Beim Antisemitismus in Europa wird gegenwärtig zwischen fünf Artikulationsvarianten unterschieden: der religiös-antijüdischen, der völkisch-rassistischen, der sekundär-schuldabwehrenden, der antizionistisch-antiisraelischen und der arabisch-islamischen. Obwohl diese fünf Artikulationsformen heutzutage alle sowohl parallel wie auch miteinander verbunden anzutreffen sind, verweisen sie in ihrer Entstehung und Entwicklung auf unterschiedliche historische Zusammenhänge. Im Folgenden soll eine Charakteristik der unterschiedlichen antisemitischen Artikulationsformen herausgearbeitet und historisch kontextualisiert werden. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den transnationalen, für den europäischen Kontext bedeutsamen Entwicklungslinien.
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Als Reaktion auf die Formierung des politischen Zionismus als "internationalem Nationalismus" gegen Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich im europäischen Judentum auch eine inter- und transnationale Ablehnungsfront heraus. Insbesondere innerhalb des liberalen und des orthodoxen Judentums waren die Vorbehalte gegenüber der neuen Bewegung derart groß, dass Organisationen entstanden, die sich als Hauptziel die Bekämpfung des Zionismus auf die Fahne schrieben. Während der Antizionismus liberaler Juden vor allem auf der Furcht gründete, dass der jüdische Nationalismus die Integration in die nichtjüdische Gesellschaft gefährden und dem Antisemitismus neuen Auftrieb geben könnte, lehnten antizionistische orthodoxe Juden in der Regel den Zionismus nicht nur wegen seiner säkularen Grundtendenz, sondern auch wegen seines Versuches ab, das messianische Zeitalter durch menschliches Eingreifen vorwegzunehmen.
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Zwischen ungefähr 1880 und 1945 entstanden auf der sozio-politischen Szene der Welt verschiedene makro-nationalistische Ideologien. Sie gründeten sich entweder auf ethnische (Pan-Slawismus, Pan-Germanismus), religiöse (Pan-Islamismus) oder territoriale (Pan-Asianismus, Pan-Afrikanismus) Identität. Ihr Ziel war die Vereinigung aller Mitglieder einer bestimmten Pan-Gruppe über die von ihnen als zu eng empfundenen Grenzen nationaler Staaten hinaus. Die so entstandenen Pan-Ideologien besaßen folglich einen makro-nationalistischen, häufig imperialistischen, wenn nicht gar irredentistischen Charakter. Aus diesen Gründen lehnten die meisten Staaten und Regierungen die Pan-Ideologien ab. Mit der Etablierung des Nationalstaates als der (zumindest bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt) wichtigsten Organisationseinheit der internationalen Gemeinschaft verschwanden die meisten Pan-Ideologien. Selbst dort, wo sie weiter existieren, kann ihnen keine prominente sozio-politische Rolle mehr zugeschrieben werden.
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Die Zionssehnsucht, die Hoffnung auf eine Rückführung der in der Zerstreuung lebenden Juden nach Eretz Israel, in das Land Israel, war im Judentum stets lebendig. Jedoch entstand der Zionismus als aktive Bewegung für die Rückkehr der Juden nach Palästina erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In vielen europäischen Ländern bildeten sich innerhalb der jüdischen Gemeinschaften Gruppierungen, die der zionistischen Idee anhingen und sich in unterschiedlicher Weise für ihre Verwirklichung einsetzten. Die jüdische Nationalbewegung formierte sich im grenzübergreifenden Zusammenwirken einzelner Akteure und Gruppen, wobei eine Vielfalt von Ideologien und Konzepten entstand, die neue Zusammenschlüsse hervorbrachten, aber auch bewusste Abgrenzungsbekundungen zur Folge hatten. Der Beitrag behandelt die Geschichte des Zionismus in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg unter der Frage nach der Entstehung, Funktion und Wirkungsweise grenzübergreifender Kommunikation und Interaktion. Dabei rücken vor allem Prozesse der Verflechtung und Netzwerkbildung in den Mittelpunkt, die sich im Spannungsfeld zwischen dem Bekenntnis zur jüdischen Nation, der nationalstaatlichen Verwurzelung und dem die Staatsgrenzen überschreitenden, transnationalen Agieren der Zionisten vollzogen.
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Der Beitrag zeichnet die Geschichte des europäisch grundierten Zionismus im und nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Staatsgründung Israels im Jahre 1948 nach. Das erkenntnisleitende Interesse besteht darin zu zeigen, wie das aufstrebende Projekt der jüdischen Besiedlung Palästinas äußeren und inneren Schwierigkeiten unter britischem Mandat und im Schatten des Nationalsozialismus trotzen konnte. Gleichwohl ist der politische Zionismus von Anfang an von einer Trias aus umstrittenen Teilungsplänen, periodisch wiederkehrenden "Bürgerkriegen" und Terroranschlägen geprägt gewesen. Diese Konstellation lässt erahnen, warum dem Staat Israel – ungeachtet diplomatischer Einzelerfolge – ausgerechnet im nahöstlichen Kontext noch immer eine nachhaltige historisch-politische und völkerrechtliche Legitimation versagt bleibt.
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