sachlich handelt es sich zweifellos um medizinische Fachprosa, doch nicht für ein Fachpublikum geschrieben, sondern am ehesten für den Florentiner Gelehrten- und Mäzenatenzirkel, der dem Gleichgewicht von prodesse et delectare hohe Bedeutung zumaß.
Als letztes frühes Beispiel humanistischer Protogeriatrie soll noch die Verteidigungsschrift De senectute (1536) des in Humanistenkreisen wohlbekannten Leipziger Medizinprofessors Heinrich Stromer von Auerbach (ca. 1476–1542)81 angeführt werden, die ein Jahr später in deutscher Übertragung erschien und aus zwei äußerst verschiedenen Teilen besteht: Analog zur späteren Praxis an Hochschulen, der wissenschaftlichen Disputation ein feierliches Programma im Sinne einer selbstständigen akademischen Vor- oder Festrede vorauszuschicken, schreibt Stromer zunächst, wie die Kopfzeile des Drucks ausweist, über das Alter. Dieser Titel De senectute des siebenseitigen Textes verweist unmittelbar auf die Hauptquelle, Ciceros gleichnamige Verteidigungsschrift Cato maior De senectute,82 und wie Cicero geht auch Stromer auf vier Hauptvorwürfe ein, die dem Alter gemacht werden, und weist sie zurück; denn nur in eingeschränkter Hinsicht mache es geschäftsunfähig, schwäche den Körper, beraube der Vergnügungen und sei dem Tode nahe. Bemerkenswert sind die Zusätze, die Stromer dieser literarischen Tradition hinzufügt: Anstelle der meisten antiken Exempel für hohes vortreffliches Alter benennt er berühmte Ärzte (u.a. Hippokrates, Galen, Avenzoar (1091–1162), und den humanistischen Kollegen Niccolò Leoniceno), geht auf die angeblich geringere Krankheitsanfälligkeit der Alten ein83 und betont die christliche Perspektive eines seligen Sterbens, das nicht zu fürchten sei.
Diese medizinisch-humanistische Cicero-Rezeption ist deshalb so ungewöhnlich, weil fast alle Ärzte in der Folgezeit das Beispiel des rüstigen Cato maior und seine Argumente für ein gesundes Altern ignorieren oder gar zurückweisen; es widerspricht nämlich diametral ihrer Grundannahme physiologischer und pathologischer Defekte im Alter (senectus defectus).84 Genau diesen Spagat vollzieht Stromer mit seinem Traktat, in dessen zweiten bzw. Hauptteil insgesamt dreißig für die öffentliche Disputation bestimmte Thesen (decreta) formuliert werden, die hauptsächlich auf Krankheiten des Alters eingehen (senectus immodica morborum copia). An einzelnen Stellen versucht Stromer diesen Widerspruch noch zu harmonisieren, indem er darauf hinweist, dass diese Krankheiten nicht vom Alter, sondern durch schlechte Gewohnheiten kämen. Dem für Altersleiden einschlägigen hippokratischen Aphorismus III 31,85 den er zu Beginn paraphrasiert, fügt er, offensichtlich unter dem Einfluss von Cicero, die Vergesslichkeit hinzu. Während er aber in seiner Vorrede noch behauptet, alte Menschen würden keine Gedächtniseinbußen erleiden, solange sie sich mäßig ernährten und abends die Erfahrungen des Tages als Übung memorierten (entsprechend dem von Cicero geforderten Kampf gegen die Vergesslichkeit),86 widerspricht er seiner eignen übersteigerten Annahme in den folgenden Decreta (Nr. XI), indem er nun behauptet, das Alter sei ein Haus der Vergesslichkeit (oblivionis domus), weil diese Eigenschaft dann am häufigsten zu finden sei.87
Dieser Widerspruch führt einmal mehr die Macht der literarischen Tradition plastisch vor Augen: Während die Vorrede ausschließlich Cicero rezipiert, zitieren die Decreta ausführlich Hippokrates, Galen und die islamischen Autoren. Die Vorrede huldigt offensichtlich dem Humanismus als einer Strömung unter den zeitgenössischen Gelehrten, an der Ärzte ebenso teilhatten wie andere akademische Berufe. Dies konnte aber unter verschiedenen Vorzeichen geschehen: Während etwa Erasmus von Rotterdam (1466–1536) in seinem Carmen De senectutis incommodis von 1506 ausgehend von Horaz,88 aber auch in der Tradition der spätmittelalterlichen Altersklage die Beschwerden des Alters dichterisch übertreibt, greift Stromers Werk gezielt die positiven Aspekte des Greisenalters aus der Tradition der Antike heraus. Spiegelt dies seine persönliche Situation und Erfahrung (im Kontrast zur medizinischen Einschätzung), oder ist die Vorrede lediglich eine gezielte Entgegnung zu Erasmus' Carmen?89
Conclusio: Einfluss und Ausprägung des Humanismus auf medizinische Subdisziplinen
Besonders die letztgenannten Beispiele protogeriatrischer Literatur machen deutlich, wie wichtig bei der Beurteilung humanistischen Einflusses auf die Medizin die Prüfung einzelner Texte und Autoren ist. Offensichtlich spielen Zielgruppe und (damit verbunden) Wahl des medizinischen Sujets eine entscheidende Rolle dafür, ob sich humanistische Tendenzen äußern oder sogar die Texte prägen konnten. Zerbis Altersdiätetik für den mit Humanisten korrespondierenden Papst, Ficinos Empfehlungen für den Florentiner Gelehrtenzirkel, Stromers dialektische Darstellung des Alters, möglicherweise in Auseinandersetzung mit Erasmus: Diese (Kon-)Texte waren offensichtlich besonders geeignet, den Gedanken eines sprachlich wie literarisch prononcierten Kulturtransfers zwischen Antike und Renaissance aktiv herauszustellen. Dagegen benötigten die praxisnahen, zum Teil an Eltern gerichteten pädiatrischen Texte dieses explizit humanistische Ambiente nicht und integrierten es darum wohl auch weniger. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass speziell protogeriatrische Texte im Gegensatz zu pädiatrischen Texten eine besondere Frucht humanistischer Innovation gewesen wären. Vielmehr enthalten gerade die frühen Kinderbüchlein mit ihrem pädagogischen Impetus gegenüber Eltern, (Heb-)Ammen und Kindern und ihrer Popularisierung der gelehrten Tradition einen impliziten Hinweis auf die humanistische Bildungsbewegung und ihr grundsätzliches Streben, das menschliche Dasein zu verbessern. Insgesamt scheinen beide Textsorten nahezu zeitgleich mit anderen (siehe oben) in der Renaissance aus den bescheidenen mittelalterlichen Anfängen entwickelt worden zu sein, wobei zunächst kaum neue Inhalte integriert wurden: Während in der antiken und islamischen Medizin eine umfassende Abhandlung zum kindlichen wie auch zum greisen Organismus im Sinne einer Monographie fehlte und die relevanten Aussagen mühsam aus zahlreichen Texten zusammengesucht werden mussten, leistete die Heilkunde in der Renaissance genau diesen Beitrag und entwickelte in den einschlägigen Texten aus den bekannten Inhalten komplexe, bis in Einzelheiten ausgedeutete Systeme einer alterspezifischen Physiologie, Pathologie und Therapie, die die teilweise widersprüchlichen Angaben der Quellen zu harmonisieren suchten: Aus den einzelnen Bausteinen entstanden mehr oder weniger vollständige "Häuser" einer wissenschaftlich-theoretischen Heilkunde der einzelnen Lebensalter mit ersten Ansätzen einer Professionalisierung mittels eigener Fachliteratur und mittels (fiktiver) beruflicher Spezialisierung (z.B. den Gerontokomoi) – Häuser freilich verschiedener Bauart, je nach Präferenz, Auswahl und Interpretation der Tradition. Diese Syntheseleistung ist ohne den philologischen und texteditorischen Ansatz der Humanisten nicht denkbar, und insofern ist die Entwicklung der Fachdisziplinen zumindest mittelbar mit der humanistischen Idee und Tätigkeit verbunden, auch wenn in einzelnen Texten und bei den verschiedenen Autoren der konkrete Bezug zum Humanismus sehr unterschiedlich ausfällt. Die gravierenden Unterschiede zwischen den Textsorten (in der Pädiatrie früheres Einsetzen der Inkunabeln, größere Anzahl an Werken, Auflagen und Übersetzungen im 16. Jahrhundert gegenüber der Protogeriatrie) sind dagegen in erster Linie den verschiedenen fachliterarischen Traditionen und Publikumsinteressen zuzuschreiben. Diese unterschiedliche Gewichtung setzte sich im Grunde bis ins 20. Jahrhundert fort.
Anhang
Quellen
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Ficino, Marsilio: Three books of life [De vita]: A critical edition and translation with introduction and notes by Carol V. Kaske and John R. Clark, 2. Aufl., Tempe 1998.
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Griechischer Geist aus Basler Pressen: Katalog der frühen griechischen Drucke aus Basel in Text und Bild von Frank Hieronymus, hg. und für das Internet aufbereitet von Christoph Schneider und Benedikt Vögeli.
Hess, Helmut H. (Hg.): Gynaecia Mustionis: Der Hebammenkatechismus des Mustio (deutsch und lateinisch) & Eucharius Rösslin's Rosengarten, Frankfurt 1997, vol. 1.
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Anmerkungen
- ^ Übersicht bei Bergdolt, Naturwissenschaften 2006; Bergdolt, "scientia" 2001.
- ^ Baader, Antikerezeption 1984, S. 52.
- ^ So wurde die Bedeutung aristotelischer Philosophie für die Medizin selbst von Pico akzeptiert; vgl. Schmitt, Aristoteles 1987, S. 247f.
- ^ Digitalisat von Auszügen der Fabrica verfügbar auf der Homepage der US National Library of Medicine: http://www.nlm.nih.gov/exhibition/historicalanatomies/vesalius_home.html [21.07.2010].
- ^ Vgl. Wittern, Präsentation 2005.
- ^ Siraisi, Changing fortunes 1985, S. 18f.
- ^ Müller-Jahnke, Platon 2000, S. 1–2, 10.
- ^ Siraisi, Taddeo Alderotti 1981, S. 270.
- ^ Nutton, Books 2005, S. 426.
- ^ Bergdolt, Naturwissenschaften 2006, S. 116–118.
- ^ Vgl. Dicke, Steinhöwel 1995, Sp. 258–276; Hernad / Worstbrock, Schedel 1992.
- ^ Etwa Benedetti in seiner Historia corporis humani sive Anatomice (1502); vgl. Bergdolt, Naturwissenschaften 2006, S. 121.
- ^ Bereits 1497 erschien Ps.-Galen, Historica Philosophica, und 1499 die Aldina-Ausgabe des Dioscorides; vgl. Nutton, Hellenism 1997, S. 162, 167.
- ^ Vgl. Durling, Linacre 1977, S. 77–82. Vgl. die Zusammenstellung von Galen-Ausgaben des 15. und 16. Jahrhunderts durch Durling, Chronological Census 1961.
- ^ Nutton, Diffusion 2002, S. 463.
- ^ Nutton, Books 2005, S. 426.
- ^ Nutton, Hellenism 1997, S. 163.
- ^ Nutton, Books 2005, besonders S. 427; Maclean, Idea of Health 2011.
- ^ Maclean, Medicine 1997, S. 185
- ^ King, Power 2002.
- ^ Santing, Medizin 1995, S. 145.
- ^ Nutton, "Qui magni" 1987, S. 181.
- ^ Nutton, Humanist surgery 1985.
- ^ Neben der Wiederentdeckung der inneren Wendung auf die Füße ist vor allem die erste Monographie zum Kaiserschnitt an der Lebenden (Sectio nova) von François Rousset (ca. 1535–ca. 1603) aus dem Jahr 1581 zu erwähnen; vgl. Schäfer, Geburt 1999, S. 67–71.
- ^ Nutton, Diffusion 2002, S. 472; Stolberg, Harnschau 2009, S. 167–212.
- ^ Bergdolt, "scientia" 2001, S. 40–43; Braunfels-Esche, Leonardo 1984.
- ^ Santing, Medizin 1995, S. 142–145.
- ^ Baader, Medizinische Theorie 1987, S. 207.
- ^ Nutton, John Caius 1984, S. 85.
- ^ Allerdings blieb die Mehrzahl der Lehrpläne bis weit in das 16. Jahrhundert hinein gleich; vgl. Siraisi, Changing fortunes 1985, S. 16f.
- ^ Baader, Antikerezeption 1984, S. 64.
- ^ Nutton, Diffusion 2002, S. 469–470.
- ^ Bergdolt, Gewissen 2004, S. 133–172.
- ^ Vgl. Zwinger, Paedo-iatreia practica 1722; Nascher, Geriatrics 1909, S. 358.
- ^ Corpus Hippocraticum, De septimestris/De octimestris, De dentitione, im weiteren Sinne auch De morbo sacro sowie verstreute Hinweise in den Aphorismen (insbesondere III 24–27), den Epidemienbüchern, gynäkologischen und prognostischen Schriften; Galen, De sanitate tuenda I 7–12 (Kühn VI 26–68); vgl. Wittern-Sterzel, Geschichte 2005, S. 15–18; Bertier, Enfants malades 1990; Hummel, Kind 1999, S. 15–17, 27, 127–129. Zu dem pädiatrischen Kapitel einer (wohl apokryphen) Galenschrift Yconomica Galieni vgl. Peiper, Über die Kinder 1957.
- ^ Galen, De sanitate tuenda V (Kühn VI 305–80); De marasmo (Kühn VII 666–704); vgl. Schäfer, Alter und Krankheit 2004, S. 32f.
- ^ Vgl. Schäfer, Alter und Krankheit 2004, S. 47–66; Hummel, Kind 1999.
- ^ Schmitt, Theorie 1973, S. 120, 128f., 139; Kahle, Kinderkrankheiten 1982; vgl. auch Avicenna, Canon medicinae, lib 1, fen. 3, doctr. 1, cap. 1–4 (De nutricatione); lib. 1, fen. 3, doctr. 3, cap. 1–6 (ut regendo senes), Venedig 1507, fol. 55r–56v; 63v–64v.
- ^ Rhazes, Liber Rasis (IV 29–30) 1508, fol. 21; Rhazes, Pocken und Masern 1911; Rhazes, Capitulum de curis puerorum in prima aetate, in: Sudhoff, Erstlinge 1925, Tafeln II–VIII.
- ^ Bacon, De retardandis accidentibus senectutis 1928; (englische Übersetzung: The cure of old age and Preservation of Youth, London 1683). De retardatione findet sich ausführlich rezipiert in Bacons Opus maius VI 13 (Erstdruck London 1733). – Arnoldus [de Villa Nova], De conservanda iuventute et retardanda senectute, Leipzig [Stöckel] 1511; idem, in: Opera Arnaldi de villa Nova, ed. Murchius, Lyon 1504, S. 85r–90r (und in vielen weiteren Gesamtausgaben; englisch: The defence of age and recovery of youth; zwei Ausgaben 16. Jh. ohne Jahresangabe, eine mit Angabe des Übersetzers Jonas Drumumde, die andere mit den Initialen R[obert] W[yer] enthalten im wesentlichen das vorwiegend aus Rezepten bestehende erste Kapitel der Schrift).
- ^ Withington, Roger Bacon 1914, S. 346–351; Getz, Roger Bacon 1997, S. 346–348.
- ^ Durling, Linacre 1977, S. 84f. – Nach Demaitre (siehe Demaitre, Medical Notion 1992, S. 262, Fußnote 19) übersetzte Niccolò nur Buch 5, Burgundio von Pisa dagegen das ganze Werk, wobei die Galieni Opera von 1490 angeblich Burgundios Version enthalten; vgl. Durling, Chronological Census 1961, S. 290.
- ^ McVaugh, "Humidum radicale" 1974, S. 272f. vermutet eine frühere Übersetzung aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, die eventuell von Pietro d’Abano (1250–1315) stammt und auch Grundlage der Textfassung in den Galieni Opera von 1490 bildete. Bernard de Gordon (gest. ca. 1320) kommentierte bereits um 1300 De marasmo in einem eigenen Traktat De marasmode secundum sententiam Galieni, der aber rasch in Vergessenheit geriet; vgl. Demaitre, Medical notion 1992, S. 260.
- ^ Die Articella umfasst verschiedene medizinische Traktate antiker Autoren (insbesondere Galen und Hippokrates) sowie christlicher und islamischer Kommentatoren des frühen Mittelalters und entstand vermutlich in der Medizinschule Salernos; sie wird seit der Mitte des 12. Jahrhunderts überliefert; vgl. Keil, "Articella" 2005, S. 103.
- ^ Avicenna, Canon, Straßburg (Adolf Rusch) vor 1473; Rhazes, De curis puerorum in prima aetate/De morbis infantium, in: Abubecri Rasis filij Zacharie Liber, Mailand 1481. – Der Traktat über Pocken und Masern erschien in griechischer Übertragung bereits 1548 (Rhazae de pestilentia libellus ex Syrorum lingua in Graecam translatus, cum Iacobi Goupyli castigationibus, Paris), in Latein dagegen erstmals 1766 im Druck (Rhazes de variolis et morbillis, Arabice et latine, ed. Channing, London). – Die protopädiatrischen Inhalte von Mustios Hebammenkatechismus (Gynaecia) haben sich im 16. Jahrhundert nicht mehr verbreiten können; vgl. Hess, Gynaecia Mustionis 1997, S. 257.
- ^ Zur Ausgabe von 1490 siehe Anmerkung 42; Galens De sanitate tuenda wurde 1517 von Thomas Linacre neu übersetzt und veröffentlicht; vgl. Durling, Linacre 1977, S. 84f.; De marcore erschien erst 1533 in einer neuen Übersetzung von Hermannus Cruserius (Paris, Ch, Wechel). – Die griechische editio princeps beider Schriften war die Aldina von 1525 (siehe oben).
- ^ Vgl. Schmitt, Bartholomäus 1970, S. 13. – Der Brief Kettners findet sich in clm. 7495 der Bayerischen Staatsbibliothek, fol. 43; vgl. Joachimsohn, Frühhumanismus 1896, S. 74, Anmerkung 6. Kettner war ein Schwager des Wilhelm Rad, der im Zentrum eines im clm 667 erhaltenen humanistischen Briefwechsels steht, und verfasste selbst lateinische Gedichte (Joachimsohn, Frühhumanismus 1896).
- ^ Joachimsohn, Frühhumanismus 1896, S. 74, berichtet über eine anonyme Vorrede zu einem Werk über Kinderheilkunde im clm 504, fol. 583b; dieses Werk konnte bisher nicht identifiziert werden, und sein Bezug zu Kettner ist äußerst ungewiss.
- ^ Zeitlich noch früher anzusiedeln ist das nur handschriftlich überlieferte, teilweise volkssprachliche Werk von Michele Savonarola (ca. 1384–1468), De Regimine praegnantium et noviter natorum usque ad septennium (vor 1460); vgl. Zuccolin, Stratificazione 2002, S. 15.
- ^ Wittern-Sterzel, Geschichte 2005, S. 21 (nach Sudhoff, Erstlinge 1925, S. IX). Eine Faksimile-Ausgabe bietet Sudhoff, Erstlinge 1925, eine deutsche Übertragung Mauch, Bagellardus, Libellus 1937.
- ^ Vgl. Manzke, Remedia 2008, S. 20–24.
- ^ "A complitientia de molte done"; zitiert nach Wittern-Sterzel, Geschichte 2005, S. 21.
- ^ Vgl. auch Anmerkung 49.
- ^ Faksimile der Erstausgabe bei Sudhoff, Erstlinge 1925.
- ^ Digitalisat verfügbar auf der Homepage der Bayerischen Staatsbibliothek unter: http://daten.digitale-sammlungen.de/0003/bsb00030000/images/index.html?fip=193.174.98.30&id=00030000&seite=1 [22.07.2010].
- ^ Die immer wieder behauptete Abhängigkeit von seinem fraglichen Lehrer Bagellardi (Metlinger studierte in den 1460er Jahren in Padua) erstreckt sich bestenfalls auf die formale Gliederung seines Werks und erklärt sich zwanglos aus dem Gebrauch derselben Quellen; vgl. auch Keil / Lenhardt, Metlinger 1987, Sp. 462–463.
- ^ Vgl. Manzke, Remedia 2008, S. 32. Die Nähe zu Rhazes’ De morbis infantium (siehe Anmerkung 45) zeigt schon die Übernahme der meisten Kinderkrankheiten (Kap. 3) unabhängig von Bagellardi.
- ^ Avicenna, Canon medicinae, lib 1, fen. 3, doctr. 1, cap. 4, Venedig 1506, fol. 56; Valerius Maximus, Facta V 7 u. 9.
- ^ Vgl. Seidler, Das kranke Kind 1986, S. 688–693.
- ^ Tabellarische Übersicht bei Schäfer, Regimina 2008, S. 91–98.
- ^ Utar Caeciliano Sermone: vos parseculis et columbis nostris inter aquilas vestras dabitis pennas …; vgl. C. Plinius Caecilius Secundus, Epistulae IX 25, 3. – Der Polygraph Biondo verfasste und übersetzte neben zahlreichen medizinischen, botanischen, jagd- und schifffahrtskundlichen auch einen kunsthistorischen Traktat Della nobilissima pittura, Venedig 1549.
- ^ Austrius, De infantium 1540. Austrius war ab 1545 Professor für Medizin in Freiburg und 1548 Rector der Universität.
- ^ Zitiert nach: Griechischer Geist aus Basler Pressen (GG 368), http://www.ub.unibas.ch/kadmos/gg/?http://www.ub.unibas.ch/kadmos/gg/index_transl.htm [22.07.2010]. (Zu dem Zitat gelangt man durch Eingabe der Zahl 368 in das Suchfeld unten links.)
- ^ Vgl. z.B. cap. 13: bei Roelans, De egritudinum 1484 (fol. 107v): De alcuzen alias cuzen, id est de thetano; bei Austrius, De infantium 1540 (S. 74): Rigor iuxta Celsum, quem Graeci tetanou, nostri communi, et una tantum voce Tetanum; Avic. Cuzen vel Aluizen nominat.
- ^ Vgl. Zerbi, Gerontocomia 1988, S. 3–16; Lind, Studies 1975, S. 141–158.
- ^ Vgl. Galen, De sanitate tuenda V 4 (Kühn VI 330); De marcore 5 (Kühn VII 681).
- ^ Einzelne Kapitel gegen Ende der Gerentocomia (1988, cap. L–LVI, S. 290–304) geben Hinweise auf die Zubereitung von Schlangenfleisch, Fleischwasser, sublimiertem Blut, Aurum potabile, Edelsteinen, Elektuarien etc., die teilweise auch bei Bacon und Arnald erwähnt werden. Nach dem Diarium urbis Romae des antipäpstlichen Chronisten Stefano Infessura soll Innozenz kurz vor seinem Tod, nachdem er in ein Koma gefallen war, von seinem jüdischen Leibarzt das Blut von drei zehnjährigen Knaben erhalten haben, um deren Jugend zu erlangen. Ob diese Behauptung der Wahrheit entspricht und Zerbi aufgrund seiner Empfehlung in der Gerentocomia (1988, cap. LII, S. 297) daran beteiligt war, lässt sich nicht entscheiden.
- ^ Bernard de Gordon unterschied im Gegensatz zu Zerbi noch zwischen einem Regimen reductivum, einem Regimen praeservativum, einem Regimen conservativum sowie einem Regimen resumptivum et enutriens; vgl. Bernard, Tractatus 1570, Quaestio XXII Utrum senes debeant regi per contraria vel similia, S. 197f. – Eine theoretische Diskussion der Altersdiätetik findet sich im 16. Jahrhundert auch in den medizinischen Kommentaren zur Ars medica Galens angedeutet; vgl. Joutsivuo, Scholastic Tradition 1999, S. 190–196.
- ^ Zerbi, Gerontocomia 1988, cap. XIV, S. 87–90.
- ^ Zerbi, Gerontocomia 1988, cap. I–IV, XV, S. 30, 34, 38, 46, 94.
- ^ Zerbi, Gerontocomia 1988, Prolog. S. 18.
- ^ Das Werk wurde bis 1647 rund dreißigmal gedruckt; hinzu kamen Drucke der Übersetzungen ins Deutsche, Französische und Italienische; vgl. Einleitung der Herausgeber in Ficino, Three books 1998, S. 3; ein gewisser Einfluss lässt sich auf Paracelsus, insbesondere aber auch auf Francis Bacon feststellen; vgl. Schäfer, Alter und Krankheit 2004, S. 126–129, 134.
- ^ Ficino, De vita II 14 1998, S. 202.
- ^ Ficino, De vita II 5 u. 18, S.174–176, 224–226.
- ^ Vgl. dazu insbesondere Thomas, Astromedizin 1970, S. 60–118.
- ^ Vgl. Kümmel, Homo litteratus 1984, S. 74–78.
- ^ Ficino, De vita II 16 1998, S. 216.
- ^ Ovid, Fasti VI 131–143; vgl. auch Metamorphosen VII 288.
- ^ Ficino, De vita II 9–11 1998, S. 192–198.
- ^ Ficino, De vita II 4, S. 174.
- ^ Von Stromer erschien bereits 1520 ein Briefwechsel in humanistischem Kontext: Duae Epistole, He[n]rici Stromeri Auerbachij, [e]t Gregorij Coppi Calui medicoru[m], que statu[m] reipublicae Christianae hoc seculo degenera[n]tis attigu[n]t, subiunctis etiam in fine libelli in Leum epigrammatis, Epistola ad Pircheimeru[m], 1520. Nach Bosls Bayerischer Biographie 1983, S. 31, war Stromer Humanistenkreisen zugewandt und unterhielt Briefwechsel mit Erasmus, Johannes Reuchlin (1455–1522), Ulrich von Hutten (1488–1523), Wilibald Pirckheimer (1470–1530) und Georg Spalatin (1484–1545).
- ^ Entsprechend hat die deutsche Übertragung den Titel Schuotzrede... des Alters (Wittenberg 1537).
- ^ Vgl. Corpus Hippocraticum, Aph. II 39 (Littré IV 480–82).
- ^ Anselmi, Gerocomica 1606, S. 13, 24.
- ^ Corpus Hippocraticum, Littré IV 500-502. In dieser Liste werden Dyspnoe, Katarrhe mit Husten, Harninkontinenz, Dysurie, Gelenkbeschwerden, Nephritiden, Schwindel, Apoplexie, Kachexie, Juckreiz am ganzen Körper, Schlaflosigkeit, Ausflüsse aus Bauch, Augen und Nase, Augenleiden einschließlich Glaukom sowie Schwerhörigkeit als Leiden aufgezählt, die im höheren Lebensalter auftreten; vgl. Schäfer, Alter und Krankheit 2004, S. 58–59.
- ^ Cicero, De senectute 21.
- ^ Diese Redeweise übernimmt Stromer von (Ps.-)Bacon, der sie dem islamischen Arzt Haly Abbas zuweist; vgl. Bacon, retardatione 1928, cap. 2, S. 27.
- ^ Multa senem circumveniunt incommoda; Quintus Horatius Flaccus, Ars poetica 169.
- ^ Dies wurde von Zeitgenossen vermutlich so empfunden: Im Druck von Nürnberg (1537) sind u.a. die Schrift Stromers und das Gedicht des Erasmus zusammengestellt.