Die Geschichte der Standardisierung in Europa@Standardisierung in Europa@(BE)@freigabe
CC by-nc-nd Roland Wenzlhuemer
Beitrag auf Englisch
Einleitung
Obwohl die europäische Integration durch die Europäische Union in den letzten zwei Jahrzehnten bemerkenswerte Fortschritte gemacht hat, vollzog sich dieser Prozess bekanntlich bei weitem nicht reibungsfrei. Spannungen treten oft auf, wenn die supranationale Institution und einzelne Mitgliedsstaaten in Fragen der Definitionsmacht auf einem bestimmten Gebiet in Konflikt geraten. Neben geläufigeren Beispielen wie einer gemeinsamen Außenpolitik oder einer europäischen Verfassung kann die Standardisierung als ein solches Feld der Auseinandersetzungen angesehen werden. Zwar hat die Normung einerseits "wesentlich zum Funktionieren des Binnenmarktes, zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit, zur Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und zur Förderung des internationalen Handels beigetragen und eine wachsende Zahl von Gemeinschaftspolitiken unterstützt".1 Zu diesem Zweck nimmt die Europäische Union die Arbeit dreier europäischer Normungsorganisationen in Anspruch: des Comité Européen de Normalisation (CEN, 1961 gegründet); des Comité Européen de Normalisation Électrotechnique (CENELEC, 1973 gegründet); und des European Telecommunications Standards Institute (ETSI, 1988 gegründet). Andererseits verwenden viele Mitgliedsstaaten seit langem eigene Maßeinheiten und Normenorganisationen und haben, aus einer Vielzahl von Gründen – seien sie symbolischer oder ökonomischer Natur – , ein legitimes Interesse daran, diese etablierten Normen beizubehalten. Die Einführung eines einheitlichen europäischen Währungssystems ist ein hervorragendes Beispiel für solche Konfliktpotentiale. Während der Prozess der Vereinheitlichung, der mit der Einführung des European Monetary System und des European Exchange Rate Mechanism 1979 begann, zweifellos dazu beitrug, einen gemeinsamen Binnenmarkt zu schaffen, stieß die Einführung einer gemeinsamen Währung auf den Widerstand einzelner Staaten – einerseits aus Furcht vor ökonomischen Nachteilen, andererseits wegen des hohen symbolischen Werts der eigenen Landeswährung. In anderen Fällen bestätigten etwas undurchsichtigere europäische Standards – wie etwa der berüchtigte Qualitätsstandard für Bananen2 – die Befürchtungen vieler Bürger, dass die Europäische Union (und ihre Vorgängerorganisationen) Bürokratisierung und Standardisierung nur um ihrer selbst willen praktizierten.
Die Standardisierung ist selten ein reibungsloser Prozess, wie diese Beispiele aus der Europäischen Union zeigen. Sie bringt oft regionale mit zentralstaatlichen Interessen in Konflikt. Und dennoch ist sie eine Voraussetzung für jegliche Form von kultureller oder ökonomischer Zusammenarbeit – sei es auf lokaler, regionaler, nationaler oder supranationaler Ebene. Jede Form von menschlicher Interaktion beruht zu einem gewissen Grad auf Vereinheitlichung,3 auf gemeinsamen Begriffen und klar umrissenen Bedeutungen, ohne die weder sinnvolle Kommunikation noch Austausch möglich sind. Menschliche Gemeinschaften, wie klein sie auch sein mögen, benötigen eine gemeinsame Sprache oder ein Zeichensystem sowie bestimmte, ausgehandelte Regeln des Zusammenlebens, d. h. einen Grundbestand von gemeinsamen Richtwerten und Normen. Besonders die grundlegenden Maßeinheiten entstehen normalerweise unabhängig, in kleinen, lokalen Gemeinschaften und sind nur in einem bestimmten Gebiet gültig. Sobald territoriale Grenzen überschritten werden und Kontakte mit anderen Gemeinschaften entstehen, müssen gemeinsame Grundregeln ausgehandelt werden. Somit ist die Standardisierung ein zentraler Bestandteil transnationalen und transkulturellen Austauschs. Im Fall der Sprache – der Basis der meisten Interaktionen zwischen menschlichen Gemeinschaften, die zum gegenseitigen Vorteil unternommen werden, – kann die Entstehung eines Pidgin-Dialekts oder einer Lingua franca in einer besonderen Kontaktzone als Beispiel für die Aushandlung von gemeinsamen Kommunikationsstandards dienen (die meist von der mächtigeren Gemeinschaft dominiert werden).
Die Standardisierung ist daher seit jeher eine Voraussetzung für die Verwaltung größerer Territorien, für den Handel und die Migration. Sie ist im Kern sicherlich nicht spezifisch europäisch. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gewannen jedoch die Bemühungen um eine großflächige Festsetzung von Normen und Standards an Einfluss und stellten den Prozess der Standardisierung auf eine ganz neue Grundlage: Diese Entwicklung ist nur im spezifischen politischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Kontext Europas in dieser Zeit zu erklären. Die Reform und Vereinheitlichung des bestehenden, ständischen Systems von Gewichten und Längenmaßen in Frankreich wurde zu Beginn der Französischen Revolution eingeleitet.4 Das Fehlen einheitlicher Maßeinheiten war nicht auf Frankreich oder auch Europa beschränkt. Eine großflächige Vereinheitlichung von Gewichten und Längenmaßen konnte jedoch nur ein starker und zentralisierter Nationalstaat durchsetzen, der es wagte, mit vielen traditionellen Gebräuchen und Gepflogenheiten zu brechen – oder dies, wie im Falle der Französischen Revolution, ausdrücklich zum Ziel hatte.
Angesichts des seit langem bestehenden Kontaktes und Austausches zwischen den europäischen Ländern ist es nicht erstaunlich, dass in Europa die Bemühungen um eine internationale Standardisierung zuerst einsetzten. Die gründliche Überarbeitung französischer Gewichte und Längenmaße stellt den ersten Präzedenzfall einer wissenschaftsbasierten und auf Konferenzen ausgehandelten Normung dar, bei dem sich die Akteure darauf geeinigt hatten, dass "[f]or the sake of uniformity even the great nations must be prepared to forego their own system".5 Mit der Zeit galt die Festsetzung von einheitlichen Maßen nicht mehr nur als das Vorrecht von lokalen Autoritäten und Herrschaftsinstanzen. Um der Austauschbarkeit willen sollten allmählich universale Normen allgemein anerkannt und Gegenstand wissenschaftlicher Debatten in Ausschüssen und auf Tagungen werden. Die Einführung des metrischen Systems nimmt eine Schlüsselrolle in der Geschichte der Standardisierung ein und wird daher hier am ausführlichsten dargestellt. Danach wird der Artikel an drei ausgewählten Beispielen die Normung im 19. Jahrhundert erläutern. Diese Beispiele kommen aus den Bereichen der Telekommunikation, der Zeitrechnung und der Währungen und folgten jeweils unterschiedlichen Wegen zur Standardisierung.
Das metrische System (1790–1875)
Es ist kein Zufall, dass der erste systematische Versuch einer Standardisierung im Frankreich der Revolution stattfand und sich hauptsächlich auf Gewichte und Längenmaße bezog. Mehrere parallel laufende historische Entwicklungen schufen einen Bedarf an – und die Möglichkeit für – gemeinsame nationale (oder sogar internationalen) Normen auf verschiedenen Gebieten. Vergleichbare Gewichte und Längenmaße waren Voraussetzung für ein funktionierendes nationales und internationales System von Handel und Gewerbe, das einer verlässlichen gemeinsamen Grundlage für den Austausch bedurfte. Die Verwaltungen großer Territorien benötigten ebenfalls festgesetzte Maße: Fragen des Landbesitzes etwa waren wesentlich davon betroffen. So erforderte sowohl die fortschreitende Internationalisierung (letztlich Globalisierung) des Handels und Gewerbes als auch die zunehmende Zentralisierung des Nationalstaates eine Vereinheitlichung von Gewichten und Längenmaßen. Auch eine intensivere internationale Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern (besonders aus Frankreich und Großbritannien) und der Vergleich von ihren wissenschaftlichen Ergebnissen wurde dadurch erschwert, dass sie jeweils verschiedene Maßeinheiten besaßen.6 So gehörten Wissenschaftler zu den wichtigsten Verfechtern einer Standardisierung im späten 18. und dann im 19. Jahrhundert.
Der Wunsch nach einem einheitlichen System von Gewichten und Maßen bestand nicht nur in Frankreich. Die Einführung von Normalmaßen war auch anderswo ein Thema – zum Beispiel in den neu gegründeten Vereinigten Staaten von Amerika oder in Großbritannien.7 Aber in Frankreich kamen mehrere Faktoren zusammen und ermöglichten eine raschere und gründlichere Vereinheitlichung von Gewichten und Längenmaßen als andernorts. Maurice Crosland führt als einen ersten Grund an: "[T]he diversity of measurements within France was exceptionally acute. At the time of the Revolution, 18 variants of the aune, the unit of length, which ranged from 0.620 m to 0.845 m, were in use in the north of France, while in the department of Maine et Loire 110 different measures were used for grain."8 Bezug nehmend auf Ronald Zupko9 führt Ken Alder sogar aus, dass das Frankreich des Ancien régime insgesamt 250.000 verschiedene Gewichts- und Längenmaße kannte.10 John Heilbronn fügt hinzu: "[T]he existence of French men and women around 1790 was made miserable by, among other things, 700 or 800 differently named measures and untold units of the same name but different sizes".11 Während andere Regionen – wie etwa die deutschen Territorien12 – ähnliche Probleme hatten, war die Situation im revolutionären Frankreich besonders verwirrend.
Gleichzeitig bot die Französische Revolution eine selten günstige Gelegenheit für gründliche Reformen, da das alte System von Maßeinheiten eng mit Fragen des Landbesitzes verbunden war: "[o]nly a fundamental political and social upheaval like the Revolution could alter customs and practices so deeply ingrained in the structure of society".13 Der moderne Nationalstaat ist auch ein Produkt der Französischen Revolution. Er erfordert den nationalen Zusammenschluss und eine starke Zentralgewalt (im Falle Frankreichs konzentriert auf die Hauptstadt Paris).14 Natürlich hing eine solch zentralisierte Staatsgewalt von einem gewissen Minimum an administrativer Durchsetzungskraft und daher von der universalen Gültigkeit der Maßnahmen ihrer Verwaltung ab. Außerdem war Frankreich, um einen letzten Punkt zu nennen, der Mittelpunkt der Aufklärung. Der Gedanke einer unanfechtbaren Herrschaft der Vernunft gehörte untrennbar zum Selbstbild der Franzosen dieser Zeit und trug zusätzlich zum "desire for a uniform and rational system of measurement" bei.15
Es war derselbe Geist der Aufklärung und das Streben nach einem wahrhaft internationalen System, das die beteiligten Wissenschaftler – organisiert in der Académie des Sciences – nach einer ursprünglichen Längeneinheit in der Natur suchen ließen – einem System "attuned to the twin ideals of the Enlightenment, Nature and Reason".16 Davor hatten alle grundlegenden Maßeinheiten eine ursprüngliche Beziehung zum menschlichen Körper (d. h. Fuß, aune, elle). Nun hoffte man, dass man ein standardisiertes System schaffen könne, das für jeden Mensch und jede Nation auf der Welt annehmbar sei, indem das anthropozentrische System durch ein universal gültiges, natürliches Normalmaß ersetzt würde. Im Juni 1789 ernannte die Académie eine Kommission, die sich der Vereinheitlichung der Gewichte und Längenmaße annehmen sollte. Da die Briten auch ein Interesse an der Standardisierung bekundeten, lud der französische Außenminiser Charles-Maurice de Talleyrand (1754–1838) in einem Brief an Sir John Riggs Miller (ca. 1744–1798) Großbritannien dazu ein, sich an einer Reform des Systems der Gewichte und Maße zu beteiligen.17 Aber während der Französischen Revolution verschlechterten sich die politischen Beziehungen der beiden Länder so sehr, dass Talleyrand nie eine Antwort von der anderen Seite des Ärmelkanals erhielt. Also entschlossen sich die Franzosen, auf eigene Faust zu handeln.
Im März 1791 wurden in einem Bericht mit dem Titel Sur le choix d'une unité de mesure drei mögliche natürliche Normalmaße für das neue System vorgeschlagen: die Länge eines Pendels, das auf dem 45. Breitengrad Sekunden schlägt; ein Viertel der Länge des Äquators und der Quadrant der Distanz zwischen dem Nordpol und dem Äquator.
Der Bericht empfahl ausdrücklich die Festlegung der dritten Option: Mit Hilfe einer Serie von Dreiecken sollte die genaue Strecke zwischen Dünkirchen und Barcelona bestimmt und dann zur Berechnung der Strecke zwischen dem Pol und dem Äquator benutzt werden. Der Bericht wurde von der Académie angenommen und an die Nationalversammlung weitergeleitet, die das Projekt am 30. März 1791 beschloss.18 Im Juni 1792 begannen die zwei Astronomen Jean-Baptiste Joseph Delambre (1749–1822)[] und Pierre François André Méchain (1744–1804) die Strecke zwischen Dünkirchen und Barcelona zu triangulieren.19 Gerade hatten die Messungen angefangen, als der französische Nationalkonvent am 1. August 1793 beschloss, dass zwischenzeitlich ein provisorischer Meter, entsprechend einem "ten-millionth of ninety times the average degree in France ",20 als die neue Grundeinheit für die Längenmessung eingeführt und provisorische Meterstäbe für den allgemeinen Gebrauch verteilt werden sollten.21 Ab dem 1. Juli 1794 war die Verwendung des metrischen Systems im ganzen Land obligatorisch.
Es wird nicht überraschen, dass die landesweite Einführung bei weitem nicht reibungslos vonstatten ging. Ein weiterer Erlass des Nationalkonvents vom 7. April 179522 bestätigte viele der Vorschriften von 1793 und fügte eine Reihe von Ergänzungen und Korrekturen hinzu. Unveränderliche Prototyp-Normalien sollten nach den neuesten Erkenntnissen der noch laufenden wissenschaftlichen Forschung aus Platin hergestellt werden. In der Zwischenzeit waren provisorische Metermaße massenhaft zu produzieren und der Öffentlichkeit zu erschwinglichen Preisen zugänglich zu machen.23 Als Grundbegriffe für die neuen Maß- und Gewichtseinheiten (letztere wurden über erstere definiert) wurden der Meter, der Liter und das Gramm bestätigt. Begriffe wie gravet oder grave wurden ersetzt durch gramme und kilogramme. Durch diese Bezeichnungen wurde die Umstellung des neuen Systems von Gewichten und Maßen auf Dezimalzahlen, das bereits mit dem Erlass von 1793 durchgeführt worden war, noch verstärkt und namentlich festgeschrieben.24 Das System basierte nun vollständig auf Dezimalzahlen, die für viele Zeitgenossen als die natürlichste Zahlenreihe erschienen.25 Ein vielleicht noch wichtigerer Vorteil war, dass man glaubte, die Einführung von Dezimalwerten vereinfache das System und erlaube es somit allen Bürgern, ihre eigenen Berechnungen anzustellen.26
Der Erlass von 1795 enthielt auch den Beschluss, die Triangulierung der Strecke Dünkirchen–Barcelona, die in der Zwischenzeit eingestellt worden war, fortzusetzen. Die Vermessung war jedoch erst im Oktober 1798 vollendet und Delambre und Méchain kehrten nach Paris zurück. Auf Einladung der Franzosen versammelte sich ein internationales Komitee von Fachleuten in der Hauptstadt, um das neue System und seine Anwendung zu diskutieren. Vertreter der Batavischen Republik, der Cisalpinischen Republik, Dänemarks, der Helvetischen Republik, der Ligurischen Republik, des Königreichs Sardinien, Spaniens, der Römischen Republik und der Toskana waren anwesend. Großbritannien jedoch war nicht eingeladen worden.27 Das Komitee teilte sich in drei Gruppen, "one to control the weight of the kilogram, a second to compare the scales used in the work with the old toise, and the third [...] to deduce the length of the meter from the cornucopia of measurements made by Méchain and Delambre".28 Im Verlauf dieser Arbeit wurde das "definitive" Urmeter geschaffen und schließlich am 22. Juni 1799 der Öffentlichkeit übergeben. 29 "The new metric standards now had the approval of the official body of French science, a number of foreign scientists officially representing their respective governments, and the French government."30
Die Verbreitung der neuen Längennormale ging jedoch nur schleppend voran. Frankreich übte sowohl direkten als auch indirekten Druck auf mehrere der teilnehmenden Länder aus, das System zu übernehmen – jedoch mit geringem Erfolg.31 Dies dürfte angesichts des auffallend langsamen Durchsetzungsprozesses in Frankreich selbst nicht überraschen. Ab September 1801 mussten die neuen Maßeinheiten für alle Käufe und Verkäufe von Land verwendet werden.32 Viele Leute widersetzten sich jedoch diesen Veränderungen und maßen weiterhin mit Hilfe der alten Einheiten, um dann ihr Mess-Ergebnis in das neue System umzurechnen. Am Ende schien es, als sei das System nicht etwa einfacher geworden, sondern im Gegenteil noch ein weiteres Maß hinzugekommen. Der Widerstand gegen das metrische System war so groß, dass der Gebrauch von prä-metrischen Einheiten in Frankreich 1812 wieder zugelassen wurde. Obwohl die Niederländer, die Schweizer und die Belgier alle nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit das metrische System wieder einführten, dauerte es in Frankreich selbst bis 1837 bis man das System wieder verpflichtend vorschrieb33 (innerhalb dreier Jahre, also letztlich ab 1840).34 Frankreich begann auch damit, das standardisierte System auch außerhalb seiner Grenzen zu propagieren – aber anfangs mit wenig Erfolg. Wenn man Edward Cox' Argumentation folgt, so fand eine weitergehende Aneignung des metrischen Systems erst ab 1851 statt, als die erste Weltausstellung in London ihm einen Schub verschaffte und das Interesse der Handelslobby weckte. Weitere Ausstellungen (in New York, Paris und London) folgten. Die Gründung von internationalen Kongressen und Institutionen wie etwa des Internationalen Statistischen Kongresses, des Weltpostkongresses und der International Geodetic Association trugen zur Verbreitung des Systems bei.35 Der intereuropäische Handel begann in den 1860er Jahren schnell anzuwachsen, und "[i]ncreased trade with France and other metric countries brought many merchants into contact with this system. It is no coincidence that the 1860s saw more national adoptions of the metric system than any other single decade".36
In den Vereinigten Staaten von Amerika legalisierte der Kongress den Gebrauch des metrischen Systems 1866 – ohne diesen jedoch obligatorisch zu machen. Der Norddeutsche Bund führte die neuen Normalmaße 1868 ein. Ab 1872 waren sie verpflichtend vorgeschrieben (zu diesem Zeitpunkt waren die deutschen Länder zum Deutschen Reich vereint worden und die Verbreitung des Systems erstreckte sich nun auf das gesamte Reichsgebiet).37 In den 1860er Jahre hätte selbst Großbritannien beinahe das metrische System übernommen. Im Second Report der Royal Standards Commission, die ins Leben gerufen worden war, um die Möglichkeiten einer Einführung des metrischen Systems zu untersuchen, kam diese jedoch zu dem Schluss, "that the general introduction of the Metric system should be permissive only, and not made compulsory by law after any period to be now specified, so far as relates to the use of Metric weights and measures for weighing and measuring goods for sale or conveyance".38 Die Durchsetzung des metrischen Systems kam daher in Großbritannien zum Stillstand. Wegen seines Erfolges in vielen anderen Ländern und seiner Verbreitung durch viele der neu gegründeten internationalen Organisationen kam es jedoch 1870 in Paris zu einer internationalen Konferenz, die die Aufgabe hatte, weltweit einheitliche Gewichts- und Längeneinheiten festzusetzen und ihre Einhaltung zu überwachen. Nachdem sie durch den Deutsch-Französischen Krieg unterbrochen und 1872 wieder ins Leben gerufen worden war, führte die Konferenz 1875 zur Unterzeichnung eines internationalen Vertrages.39
Dieser Vertrag, allgemein als Convention du Mètre40 oder Meterkonvention bekannt, wurde ursprünglich von 17 Nationen unterzeichnet und sah die Gründung von drei Normungsorganisation vor, die das metrische System überwachen sollten: der Conférence Générale des Poids et Mesures (Generalkonferenz für Maße und Gewichte), die alle vier bis sechs Jahre zusammentrat, des Comité International des Poids et Mesures (Internationales Komitee für Maß und Gewicht) mit jährlichen Treffen und des Bureau International des Poids et Mesures (Internationales Büro für Maß und Gewicht), eine ständige Einrichtung mit Sitz in Sèvres, Frankreich. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts nahm die Anzahl der Unterzeichner des Vertrages ständig zu. Zum Zeitpunkt da dieser Artikel verfasst wurde, gehörten bereits 52 Staaten, "including all the major industrialized countries" zu den Vertragspartnern.41
Standardisierung der Telegrafie und die Telegrafen-Unionen
Wie deutlich wurde, begann die Vereinheitlichung von Gewichten und Längenmaßen auf nationaler Ebene in Frankreich – auch wenn sie ursprünglich als bilaterales Unternehmen mit Großbritannien geplant war. Vollzog sich bereits die landesweite Durchsetzung des Systems nur schleppend, so erwies sich die internationale Standardisierung als noch langsamer und war im Wesentlichen auf äußere Anreize – wie etwa das Anwachsen des binneneuropäischen Handels oder die Lobbyarbeit vieler früher internationaler Organisationen – angewiesen, um in Schwung zu kommen. Im Fall der Telekommunikation, die hier vom Telegrafen repräsentiert wird, gelang dagegen eine Normung auf viel schnellerem Wege. Die Einführung des metrischen Systems hatte bereits die Vorteile von Vereinheitlichung vorgeführt und popularisiert. Wichtiger war jedoch, dass es die Telegrafie ermöglichte, Nachrichten mit hoher Geschwindigkeit über weite Distanzen (und oft über nationale Grenzen hinweg) zu übermitteln. Die Existenz verschiedener nationaler Telegrafie-Standards gefährdete diesen Grundvorteil der Telegrafie. Wo zwei landesspezifische telegrafische Normen, etwa die von Österreich und Preußen vor 1850, an Grenzstationen aufeinandertrafen, war es notwendig, jede internationale Meldung zu dekodieren und anschließend wieder zu verschlüsseln – eine Praxis, die Zeit kostete und oft zur Verfälschung von Meldungen führte.42 Außerdem trug die unterschiedliche Tarifpolitik der Staaten dazu bei, dass die Berechnung von Preisen für internationale Meldungen schwierig und zeitaufwändig wurde.
Die Parallel-Existenz sehr unterschiedlicher Standards beeinträchtigte den Nutzen der telegrafischen Kommunikation sehr und ließ daher eine übergreifende Normierung für alle Beteiligten wünschenswert erscheinen. Nur wenige Jahre nachdem die ersten nicht-experimentellen Telegrafenlinien in Kontinentaleuropa gebaut worden waren, traten erste Initiativen mit dem Ziel einer System-Standardisierung auf den Plan. Im Deutschen Bund war eine Vereinheitlichung durch die Vielzahl verschiedener Staaten besonders dringlich. Im Juli 1850 trafen sich Vertreter Preußens, Österreich-Ungarns, Bayerns und Sachsens in Dresden um über eine Harmonisierung in der telegrafischen Kommunikation zu diskutieren. Sie gründeten den Deutsch-Österreichischen Telegraphenverein (DÖTV)43 und einigten sich auf eine Standardisierung in den Bereichen Technik, Betrieb und Tarife. Diese Maßnahmen erwiesen sich bald als fruchtbar und beschleunigten die internationale Kommunikation zwischen den Vertragspartnern.44 Von Anfang an hatte der DÖTV das Ziel, noch weitere Mitglieder hinzu zu gewinnen. 1851 trat Württemberg dem Verein bei, 1854 Baden und Mecklenburg-Schwerin. Zudem wurden eine Anzahl bilateraler Verträge unterzeichnet, die Telegrafenverbindungen mit anderen europäischen Ländern harmonisierten. 1855 gründeten Frankreich, Belgien, Spanien, Sardinien und die Schweiz die Westeuropäische Telegrafen-Union. Beide Unionen arbeiteten von Anfang an eng zusammen.45 1865 trafen sich schließlich Repräsentanten zwanzig europäischer Staaten auf der conférence télégraphique in Paris und verabschiedeten eine Konvention, die den internationalen telegrafischen Austausch zwischen den Unterzeichnern regelte. Die Internationale Telegrafen-Union (ITU), die auf dieser Konferenz gegründet wurde, gilt heute als die erste wirklich internationale Organisation.46
Zeitmessung
In der Mitte des 19. Jahrhunderts intensivierten sich sowohl der Ferntransport von Waren und Menschen als aus die Kommunikation über weite Distanzen, was eine Normierung der Zeitmessung erforderlich machte. Traditionell wurde die Zeit lokal am Stand der Sonne gemessen (Solarzeit). Die Lokalzeit hängt vom Längengrad ab, auf dem sie gemessen wird. Daher haben unterschiedliche Orte normalerweise verschiedene Lokalzeiten – jeder Grad unterschiedlicher Länge ergibt eine Zeitdifferenz von vier Minuten. Früher ergab sich aus dieser Vielzahl verschiedener Ortszeiten kein organisatorisches Problem. Erst mit der Verbreitung neuer Transport- und Kommunikationstechnologien (wie der Eisenbahn und des Telegrafen) wurde die Synchronisierung zur Notwendigkeit.
Eviatar Zerubavel vertritt die folgende These: "[t]he initial push toward standardizing time reckoning on a supralocal level was [...] given by the British Post Office, when it started to run all its mail coaches throughout Great Britain in accordance with a uniform standard of time" in den 1780er Jahren.47 Die Postkutschen verkehrten nach einem strengen Stundenplan und durchquerten eine Vielzahl verschiedener lokaler Zeitzonen. Um die Einhaltung der Zeitpläne zu vereinfachen, "every mail-coach guard was required to carry a timepiece indicating Greenwich Mean Time (GMT), so that all clocks in the various post offices on the coach's route could be adjusted in accordance with it".48 Greenwich wurde für diesen frühen Zeitstandard gewählt, weil dort das Königliche Observatorium war und es daher für am verlässlichsten gehalten wurde. Man muss jedoch herausstreichen, dass dieser frühe Fall von normierter Zeitmessung nur innerhalb eines klar abgegrenzten Systems funktionierte und keinen Einfluss auf die allgemeine Geltung der Ortszeiten hatte.
Die starke Ausweitung des Eisenbahn-Netzwerks in Großbritannien in den 1830er und 1840er Jahren verschärfte das Problem. Die Einführung einer Normalzeit war notwendig, wenn die Züge nach einem Fahrplan weite Strecken zurücklegen sollten. Also entschloss sich die Great Western Railway Company ausschließlich GMT auf ihren Linien zu verwenden. Da Züge verschiedener Eisenbahngesellschaften koordiniert und Fahrpläne, wo immer möglich, harmonisiert werden mussten, folgten andere Eisenbahngesellschaften diesem Beispiel. Infolge der zunehmenden Bedeutung von Eisenbahntransport und -reise glichen viele Städte im Eisenbahnnetz ihre Ortszeit der "Eisenbahnzeit" – und daher an der Greenwich Mean Time – an: "by 1855, 98 per cent of all public clocks in Britain were already set to GMT".49
Die nationale Standardisierung der Zeit geschah in anderen Ländern ungefähr zum selben Zeitpunkt50 – gewöhnlich angetrieben durch die Expansion der Eisenbahn und der einheimischen Telegrafen-Netzwerke. Bald jedoch ließ die Globalisierung der Telegrafie51 und die Lobby-Arbeit der wissenschaftlichen Organisationen52 eine internationale Normalisierung der Zeit notwendig erscheinen. Die erfolgreiche Verlegung des transatlantischen Telegrafenkabels im Jahr 1866 brachte die USA und Europa in beinahe unmittelbaren Kontakt (und verband etwa die Börsen von New York und London eng miteinander). Dies machte die Synchronisierung der Zeit auf beiden Seiten des Kabels notwendig. Die Ausweitung der weltweiten Kommunikation und des Transports erforderten auch eine Festlegung globaler Zeitzonen und einer internationalen Datumsgrenze. All dies wurde schließlich 1884 auf der Internationalen Meridian-Konferenz in Washington beschlossen, die Repräsentanten von 25 Staaten besuchten. Gegen den Widerstand Frankreichs legte man den Meridian von Greenwich als den Nullmeridian fest, an den die Normalzeit gebunden war und Greenwich Mean Time erlangte damit den Status der Normalzeit. Die internationale Datumsgrenze verlegte man auf den 180. Meridian und "[t]hough the conference never passed any actual resolutions regarding such a system, it generally agreed that the world would be divided into 24 one-hour time zones".53 Wie in vielen anderen Fällen der internationalen Standardisierung jedoch vollzog sich die Durchsetzung des neuen Standards – außerhalb der Felder, die direkt von ihm abhingen – langsam. Sie dauerte in einigen Fällen bis weit ins 20. Jahrhundert. Zum Beispiel war es "only in 1940 that Holland [...] synchronized itself with the rest of the world". Und andere Fälle, Länder wie Australien, Kanada, Indien oder Malaysia, "have [not] committed themselves to using standards of time that are at differentials of complete hours from one another".54
Der Goldstandard
Im Vergleich zu anderen Beispielen, die hier behandelt wurden, handelt es sich bei der Entstehung des sogenannten klassischen Goldstandards (1870–1914) um einen etwas unterschiedlichen Fall der Standardisierung. Diese Norm "was the first system of fixed exchange rates to span the entire globe. By the outbreak of World War I, virtually all countries used the gold standard: either they had made their currencies convertible into gold or they had, at least, stabilised their exchange-rates with respect to convertible currencies".55 Es ist jedoch immer noch nicht ganz klar, wer die treibenden Kräfte hinter der Einführung dieses Standards waren. Obwohl internationale Konferenzen und Übereinkünfte eine gewisse Rolle dabei spielten, scheint es eine seltene Kombination von äußeren und inneren Faktoren gewesen zu sein, die letztlich zu der dominoeffekt-artigen Aneignung des Goldstandards nach 1871 geführt haben.
In die 1860er Jahren fielen erste Versuche, zu internationalen Übereinkünften auf dem Gebiet der Währungen zu kommen. 1865 entstand die Lateinische Münzunion – bestehend aus Frankreich, Belgien, Italien und der Schweiz –, die das Silber-Münzgeld sowie die Scheidemünzen aus Silber in den vier Ländern vereinheitlichte. Die französische Fünf-Franc-Silbermünze wurde als Standard benutzt. Matthias Morys stellt die These auf, dass "future transition to gold was made as easy as never before. No more than suspending the free coinage of the 5 franc silver coin, the only remaining link to bimetallism, was required to switch to gold; [...] This explains why the [Latin Monetary Union] is probably better seen as a transitory agreements [sic!] on the way towards gold monometallism".56 Zwei Jahre später, 1867, nahmen Vertreter aus zwanzig Nationen (alle aus Europa mit Ausnahme der USA) an der Internationalen Währungskonferenz in Paris teil, die eine weitere Vereinheitlichung von Münzgeld auf breiterer Basis zum Ziel hatte.57 Auf dieser Konferenz stimmten bis auf ein Land alle für die Einführung eines allgemeinen Goldstandards. Hierfür wurden jedoch keine weiteren Bestimmungen festgelegt. Diese blieben den nationalen Währungskommissionen vorbehalten, die sich mit dieser Angelegenheit in den 1860er und 1870er Jahren oft beschäftigten. Den Empfehlungen seiner eigenen Kommission folgend führte Deutschland den Goldstandard 1871 ein und war dabei offenbar das Zünglein an der Waage für die neue Norm. Die britische Währung basierte schon seit einiger Zeit auf dem Goldstandard. Frankreich, Belgien, die Niederlande und die skandinavischen Länder folgten 1873. Die Vereinigten Staaten verwendeten den Goldstandard ab 1879. Bis zum Ersten Weltkrieg folgten viele weitere Länder in Amerika, Asien und Europa diesem Beispiel – mehr oder weniger erfolgreich. Damit war ein globaler Währungs- und Wechselkurs-Standard entstanden.
Die Entstehung eines so weit verbreiteten, gemeinsamen Währungsstandards vereinfachte die Globalisierung des Handels und der Investitionen ungemein und erhielt daher entscheidende Impulse aus dieser Entwicklung. Die Frage, wie und warum der Goldstandard überhaupt eingeführt wurde, ist jedoch unter Historikern immer noch umstritten. Jüngst hat Gopalan Balachandran darauf hingewiesen, dass "there is no shortage of evidence that the world moved to gold 'unwillingly' from the 1870s, at least partly for fear that it would tie domestic and international monetary conditions too closely".58 Ähnlich argumentiert Marc Flandreau: der Goldstandard sei ein "accident of history",59 ausgelöst wie im Dominoeffekt durch die Einführung des Standards in nur einem Land – Deutschland. Andererseits vertreten Forscher wie Matthias Morys die These, dass die Festsetzung eines allgemeinen Goldstandards eine bewusste Entscheidung der beteiligten Länder war und ihren Grund in den spezifischen mikroökonomischen Vorteilen hatte, die der Standard ihnen bot.60 Obwohl immer noch unklar ist, ob der Schritt zum Gold einfach unvermeidbar, eine bloßer Zufall oder eine Folge bewusster Entscheidungen war, erleichterten sicherlich mehrere Faktoren seine Durchsetzung. Erstens hatte Gold einen viel höheren Wert pro Gramm als Silber und war dadurch in Zeiten zunehmenden Warenumschlags einfacher und kostengünstiger zu transportieren. Außerdem fiel während des 19. Jahrhunderts der Wert von Silber gegenüber Gold rapide. Dies hätte in Ländern mit Silberwährung zu einer Inflation geführt. Auch hätten Länder mit einer Silberwährung bei einem hohem Handelsvolumen mit Großbritannien, das den Goldstandard benutzte, hohe Transaktionskosten gehabt.61 Alle diese Faktoren beschleunigten die Entstehung eines gemeinsamen, auf Gold basierenden Währungsstandards im späten 19. Jahrhundert.
Zusammenfassung
Aus der heutigen Perspektive kann die Einführung und Verbreitung eines einheitlichen Systems von Maßen und Gewichten als das erste gemeinschaftliche und anhaltende Bemühen um nationale und dann internationale Standardisierung angesehen werden. Sein Erfolg, auch nur auf nationaler Ebene, hing von einer einzigartigen Kombination von Faktoren und Impulsen ab, die in diesem besonderen Fall von der Aufklärung, dem politischen Klima der Französischen Revolution und der entstehenden Internationalisierung und Globalisierung ausgingen. "[T]he reform of weights and measures required action on two main fronts. There were first the scientific and technical aspects which involved the definition of a unit, the composition of a scale of measurement and the construction of accurate standards. Secondly, there was the political and legislative aspect. A remarkable feature of the revolutionary period is the extent of collaboration between these two sides."62
Andererseits führte das Streben nach internationaler Normung auch zu neuen Herangehensweisen und Instrumenten. Es bereitete das Terrain für den Aufstieg der internationalen Konventionen und Institutionen. "There can be little doubt of the international character of the [1798–1799 metric] conference and this, interestingly enough, in a period of emergent nationalism. [...] The 1798–1799 metric conference marks a transition toward the modern idea of an international scientific congress."63 Um sie universal einsetzbar zu machen, musste eine Norm frei von nationaler Symbolik, allgemein reproduzierbar und ohne innere Widersprüche sein. Daher war "the metric system […] based on a standard taken directly from nature; its units were interconnected; its divisions and multiples followed the decimal scale".64 Schließlich führte, wie Witold Kula gezeigt hat, der Prozess der Einführung des Metermaßes auch zu einem Wandel in der Auffassung, wer eigentlich bestimmte festgesetzte Mindeststandards zu garantieren hatte. Während es vorher mindestens drei Arten von Garantien gegeben hatte – soziale Kontrolle, Überwachung durch lokale Autoritäten und religiöse Sanktionen65 –, wurden sie nun von einer anderen abgelöst: "[t]he introduction of the metric system, within the process of the evolution of the modern functions of the state, meant that the state guarantee was now of prime importance".66
Jedes der drei hier ausgewählten Beispiele der Normung im 19. Jahrhundert folgte einem etwas anderen Weg zur Standardisierung. Im Fall der europäischen Telekommunikation des 19. Jahrhunderts wurde die Standardisierung durch Konferenzen und Verträge willentlich und bewusst herbeigeführt. Im Fall der Zeitmessung erfolgten die ersten Maßnahmen einer Normung in geschlossenen Systemen (Postkutschen- oder Eisenbahnnetzwerken). Erst später setzten sich diese Normen in einem größeren Rahmen durch – schließlich sogar auf internationaler Ebene mittels einer internationalen Konferenz. Im Fall des Goldstandards gaben mehrere internationale Konferenzen Empfehlungen und machten Vorschläge, doch keine internationale Übereinkunft zwang die nationalen Währungskommissionen dazu, tatsächlich zum Gold überzugehen. Eine Kombination aus inneren und äußeren Faktoren bewirkte schließlich eine dominoeffekt-artige Durchsetzung dieser Norm.
Alle vier Fälle, das erste Beispiel der Metrisierung eingeschlossen, zeigen deutlich die Verbindung von Standardisierung und geschichtlichen Kräften wie der Globalisierung, des technischen Fortschritts oder des Kapitalismus/Imperialismus, die eine landesweite und internationale Kompatibilität so erstrebenswert machten. Die Institutionen, Konferenzen und Übereinkünfte hinter diesen Beispielen aus dem 19. Jahrhunderts waren jedoch normalerweise weder dauerhafte noch flächendeckend wirksame Normungsorganisationen. Ihr Ziel war es, eine Vergleichbarkeit, Austauschbarkeit und Zusammenarbeit auf eng eingegrenzten Gebieten (d.h. Kommunikation, Zeiterfassung oder Finanzen) zu erreichen und dazu führten sie bestimmte Normen ein. Erst in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die ersten richtigen Normungsorganisationen gegründet – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Im Jahr 1901 richteten verschiedene britische Ingenieurs-Vereinigungen das Engineering Standards Committee (später British Engineering Standards Association)67 ein, um landesweite Normen auf einem Gebiet durchzusetzen, das unter dem Mangel an Einheitlichkeit besonders litt. Nur wenige Jahre später, 1906, entstand die International Electrotechnical Commission (IEC), die das selbe Ziel auf internationaler Ebene verfolgte. Ihrer Gründung waren Diskussionen zwischen zahlreichen nationalen Organisationen wie der British Institution of Electrical Engineers und des American Institute of Electrical Engineers vorausgegangen. Die IEC "developed many of the techniques and institutional mechanisms that came to typify international standard setting"68 und schuf damit die Verfahrensgrundlagen für Körperschaften wie das American Engineering Standards Committee (AESC) und die International Federation of the National Standardizing Associations (ISA). Mit dem AESC wurde 1918 die erste allgemeine Normungsinstitution in den Vereinigten Staaten gegründet. Die ISA folgte 1926 und gilt als die erste internationale Normungsorganisation, mit einer Aufgabenstellung, die das Programm der IEC ergänzte.
Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs bot sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene einen bedeutenden Anstoß dafür, die Standardisierung voranzutreiben. Die Arbeit der ISA wurde jedoch behindert durch eine Reihe von Faktoren wie etwa den Differenzen zwischen Mitgliedsländern mit dem metrischen und mit nicht-metrischen Systemen, den verheerenden Zustand der Weltwirtschaft in den 1930er Jahren69 und schließlich die internationale Katastrophe des Zweiten Weltkriegs.70 1941 hatten dann sowohl die IEC als auch die ISA ihre Arbeit vorübergehend eingestellt. Nach lang anhaltenden Diskussionen über das Gewicht der einzelnen nationalen Normungsorganisationen bei der Festlegung von internationalen Standards wurde die ISA schließlich abgelöst durch eine "new organization [that] could publish recommendations on international standards [...] This policy, which moved beyond simply coordinating national standards to actually establishing international standards, was also reflected in the name ultimately adopted for the organization: the International Organization for Standardization (eventually abbreviated as ISO), which dropped the word 'coordinating' from the name initially proposed".71 Neben der IEC, die ihre Arbeit nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufnahm, und der International Telecommunication Union (ITU – die aus der Internationalen Telegrafen-Union entstand), ist die ISO heute eine der drei wichtigsten internationalen Normungsorganisationen.
Die drei europäischen Standardisierungsinstitutionen (CEN, CENELEC und ETSI), die in der Einleitung erwähnt wurden, haben die ökonomische und behördliche Integraion der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zum Ziel. Ihr Schwerpunkt liegt daher auf einem anderen Gebiet als bei den drei internationalen Körperschaften. Alle drei verpflichteten sich jedoch in den Verträgen von Lissabon (1989) und Wien (1991), bei der Entwicklung von technischen Standards eng zusammenzuarbeiten.
Anhang
Quellen
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Anmerkungen
- ^ [Rat der europäischen Union]: ENTSCHLIESSUNG DES RATES vom 28. Oktober 1999.
- ^ [Die Kommission der europäischen Gemeinschaften]: VERORDNUNG (EG) Nr. 2257/94 DER KOMMISSION vom 16. September 1994 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Bananen.
- ^ Muschalla, Vorgeschichte der technischen Normierung 1992, S. 15.
- ^ Crosland, Congress on Definitive Metric Standards 1969, S. 227.
- ^ Crosland, "Nature" and Measurement 1972, S. 287.
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- ^ Alder, Measure of All Things 2004, S. 3.
- ^ Heilbron, Measure of Enlightenment 1990, S. 207.
- ^ Saß, Geschichte des Eichwesens 1957, S. Lit–1–6–1.
- ^ Crosland, "Nature" and Measurement 1972, S. 278.
- ^ Es ist kein Zufall, dass die weitere Verbreitung des optischen Telegrafen – des ersten funktionierenden Telekommunikationsmediums im modernen Sinn des Wortes – ebenfalls genau in dieser Zeit stattfand. Der Telegraf bot dem entstehenden Nationalstaat ein notwendiges Mittel, um sein großes Territorium zentral zu verwalten. Die sternförmige Struktur des optischen Telegrafen-Netzwerks im Frankreich des 19. Jahrhunderts, mit der Hauptstadt Paris als Zentrum, steht anschaulich für den sehr zentralistischen Charakter des Staates.
- ^ Crosland, "Nature" and Measurement 1972, S. 277.
- ^ Cox, Metric System 1958, S. 360.
- ^ Crosland, "Nature" and Measurement 1972, S. 282.
- ^ Zupko, Revolution in Measurement 1990, S. 144–147.
- ^ Vgl. Alder, Measure of All Things 2004. Dünkirchen und Barcelona waren als Endpunkte ausgewählt worden, weil diese Städte auf demselben Meridian liegen wie Paris und den nördlichsten bzw. den südlichsten Punkt dieses Längenkreises in Europa markieren.
- ^ Heilbron, Measure of Enlightenment 1990, S. 228.
- ^ Zupko, Revolution in Measurement 1990, S. 148–150.
- ^ Das Gesetz ist offiziell noch immer unter dem Namen "Gesetz vom 18. Germinal des Jahres 3" bekannt. Im Oktober 1793 führte der Nationalkonvent einen pseudo-dezimalen Kalender als neuen Standard der Zeitmessung ein – den Französischen Republikanischen Kalender oder Französischen Revolutionskalender. Die zwölf Monate erhielten neue Namen und wurden in drei Zehntage-Wochen unterteilt. Napoleon schaffte den Kalender zu Ende des Jahres 1805 wieder ab. Noch kurzlebiger war der Versuch, die Uhrzeit ebenfalls in ein dezimales System zu bringen. Die Einteilung des Tages in zehn Stunden mit je 100 Minuten zu 100 Sekunden war schon im April 1795 aufgegeben worden.
- ^ Heilbron, Measure of Enlightenment 1990, S. 231–232.
- ^ Zupko, Revolution in Measurement 1990, S. 150–165.
- ^ Crosland, "Nature" and Measurement 1972, S. 298–299.
- ^ Crosland, "Nature" and Measurement 1972, S. 299–300.
- ^ Crosland, Congress on Definitive Metric Standards 1969, S. 227.
- ^ Heilbron, Measure of Enlightenment 1990, S. 234.
- ^ Heilbron, Measure of Enlightenment 1990, p. 235; Crosland, Congress on Definitive Metric Standards 1969, S. 230.
- ^ Crosland, Congress on Definitive Metric Standards 1969, S. 230.
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- ^ Cox, Metric System 1958, S. 361.
- ^ Heilbron, Measure of Enlightenment 1990, S. 239.
- ^ Cox, Metric System 1958, S. 362–371.
- ^ Cox, Metric System 1958, S. 366.
- ^ Cox, Metric System 1958, S. 372.
- ^ Standards Commission: Second report of the commissioners, 19th Century House of Commons Sessional Papers 1868–69 [4186], Volume XXIII, 6.
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- ^ Convention du Mètre 1875.
- ^ Bureau International des Poids et Mesures: The Metre Convention.
- ^ Reindl, Partikularstaatliche Politik 1998, S. 33.
- ^ Für eine umfassende Übersicht über die Geschichte des Deutsch-Österreichischen Telegraphenvereins vgl. Reindl, Deutsch-Österreichische Telegraphenverein 1993.
- ^ Reindl, Partikularstaatliche Politik 1998, S. 34–35.
- ^ Reindl, Partikularstaatliche Politik 1998, S. 42.
- ^ Für eine umfassende Übersicht über die Geschichte der Internationalen Telegrafen-Union vgl. Codding/Rutkowski, International Telecommunication Union 1982; Tegge, Internationale Telekommunikations-Union 1994.
- ^ Zerubavel, Standardization of Time 1982, S. 6.
- ^ Zerubavel, Standardization of Time 1982, S. 6.
- ^ Zerubavel, Standardization of Time 1982, S. 7.
- ^ Zur Normalisierung der Zeit in den USA, vgl. z. B. Bartky, Adoption of Standard Time 1989.
- ^ Zerubavel, Standardization of Time 1982, S. 12; Palmer, Negotiation and Resistance 2002, S. 13–15.
- ^ Palmer, Negotiation and Resistance 2002, S. 16–18; Zerubavel, Standardization of Time 1982, S. 12.
- ^ Zerubavel, Standardization of Time 1982, S. 15.
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- ^ Morys, Classical Gold Standard 2007.
- ^ Meissner, Gold Standard 2003.
- ^ Crosland, "Nature" and Measurement 1972, S. 279.
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- ^ Cox, Metric System 1958, S. 360.
- ^ Kula, Measures and Men 1986, S. 79.
- ^ Kula, Measures and Men 1986, S. 81.
- ^ Yates / Murphy, Coordinating International Standards 2007, S. 5.
- ^ Murphy / Yates, International Organization for Standardization 2009, S. 12.
- ^ Yates / Murphy, Coordinating International Standards 2007, S. 21.
- ^ Unter den wenigen Hinterlassenschaften der ISA sind jedoch die allgegenwärtigen Standards für Papiergrößen wie DIN A4 usw., die von der deutschen Normungsorganisation entwickelt wurden.
- ^ Yates / Murphy, Coordinating International Standards 2007, S. 30.
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